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GENTECHNIK/796: 15 Hektar zuviel - Widerstand gegen Gentech-Anbau (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Gentechnik
15 Hektar zuviel

Von Heike Moldenhauer


Trotz mächtiger Lobbyarbeit haben die Gentechnikkonzerne auf Europas Äckern noch kaum Fuß fassen können. Und Deutschland ist bislang fast gänzlich gentechnikfrei. Doch das könnte sich schon 2011 ändern. Unser Widerstand geht darum weiter.

Zur Ernte der Amflora-Kartoffel am 31. August in Zepkow legte auch Bundeswirtschaftsminister Brüderle mit Hand an. Direkt am Feld versammelten sich Kritiker - unter ihnen der BUND - zu buntem Protest.

Zwei gentechnisch veränderte Pflanzen sind in der EU derzeit zum Anbau zugelassen: Seit 1998 der Mais MON 810 von Monsanto, seit März 2010 die Kartoffel Amflora der BASF. Spanien baut als einziges EU-Land nennenswert Gentech-Pflanzen an - 2010 auf 75.000 bis 80.000 Hektar MON 810. Amflora wurde in Tschechien auf 150 Hektar, in Schweden auf 80 und in Deutschland auf 15 Hektar angebaut. Der Anbau des Genmaises ist bei uns seit 2009 verboten.


Amflora auf dem Acker

Die BASF jubilierte, die Umweltorganisationen reagierten unisono empört: Im März genehmigte der zuständige EU-Gesundheitskommissar Dalli (Malta) den kommerziellen Anbau der Gentech-Kartoffel Amflora. Und brach ein Tabu. Seit 1998 hatte keine EU-Kommission mehr gewagt, grünes Licht für den Anbau neuer Gentech-Gewächse auf den Äckern der EU zu geben. Doch nicht nur das: Obwohl Amflora nur für die industrielle Nutzung und als Futtermittel zugelassen ist, darf sie auch Lebensmittel verunreinigen - ohne jede Zulassung, ohne jede Kennzeichnung und bis 0,9 Prozent. Damit hat die EU-Kommission einen Präzedenzfall geschaffen. Bisher galt besagter Schwellenwert für die Kennzeichnung nur für zugelassene gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Der Sinn der Übung: Die Kommission rechnet offenbar mit Verunreinigungen der Lebensmittelkette - und hat die BASF vorsorglich gegen Haftungsansprüche abgesichert.

Amflora wuchs hierzulande auf 15 Hektar, in Zepkow (Landkreis Müritz) im Süden Mecklenburgs, auf dem Acker eines einzigen Bauern. Inzwischen ist die ganze Ernte beschlagnahmt. Der Grund: BASF hat den Anbau der Amflora nicht im Griff. Ende August wurde bekannt, dass auf dem Acker in Schweden, wo Pflanzgut für die nächste Saison vermehrt werden sollte, außer Amflora noch Amadea wuchs - die Nachfolgerin von Amflora, bisher im Versuchsstadium und damit illegal. Da die Zepkower Amflora-Knollen in Schweden vermehrt wurden und eine Verunreinigung nicht auszuschließen ist, ließ der Landesagrarminister sämtliche Knollen sicherstellen. Nun sollen die Kartoffeln getestet und - falls die Amadea darunter ist - vernichtet werden.


Anbauverbot für MON 810

Der Gentech-Mais MON 810 darf bei uns seit 2009 nicht mehr angebaut werden. Allerdings haben sich das Bundesagrarministerium und Monsanto darauf verständigt, das vom US-Konzern angestrengte Verfahren auf Wiederzulassung ruhen zu lassen. Das nützt vor allem Monsanto. Denn nachdem Gerichte in zwei Instanzen die Rechtmäßigkeit des Verbots bestätigt hatten, war unwahrscheinlich, dass die dritte und letzte Instanz anders entscheidet. So wartet Monsanto ab, dass die EU-Kommission seinen Mais für ein weiteres Jahrzehnt zulässt. (GVO müssen alle zehn Jahre neu zugelassen werden; die Entscheidung darüber zögert die EU seit 2008 hinaus.) Damit wären alle sechs nationalen Anbauverbote hinfällig, auch das deutsche. Ob Ministerin Aigner den Genmais ein zweites Mal verbietet, ist ungewiss.


Sollen die Mitgliedsstaaten entscheiden?

Gerade zwei Gentech-Pflanzen dürfen also EU-weit kommerziell angebaut werden, zwölf Jahre lagen zwischen der ersten und zweiten Zulassung. Zudem haben sechs Länder den MON 810 auf ihrem Territorium verboten, darunter große Agrarländer wie Frankreich und Deutschland. Den Anbau der Amflora untersagten Österreich, Ungarn und Luxemburg. Eine extrem magere Ausbeute, findet die EU-Kommission. Was also tun? Wie neuen Gentech-Pflanzen den Weg bereiten, ohne Prügel für den eigenen gentechnikfreundlichen Kurs zu beziehen?

Die Zauberformel der Kommission lautet: Lassen wir die Mitgliedsstaaten selbst über den Anbau entscheiden. Das soll so gehen: Die Kommission erteilt Anbauzulassungen, die Mitgliedsstaaten können Verbote verhängen. Noch ist völlig unklar, ob ein schlichtes »Nein, nicht bei uns« ausreicht. Doch nicht nur die Frage, welche Gründe ein Anbauverbot rechtfertigen, ist offen, sondern auch, ob die Mitgliedsstaaten dem Vorschlag der Kommission überhaupt folgen.


Farbe bekennen

Deutschland jedenfalls ist Wortführer der Länder, die keine nationalen Kompetenzen wollen. Ihr Hauptargument: Es gelte einen einheitlichen EU-Binnenmarkt zu bewahren und mögliche Turbulenzen mit der Welthandelsorganisation WTO zu vermeiden, die den freien Handel bedroht sehen könnte. In Wahrheit aber will Deutschland wohl keine Verantwortung übernehmen. Denn sobald die Staaten selbst über den Anbau von Gentech-Pflanzen entscheiden können, müssen ihre Regierungen Farbe bekennen. Dann ist nicht mehr der böse Kommissar in Brüssel schuld daran, dass bei uns riskante Mais- oder Kartoffelsorten angebaut werden dürfen. Sondern die böse Kanzlerin und die böse Agrarministerin.

Heike Moldenhauer ... ist die Expertin des BUND-Bundesverbandes für Gentechnik in der Landwirtschaft. Kontakt: heike.moldenhauer@bund.net

Argumente

Der BUND ist gegen den Einsatz der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Warum? Unsere Argumente finden Sie unter www.gentechnikfreie-regionen.de/aktiv-werden/material; den Infoflyer »Keine Gentechnik auf dem Acker und dem Teller!« gibt es auch gedruckt: im BUNDladen, Tel. (0 30) 2 75 86-4 80, bundladen@bund.net


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2010, S. 20-21
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2011