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FORSCHUNG/280: Endophytische Bakterien fördern das Wachstum von Bäumen (FR)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 2/2009
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Kleine Bakterien - große Wirkung?
Endophytische Bakterien fördern das Wachstum von Bäumen

Von Kristina Ulrich, Dietrich Ewald (Waldsieversdorf), Christian Scherling (Braunschweig), Wolfram Weckwerth (Wien)


Dass Bakterien nicht nur im Körper von Mensch und Tier, sondern auch in Pflanzen vorkommen, gehört nicht unbedingt zur Allgemeinbildung. In welch vielfältigen Wechselwirkungen die Mikroorganismen mit ihren Wirtspflanzen stehen, hat jedoch auch Experten überrascht. Bakterien lösen nicht nur Pflanzenkrankheiten aus, sondern können sich auch positiv auf das Wachstum, zum Beispiel von Bäumen, auswirken.


Endophytische, das heißt in Pflanzen lebende Bakterien wurden in nahezu allen Pflanzenarten, darunter auch in einer Vielzahl von Bäumen nachgewiesen. Noch vor einigen Jahren wurde das Vorhandensein von Bakterien in Gehölzen fast ausschließlich im Zusammenhang mit pathogenen Keimen und ihren negativen Wirkungen wie zum Beispiel Pappelkrebs, Schleimfluss bei Kastanie und anderen Pflanzenkrankheiten gesehen. Doch in jüngster Zeit stellte sich heraus, dass endophytische Bakterien an verschiedenen physiologischen Prozessen beteiligt sind, ihren Wirtspflanzen bestimmte Eigenschaften verleihen können und wahrscheinlich sogar lebenswichtig für die Pflanze sind. Besonders bei langlebigen Pflanzen wie Bäumen geht man davon aus, dass die Pflanze über einen längeren Zeitraum ein Endophyten-Spektrum aufbaut, das Überlebens- oder Wachstumsvorteile bringt und die Widerstandsfähigkeit der Wirtspflanzen bei ungünstigen Umweltbedingungen, wie Trockenstress, Nährstoffmangel oder Schädlingsbefall, erhöhen kann.

Mit der Verbesserung der Nachweisverfahren endophytischer Bakterien und ihrer genetisch exakten Klassifizierung eröffnet sich ein weites Feld, ihre komplexe Wirkung im natürlichen System besser zu verstehen und sie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Wirtspflanzen einsetzen zu können. Ein Forschungsprojekt des Johann Heinrich von Thünen-Instituts in Waldsieversdorf, der TU Braunschweig und der Universität Wien hat hier neue Perspektiven eröffnet.


Unterschiedlichste Wirkmechanismen

Endophytische Bakterien werden entweder schon über die Samen übertragen oder gelangen später über die Keimwurzeln, Wurzeln, Stomata oder Verletzungen in die Pflanze und können sich dort über das Gefäßsystem ausbreiten, ohne ihrem Wirt sichtbare Schäden zuzufügen.

Positive Effekte endophytischer Bakterien auf die Wirtspflanze gehen auf unterschiedlichste Mechanismen zurück, zum Beispiel durch die Produktion von Antibiotika, die Induktion von Resistenzen, die Bildung von Siderophoren, die der Pflanze die Aufnahme von Eisen oder Phosphor erleichtern, oder die Synthese bestimmter wachstumsstimulierender Enzyme und Substanzen. Direkte Wachstumsförderung, also eine Steigerung der Biomasseproduktion, beruht meist auf der Bildung von Phytohormonen bzw. deren Vorstufen. Eine signifikante Steigerung des Pflanzenwachstums durch die Bildung von Hormonen wurde für verschiedene Bakterienstämme der Gattungen Stenotrophomonas, Pseudomonas, Methylobacterium, Burkholderia und Bacillus nachgewiesen. In letzter Zeit wurden außerdem Hinweise auf die wachstumsfördernde Wirkung endophytischer Bakterien in Pappeln gefunden, die in der Lage sind, elementaren molekularen Stickstoff aus der Luft zu reduzieren und damit in eine biologisch verfügbare Form umzuwandeln (sog. diazotrophe Bakterien).


Vielfältige Bakteriengemeinschaften

Um Endophyten zu isolieren, homogenisiert man oberflächen-sterilisiertes Pflanzenmaterial wie Äste oder Blätter, verdünnt die Proben und spatelt sie auf Bakterienmedium aus. Nach ungefähr einer Woche kann man die Bakterienkolonien selektieren und durch molekulargenetische Methoden (Analyse der 16S rDNA) identifizieren. Jedoch ist nur ein relativ geringer Prozentsatz der endophytischen Bakterien kultivierbar. Viele Bakterienarten lassen sich allem Anschein nach mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden nicht kultivieren.

In verschiedenen Freilandklonen von Pappeln wurden die Endophyten-Gemeinschaften über die Analyse der kultivierbaren Bakterien untersucht. Zusätzlich wurden Klonbibliotheken der ribosomalen RNA-Gene der endophytischen Bakterienflora angelegt, um auch die nicht kultivierbaren Bakterien der Pappelklone zu erfassen. Insgesamt zeigte sich mit mehr als 50 Gattungen verschiedener Klasseneine hohe Vielfalt der endophytischen Bakterien. Auch hatten die einzelnen Genotypen der Wirtspflanzen ein charakteristisches Endophyten-Spektrum. In Abbildung 1 ist die unterschiedliche Zusammensetzung der bakteriellen Endophyten-Gemeinschaften verschiedener Pappelklone dargestellt, die sich sowohl auf Ebene der Bakterienklassen als auch auf Gattungsebene zeigt.


Untersuchung der Wirkung endophytischer Bakterien

Es ist schwierig, die Wirkung bestimmter endophytischer Bakterien auf die Wirtspflanzen genau festzulegen, weil wahrscheinlich alle Pflanzen - auch die im Labor kultivierten - natürlicherweise von verschiedenen endophytischen Bakterien besiedelt werden.

Durch die Regeneration von Sprossen aus verschiedenen Meristemgeweben (Bildungsgewebe aus undifferenzierten Zellen) konnten im Labor Pappeln erzeugt werden, die über lange Zeit frei von kultivierbaren Bakterien waren. Mit diesen Pflanzen war es möglich, die Wirkung unterschiedlicher endophytischer Bakterien gezielt zu untersuchen. So konnte gezeigt werden, dass die Inokulation (Beimpfung) mit einem aus einer Freiland-Pappel isolierten endophytischen Stenotrophomonas-Stamm zur deutlichen Steigerung des Wurzel- und Sprosswachstums führt (Abb. 2). Ein bestimmter Paenibacillus-Stamm stimulierte ebenfalls signifikant die Wurzelbildung.


Bakterien verändern den Stoffwechsel der Pflanze

Erste Untersuchungen zum Einfluss endophytischer Bakterien auf den Stoffwechsel der Wirtspflanze wurden mittels "targeted Metabolic Profiling" durchgeführt. Bei dieser Methode werden ausgewählte Metabolite (Stoffwechselprodukte) der Pflanze quantitativ bestimmt, um zielgerichtet Substanzen benennen zu können, die durch den Einfluss der endophytischen Bakterien verändert werden. Für den Nachweis der Metabolite wird eine gaschromatische Trennung mit der Flugzeitmassenspektrometrie (GC/TOF-MS) gekoppelt. Um den Einfluss anderer Endophyten weitgehend auszuschließen, wurden auch hier Pappelpflanzen aus der Laborzucht verwendet, die frei von kultivierbaren endophytischen Bakterien waren. Nach Inokulation mit einem Paenibacillus-Stamm, der in Vorversuchen die Wurzelbildung stimuliert hatte (siehe oben) wurden diese Pflanzen und die entsprechende unbeimpfte Kontrolle untersucht.

Durch die Target-Analyse konnten 70 Metabolite des Primärstoffwechsels identifiziert und mengenmäßig dargestellt werden. Im Ergebnis dieser komplexen Untersuchung zeigten sich gravierende Veränderungen im Grundstoffwechsel der mit diesem Bakterienstamm behandelten Pflanzen im Vergleich zu den unbehandelten. Als Antwort auf die Anwesenheit der Bakterien bildeten die Wirtspflanzen in ihren Zellen rund achtmal mehr Asparagin (Aminosäure) und sechsmal mehr Harnstoff; hingegen nahm der Gehalt an organischen Säuren des Tricarbonsäure-Cyclus deutlich ab. Durch die Anreicherung von Asparagin werden der Aminosäure-Umsatz und die Synthese von Proteinen in der Pflanze angekurbelt. Asparagin wird zum Beispiel auch verstärkt durch stickstoffbindende Knöllchenbakterien im Klee produziert. Alles deutet darauf hin, dass der Paenibacillus-Stamm - ähnlich wie andere Vertreter dieser Art - die Fähigkeit zur Stickstoffbindung besitzt und dadurch das Stickstoff-Assimilationsmuster der Pflanze verändert. Die Bakterien induzieren also ein Stoffwechselmuster, das demjenigen der Leguminosen (Hülsenfrüchtler) ähnelt: Vertreter dieser Pflanzenfamilie gehen eine Symbiose mit so genannten Knöllchenbakterien (Rhizobien) ein. Diese Bakterien können Stickstoff aus der Luft zu Ammonium reduzieren, welches sie ihren Wirtspflanzen zur Verfügung stellen und im Austausch dafür Kohlenhydrate beziehen.

Während die biologische Stickstofffixierung durch die Rhizobien umfassend erforscht ist und landwirtschaftlich vielseitig genutzt wird, stehen die Untersuchungen der Wechselwirkungen zwischen diazotrophen Bakterien - also Bakterien, die elementaren, molekularen Stickstoff fixieren können - und Nicht-Leguminosen noch eher am Anfang. Die Aufklärung der Funktion und vor allem die Anwendung von Stickstoff fixierenden Bakterien, die symbiontische Beziehungen zu wirtschaftlich bedeutsamen Pflanzen eingehen, könnten von großem Nutzen sein - zum Beispiel, wenn sich dadurch Stickstoffdünger einsparen ließe.


Anwendung und Aussichten

Die vielfältigen Eigenschaften endophytischer Bakterien lassen ein breites Anwendungsspektrum zu. In der forstlichen Forschung geht es vor allem um die Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Qualität und Widerstandsfähigkeit von Gehölzen, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Klimaveränderung. Eine interessante Anwendungsmöglichkeit ist der Einsatz von wachstumsstimulierenden endophytischen Bakterien zur Steigerung der Biomasseproduktion von Pappel- oder Weidenklonen in Kurzumtriebsplantagen. Nach vielversprechenden Vorversuchen in den USA fördert das United Department of Energy Projekte zur Steigerung der Biomasseproduktion bei Pappeln durch Inokulation mit endophytischen Bakterien. Erste Auswertungen ergaben Biomassesteigerungen von bis zu 50 % und zeigen die Bedeutung dieser Strategie für die Produktion nachwachsender Rohstoffe.

Endophytische Bakterien können auch zur Phytosanierung schadstoffbelasteter Flächen verwendet werden. Prinzipiell ist es möglich, Pappeln oder Weiden mit bestimmten Endophyten zu beimpfen (Abb. 3), die die Fähigkeit zum Abbau organischer Schadstoffe oder zur Bindung von Schwermetallen besitzen. Damit lässt sich die Effektivität des Abbaus der entsprechenden Substanzen erhöhen. Schnellwachsende Bäume mit Stickstoff fixierenden endophytischen Bakterien könnten als Pionierarten zur forstlichen Rekultivierung von extrem nährstoffarmen oder belasteten Standorten, wie zum Beispiel Bergbaufolgelandschaften, verwendet werden.

Im Rahmen verschiedener Projekte muss jetzt getestet werden, in wie weit diese noch eher theoretischen Vorstellungen bzw. bisher nur im Labor oder im Gewächshaus überprüften Möglichkeiten in die Praxis überführbar und nutzbar sind.


vTI
Dr. Kristina Ulrich, Dr. Dietrich Ewald,
Johann Heinrich von Thünen-Institut,
Institut für Forstgenetik,
Eberswalder Chaussee 3a, 15377 Waldsieversdorf.
E-Mail: kristina.ulrich@vti.bund.de
Dr. Christian Scherling, TU Braunschweig,
Bioinformatik & Biochemie,
Spielmannstr. 7, 38106 Braunschweig.
Prof. Wolfram Weckwerth,
Universität Wien, Molekulare Systembiologie,
Althanstr. 14, 1090 Wien.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Zusammensetzung der kultivierbaren endophytischen Bakteriengemeinschaften verschiedener Freiland-Pappelklone. Der linke Teil der Säulen zeigt jeweils die relativen Anteile der Bakterienklassen, der rechte Teil stellt die Diversität auf Gattungsebene dar.

Abb. 2: Im Labor-Test steigert ein endophytischer Bakterienstamm der Gattung Stenotrophomonas das Spross- und Wurzelwachstum von Pappelpflanzen signifikant (links: unbeimpfte Variante, rechts: beimpfte Variante)

Abb. 3: Zur Untersuchung der stimulierenden Wirkung endophytischer Bakterien werden Pappelstecklinge mit bestimmten Bakterienstämmen beimpft und dann hinsichtlich ihrer Wachstumseigenschaften charakterisiert


Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
2/2009, Seite 40 - 42
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsinstitute
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2010