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ENERGIE/061: Biogas - effizient erzeugen und nachhaltig nutzen (ForschungsReport)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 1/2009
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Biogas - effizient erzeugen und nachhaltig nutzen

Von Monika Heiermann, Bernd Linke, Michael Klocke, Volkhard Scholz, Phillip Grundmann (Potsdam)


Für den künftigen Mix aus erneuerbaren Energien kann Biogas, ein energiereiches Gas mit 50-65% Methan, einen bedeutenden Beitrag leisten. Schon heute liefern etwa 4.000 landwirtschaftliche Biogasanlagen elektrischen Strom für etwa drei Millionen Haushalte. Durch die Erschließung bisher ungenutzter Potenziale organischer Reststoffe aus der Landwirtschaft sowie den maßvollen Anbau von Energiepflanzen kann die Effizienz der Biogaserzeugung und -verwertung noch deutlich gesteigert werden. Das Ziel der interdisziplinären Forschergruppe "Biogas" am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) ist es daher, durch innovative Forschungsansätze Optimierungspotenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erschließen und in effiziente Biogastechnologien und -verfahren umzusetzen.


Hochwertige Silagen notwendig

Biogaspflanzen werden zurzeit auf etwa 3% der Ackerfläche Deutschlands angebaut und gemeinsam mit organischen Reststoffen aus der Tierhaltung zu Biogas vergoren.

Eine Reihe von Faktoren beeinflusst die aus Biogaspflanzen erreichbare Methanausbeute. Neben Anbau und Ernte spielt die Konservierung und Lagerung des Pflanzenmaterials eine entscheidende Rolle. Die Silierung als übliche Form der Konservierung von Ganzpflanzen für die kontinuierliche, ganzjährige Beschickung der Biogasanlage wirkt sich auf die Menge und chemische Zusammensetzung des pflanzlichen Substrats aus. Es kommt also darauf an, die für die Methanbildung wertgebenden Inhaltsstoffe in der Silage zu erhalten. Durch gutes Silagemanagement, die Wahl geeigneter Pflanzenarten und Erntetermine sowie siliertechnische Maßnahmen wie Anwelken, kurze Häcksellängen und Zusatz von Siliermitteln können Qualitätsverluste zwar nicht vollständig vermieden, aber deutlich verringert werden.

Aktuelle Ergebnisse aus dem BMELV-gefördertem Verbundprojekt EVA ("Entwicklung und Vergleich von optimierten Anbausystemen für die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen unter verschiedenen Standortbedingungen Deutschlands") zeigen, dass sich gut konservierte Silagen unter anaeroben Bedingungen über einen langen Zeitraum lagern lassen, ohne dass sich die Methanausbeute vermindert (Abb. 1). Auch der Zusatz von Siliermitteln kann die Qualität der Biomasse für die Biogasproduktion sichern und verbessern.

Auch künftig werden sich die ATB-Wissenschaftler mit der Qualitätssicherung von Silagen beschäftigen: Im Fokus stehen dabei der Einsatz von neuen Siliermitteln, die gleichzeitige Silierung mehrerer Pflanzenarten (Mischsilagen) sowie die Auswirkungen von Unkrautbesatz auf die Bereitstellung von Substrat für die Biogasproduktion. Die in Labor- und Praxisversuchen erzielten Ergebnisse sollen in Empfehlungen für die Praxis einmünden.


Ein neuer technologischer Ansatz

Die Biogasgewinnung in der Landwirtschaft erfolgt heute überwiegend in vollständig durchmischten Fermentern, in denen je nach Belastung und Substratzusammensetzung 50-80% der eingetragenen organischen Substanz zu Biogas umgesetzt werden. Für die Durchmischung des Fermenterinhaltes werden jedoch etwa 5-10% des aus dem Biogas produzierten Stroms benötigt. Hinzu kommt, dass in solchen Fermentern die langsamste Teilreaktion des mikrobiologischen Abbaus die Gesamtleistung der Biogasbildung bestimmt. Dies ist zum Beispiel für Substrate mit hohem Rohfasergehalt die Hydrolyse der Makromoleküle, während für Rohstoffe mit hohem Stärke- und Zuckergehalt die Umsetzung der gebildeten organischen Säuren durch eine zu geringe Konzentration methanbildender Mikroorganismen zum begrenzenden Faktor werden kann. Deshalb wurde am ATB mit Unterstützung durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) ein neuer technologischer Ansatz zur Biogasgewinnung entwickelt, der substratspezifisch einsetzbar ist, sich durch eine hohe Prozessstabilität auszeichnet und im Vergleich zum Rührfermenter eine deutliche Leistungssteigerung ermöglicht.

Die Biogasproduktion erfolgt dabei in zwei in Reihe geschalteten Fermentern, die durch einen Prozesswasserkreislauf verbunden sind (Abb. 2). Die zu vergärenden Substrate werden mit Hilfe eines Feststoffeintrages in den unteren Teil des ersten Fermeters kontinuierlich eingebracht, wandern durch das sich bildende Biogas nach oben und können als fester Gärrest ausgetragen werden. In diesem Aufstromfermenter findet vor allem die Hydrolyse/Versäuerung der organischen Verbindungen statt. Die hier gebildeten organischen Säuren und der Wasserstoff werden mit dem Prozesswasser in den nachgeschalteten Methanreaktor eingetragen. Hierfür eignet sich ein klassischer Festbettreaktor aus der anaeroben Abwasserreinigung. Alternativ kann auch ein Wirbelbettreaktor mit magnetischen Partikeln für die Ansiedlung von methanbildenden Mikroorganismen verwendet werden. Mit Hilfe eines Magnetabscheiders lassen sich die mikrobiellen Leistungsträger im Reaktor halten und sorgen so für höhere Leistung. Dieses gemeinsam mit der Berliner Humboldt-Universität entwickelte System wird zurzeit am ATB erprobt.


Spezialisten am Werk: Methanbildende Archaeen

Nur wenige, hoch spezialisierte Mikroorganismen sind in der Lage, Methan zu bilden. Diese Fähigkeit findet sich ausschließlich bei Vertretern der Gruppe der Archaea. Diese Organismen wurden früher als Bakterien angesehen, unterscheiden sich aber durch eine Reihe von physiologischen und strukturellen Merkmalen deutlich von diesen. Bisher sind drei unterschiedliche Stoffwechselwege zur Methansynthese bekannt:

1. Molekularer Wasserstoff (H2) wird genutzt, um Kohlendioxid schrittweise zu Methan zu reduzieren (hydrogenotrophe Methanogenese);

2. Acetat (CH3COOH) wird zu Kohlendioxid oxidiert, die verbleibende Methylgruppe wird zu Methan reduziert (acetoklastische oder acetotrophe Methanogenese);

3. Methylverbindungen werden zu Methan reduziert, entweder durch die Oxidation von molekularem Wasserstoff oder Methanol (CH3OH).

Am ATB wurde im Rahmen eines durch die FNR geförderten Projektes untersucht, welche Methanbildner vorrangig in landwirtschaftlichen Biogasanlagen zu finden sind. Der Nachweis der methanbildenden Mikroorganismen erfolgte dabei auf Ebene der DNA, wodurch eine kulturunabhängige und zugleich eindeutige Identifizierung der Mikroorganismen möglich wurde. Die Analyse der archaeellen 16S rDNA Nukleotidsequenz erbrachte einen Überblick über die Diversität der in Biogasanlagen vorliegenden Methanbildner (Abb. 4). In nahezu allen untersuchten Biogasanlagen wurden vorrangig Archaeen der Ordnungen Methanomicrobiales und Methanobacteriales nachgewiesen. Insbesondere Vertreter der Gattung Methanoculleus wurden gefunden. Acetat verwertende Methanbildner wurden dagegen wesentlich seltener nachgewiesen. Lediglich in zwei Biogasreaktoren fanden sich größere Anteile von Nukleotidsequenzen der Gattung Methanosaeta. Die unterschiedlich zusammengesetzten archaellen Lebensgemeinschaften lassen darauf schließen, dass die Substrate in den Biogasanlagen auf verschiedenen Wegen zu Methan umgesetzt werden. Jedoch konnte bisher kein Zusammenhang zwischen der Struktur der Archaea-Biozönose und der jeweiligen Substrate festgestellt werden. Auch die Verweilzeit der Substrate oder der Raumbelastung des Reaktors scheinen sich nicht auszuwirken. Vielmehr kommen bestimmte chemische Parameter wie die Ammonium- und Acetatkonzentration zum Tragen. Wie sich diese Faktoren genau auf die methanogene Population in landwirtschaftlichen Biogasanlagen auswirken, wird derzeit am ATB untersucht.


Brennstoffzellen für Biogas nutzen

Um das Anwendungspektrum von Biogas zu erweitern, werden am ATB seit 2002 Untersuchungen zum Einsatz von Brennstoffzellen durchgeführt. In enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Industrie und Forschung wurde ein 1 kW-Brennstoffzellensystem für Biogas entwickelt und getestet (Abb. 5). Mit diesem aus einer Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzelle (PEMFC) und einem Dampf-Reformer bestehenden System konnte nachgewiesen werden, dass Biogas für Brennstoffzellen geeignet ist, dass der üblicherweise hohe CO2-Anteil im Biogas kaum Leistungseinbußen verursacht und dass bei optimaler Auslegung des Systems Wirkungsgrade von deutlich über 40% erreichbar sind. Im Biogas enthaltene Spurengase, insbesondere CO und H2S, können jedoch den Katalysator schädigen und damit die Standzeit der Brennstoffzellen beeinträchtigen. In verschiedenen Labor- und Praxisfermentern wurden daher zahlreiche Biogasproben analysiert und die Gehalte an Kohlenmonoxid und verschiedenen Schwefelverbindungen bis in den einstelligen ppm-Bereich bestimmt.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden in naher Zukunft aussichtsreiche Brennstoffzellen-Membranen hinsichtlich ihrer Standzeit in einem Einzeller-Versuchsstand untersucht. Nach gezielter Beimischung der verschiedenen Spurengase wird der Verschleiß der Zellen bestimmt. Auf dieser Grundlage können geeignete Gasreinigungsverfahren ausgewählt bzw. entwickelt werden. Dies ist Voraussetzung für eine Erprobung der Biogas-Brennstoffzelle im großtechnischen Maßstab, die für die kommenden Jahre vorgesehen ist.


Die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen verbessern

Biogas boomt weiter. Aufgrund des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist zu erwarten, dass im Jahr 2009 etwa 800 neue Biogasanlagen mit einer elektrischen Leistung von 200 Megawatt errichtet werden. Die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen zu verbessern, ist daher eine vorrangige Forschungsaufgabe. Das ATB hat einige Stellschrauben, mit denen sich die Produktionskosten für Biogas senken lassen, aus betriebsökonomischer Sicht untersucht. Potenziale zur Kosteneinsparung werden vor allem in der Verringerung der spezifischen Anlageninvestitionen gesehen, in der besseren Auslastung einzelner Anlagenkomponenten, der Steigerung der Methanerträge und einer Verbesserung der Wirkungsgrade bei der Verstromung (Abb. 6). Kosten lassen sich auch senken, wenn die Bereitstellung von Biomasse optimiert wird - entscheidende Faktoren sind hier Menge und Qualität. Die Substratkosten pro erzeugter kWh lassen sich zudem durch die Wahl des Erntezeitpunkts erheblich senken. Hierbei sollte nicht nur das spezifische Methanbildungspotenzial, sondern auch die Erntemenge pro Hektar berücksichtigt werden.

Infolge ungleich hoher Kosteneinsparungseffekte sind die Investitionsspielräume für einzelne Optimierungsmaßnahmen sehr unterschiedlich. Weiterführende Untersuchungen sollen daher klären, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die verfügbaren bzw. in Entwicklung befindlichen Optimierungen haben.


Dr. Monika Heiermann, Prof. Dr. Bernd Linke, Dr. Michael Klocke, Dr. Volkhard Scholz, Dr. Phillip Grundmann, Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim, Max-Eyth-Allee 100, 14469 Potsdam. E-Mail: blinke@atb-potsdam.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Methanausbeuten von Mais-, Grünschnittroggen- und Sudangrashybrid-GPS nach unterschiedlicher Lagerdauer im Modell-Silo

Abb. 2: Schema des Aufstromverfahren zur Biogasgewinnung, bestehend aus dem Aufstromreaktor (rechts), dem Methanreaktor (links) und einer Kreislaufführung der Flüssigphase

Abb. 3: Fluoreszenz-mikroskopische Aufnahme von einem Partikel aus einer Biogasanlage mit mikrobiellem Besatz

Abb. 4: Biodiversität methanbildender Archaeen in landwirtschaftlichen Biogasanlagen

Abb. 5: Brennstoffzellen-Versuchsstand für den Betrieb mit Biogas

Abb. 6: Senkung der Stromgestehungskosten aus Biogas bei einer 10%igen Verbesserung der Anlagenparameter Lebensdauer, spezifische Investitionen, Biomasseertrag und Kosten, Methanertrag, Verstromungswirkungsgrad oder Anlagenauslastung (in EUR-Cent pro kWh).


Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
1/2009,
Heft 39 - Seite 4-7
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
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Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2009