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ERNÄHRUNG/101: Tierhaltung - Keime aus dem Stall (Securvital)


Securvital 6/2011 - November/Dezember
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Tierhaltung
Keime aus dem Stall

Von Norbert Schnorbach


Der Missbrauch von Antibiotika in der Massentierhaltung bedroht die Gesundheit der Menschen. Ökologische Tierhaltung ist die bessere Alternative.


Die Nachrichten sind bedrohlich: Beim Mästen von Tieren werden immer größere Mengen Antibiotika und andere Medikamente eingesetzt. Vor fünf Jahren waren es 800.000 Kilogramm Antibiotika, im vergangenen Jahr schon rund eine Million Kilogramm, teilte die Bundesregierung kürzlich mit. Masthähnchen erhalten in ihrem kurzen Leben (im Alter von fünf Wochen werden sie in der Regel geschlachtet) mindestens zwei Mal Antibiotika. Schweine bekommen in den Mästereien sogar sechs Mal im Jahr Antibiotika, Kühe und Mastkälber durchschnittlich zwei bis drei Mal. Das bestätigt die Bundesregierung im September in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen.

Je mehr Antibiotika in den Großbetrieben zur Fleischproduktion eingesetzt werden, desto größer die Gefahr, dass sich resistente Bakterien entwickeln. Sie sind immer häufiger in Lebensmitteln zu finden und gefährden die Gesundheit der Menschen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) fand bei der Prüfung von Hühnerfleisch auf jeder dritten Probe die besonders gefährlichen MRSA-Keime (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus). Beim Putenfleisch fand das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sogar 43 Prozent kontaminierte Produkte.

An MRSA-Erregern sterben nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene jedes Jahr etwa 7.000 Menschen. Die resistenten Keime verbreiten sich in den Krankenhäusern. Ärzte können diese Infektionen kaum noch behandeln, weil die Medikamente nicht mehr gegen die MRSA-Bakterienstämme wirken. »Neben der zu sorglosen Verschreibung von Antibiotika in der Humanmedizin ist auch der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung verantwortlich für die Entstehung solcher Resistenzen«, heißt es in der Bundestagsanfrage.

Wissenschaftler, Mediziner und Verbraucherschützer sind alarmiert. Das RKI empfiehlt, Geflügelfleisch vor dem Verzehr immer gründlich zu kochen oder zu braten. Das Institut hält die Keime für so gefährlich, dass es außerdem dazu rät, beim Kontakt mit rohem Fleisch und bei der Zubereitung in der Küche immer Gummihandschuhe zu tragen.


Unwirksames Verbot

»Die Regierung muss sich vorwerfen lassen, dass sie nichts gegen den hohen Verbrauch dieser Medikamente unternimmt, obwohl die Risiken bekannt sind«, kritisiert Reinhild Benning von der Umweltschutzorganisation BUND. Zwar gilt seit 2006 in der EU ein Verbot, Antibiotika als Leistungsförderer in der Mast von Tieren einzusetzen. Aber die steigenden Verbrauchszahlen belegen, »dass das Verbot völlig unwirksam ist«, sagt Benning. Die Antibiotika werden halt offiziell nicht mehr eingesetzt, um das Mästen zu steigern, sondern um kranke Tiere zu behandeln. Ein Weg findet sich immer. Wenn zum Beispiel ein einziges Tier krank ist, bekommen alle Tiere des Bestands die Antibiotika. Der Missbrauch sei in der Branche weit verbreitet, bestätigt Rupert Ebner, früherer Vizepräsident der bayerischen Landestierärztekammer.

»Die Bundesregierung unternimmt nichts gegen den hohen Verbrauch dieser Medikamente.«
Reinhild Benning, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Die Ursache des Problems liegt in der Massentierhaltung. Die Aufzucht von Nutztieren in Großbetrieben ist nach Angaben von Tierärzten nur mit großen Mengen Medikamenten machbar. Außer Antibiotika wird auch viel Aspirin ins Futter gemischt. Die Begründung dafür ist brutal: Unter Betäubung können die Tiere Schmerzen leichter aushalten. Hühner zum Beispiel legen in den Großmästereien in kürzester Zeit so viel Gewicht zu, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Dies führt zu Knochenbrüchen und anderen Verletzungen.

Das Verhalten der Verbraucher ändert sich langsam. Weniger Fleisch zu essen und auf Bio-Qualität aus artgerechter Tierhaltung umzusteigen ist ein Schritt auf dem richtigen Weg. Öffentliche Proteste gegen die Massentierhaltung und Großmästereien nehmen zu. Sie werden noch stärker werden, wenn die jüngsten Forschungsergebnisse der Universität Utrecht bekannt werden. Die niederländischen Forscher um Prof. Dick Heederick entdeckten die MRSA-Erreger im Umkreis von 1.000 Metern um Mastbetriebe. Offenbar werden die gefährlichen Keime nicht nur durch direkten Kontakt mit dem Fleisch, sondern auch durch die Luft übertragen und in alle Winde zerstreut.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Auf Bio-Bauernhöfen sind Antibiotika verpönt, aber in der Massentierhaltung werden 1.000 Tonnen im Jahr verbraucht.


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Quelle:
Securvital 6/2011 - November/Dezember, Seite 24 - 25
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
alternativer Versicherungskonzepte
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veröffentlicht im Schattenblick zum x. Februar 2012