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AGRARINDUSTRIE/017: Dioxin in Futterfett - Verlauf und Sachstand (NMELV)


Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - 7. Januar 2011

Dioxin in Futterfett der Fa. Harles und Jentzsch GmbH, Uetersen, Schleswig-Holstein

Verlauf und Sachstand


Hannover. Am 21. Dezember erhielt das LAVES eine Selbstanzeige der FA. Wulfa-Mast, Dinklage, über Dioxinhöchstwertüberschreitungen in zwei Partien Legehennenfuttermittel (1,1 ng/kg und 1,56 ng/kg - Höchstgrenze = 0,75 ng/kg).

Die Fa. Wulfa-Mast wurde daraufhin am 22.12. vom LAVES überprüft. Aufgrund des Prüfergebnisses wurde der Fa. untersagt, Futtermittel herzustellen. Ein Rückruf des belasteten Futters wurde angeordnet. Am 23.12.2010 wurde das Ministerium über den Vorgang in Kenntnis gesetzt. Mittags informierte das Ministerium daraufhin die für die von der Fa. Wulfa-Mast belieferten Betriebe zuständigen Landkreisbehörden und ordnete Beprobung von Eiern an. Betroffen waren 22 landwirtschaftliche Betriebe. Alle wurden durch die Kreisbehörden darauf hingewiesen, dass sie ihre Ware bis zur Freitestung nicht mehr handeln dürfen. Die Behörden überwachen die Einhaltung dieser Anforderung.

NRW wurde ebenfalls am 23.12.2010 durch das LAVES informiert, weil das belastete Futter der Fa. Wulfa-Mast auch dorthin geliefert worden war. Die Rückverfolgung der von der FA. Wulfa-Mast verwendeten Futtermittelkomponenten führte zur Fa. Harles und Jentzsch, Uetersen. Daraufhin setzte auch eine intensive Zusammenarbeit mit dem Land Schleswig-Holstein ein. Aufgrund der Überprüfung der Fa. Harles und Jentzsch gab Schleswig-Holstein am 27.12. einen Entwurf einer Schnellwarnung bekannt. Bei der Überprüfung war die zuständige Überwachungsbehörde Schleswig-Holsteins darauf gestoßen, dass die kontaminierte Lieferung an die Fa. Wulfa-Mast nicht durch die Fa. Harles und Jentzsch aus Uetersen erfolgte, sondern durch die Fa. Lübbe, Bösel, die die Futtermittelkomponente durch Mischung verschiedener Fette hergestellt hatte. Die Fa. Lübbe gehört zur Fa. Harles und Jentzsch und ist in Niedersachsen nur als Spediteur registriert. Bei der FA. Lübbe wurden, wie in diesem Zusammenhang bekannt wurde, Fette unterschiedlicher Zusammensetzung (technische Fette, pflanzliche Fett, tierische Fette) in Tanks gelagert und nach Bedarf gemischt.

Aus dem Schnellwarnungsentwurf des Landes SH ging hervor, dass das kontaminierte Fett durch die Fa. Lübbe an 7 Mischfutterhersteller in Niedersachsen sowie an je einen Hersteller in Sachsen-Anhalt und Hamburg geliefert worden war. Dabei ging es um eine am 11.11.2010 hergestellte Fettmischung. Nach Angaben der Fa. Lübbe wurde angeblich durch menschliches Versehen aus einem Tank ein technisches Fett in eine Partie Futtermittelfett eingemischt. Eine Probe dieses technischen Fettes war mit 123 ng Dioxin pro Kilogramm Fett belastet.

Die Fa. Lübbe wurde vom LAVES überprüft und für die Futtermittelherstellung gesperrt. Weiterhin wurde am 28.12.2010 durch ML die Staatsanwaltschaft unterrichtet.

Die 7 von der Fa. Lübbe belieferten niedersächsischen Mischfuttermittelhersteller wurden umgehend vom LAVES überprüft. Es wurden die Futtermittelrezepturen, für die die gelieferte Fettkomponente verwendet wurden, ermittelt. Rechnerisch wurde unter worst-case Annahme (123 ng Dioxin pro kg Fett) der Dioxingehalt der Futtermittelgemische errechnet. Demnach mischte nur die Fa. Wulfa-Mast soviel Fett in ihre Futtermittel, dass eine Überschreitung des Dioxinhöchstgehaltes in den Futtermitteln nicht ausgeschlossen werden konnte. Die sechs weiteren Mischfuttermittelhersteller verwendeten in ihren Rezepturen geringere Anteile an Fett, die nicht zu einer Überschreitung des Dioxinhöchstgehaltes führen konnten.

Bis dato musste von einer einmaligen versehentlichen Einmischung der technischen Fette ausgegangen werden. Insofern wurden die Maßnahmen auch auf die Risikoeinschätzung des BfR vom 05.05.2010 gestützt, wonach bei kurzfristigem Verzehr von belasteten Eiern keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, aber unnötige und vermeidbare zusätzliche Belastungen nicht hinnehmbar sind.

Diese Risikoeinschätzung wurde von Nordrhein-Westfalen auf Fachebene geteilt. Dennoch bat NRW Niedersachsen am 30.12. vormittags um die Vertriebslisten aller von der Fa. Lübbe belieferten Mischfuttermittelhersteller. Die Vertriebslisten wurden am 30.12. nachmittags an NRW übersandt. Zu keinem Zeitpunkt hat Niedersachsen die Übersendung dieser Vertriebslisten abgelehnt.

Hinsichtlich der Herkunft der technischen Fette wurde zunächst die Firma Olivet aus Rotterdam identifiziert. Nach neueren Erkenntnissen erfolgten die Lieferungen aber nur im Auftrag der Rotterdamer Firma. Sie wurde von der Fa. PetroTec, einem Biodieselhersteller und Fetthändler aus Emden, durchgeführt. Eine Überprüfung der Fa. PetroTec ergab, dass die technischen Fette unter korrekter Kennzeichnung an die Fa. Lübbe geliefert wurden.

Am 03.01.2011 teilte SH ergänzend zur Schnellwarnung mit, dass nicht nur für Lieferungen von Futterfetten im November eine Kontamination angenommen werden muss, sondern für alle Futterfettlieferungen zwischen dem 11. November und dem 13. Dezember und dass damit weitere Mischfuttermittelhersteller betroffen sein könnten. Aufgrund dieser Erkenntnislage war nicht auszuschließen, dass es sich um eine zeitlich kontinuierliche Belastung von Futtermitteln mit Dioxinen über einen längeren Zeitraum handelte. In Niedersachsen waren nun 20 Futtermittelunternehmen betroffen.

Aufgrund dieser neuen Sachlage war die bisherige zugrunde gelegte Risikobewertung zu überarbeiten. Auch die Betriebe, für die rechnerisch eine Höchstgehaltsunterschreitung im Mischfuttermittel angenommen werden konnte, mussten nun überprüft werden. Entsprechende Vertriebslisten wurden erstellt und den Landkreisen zur Verfügung gestellt. Aus einem ursprünglich überschaubaren Geschehen mit 22 Legehennenbetrieben entwickelte sich auf diese Weise eine Situation mit zunächst geschätzten 1000 betroffenen Erzeugerbetrieben mit vermutlich höherem Risikopotential, dass eine Belastung der Lebensmittel vorliegen könnte.

Dazu kommen aktuell weitere ca. 3500 Empfängerbetriebe, darunter Masthähnchen- und am häufigsten Schweinemastbetriebe. Alle Betriebe dürfen vorsorglich zurzeit keine Lebensmittel abgeben. Dies darf erst nach Vorlage eines Untersuchungsergebnisses oder eines Nachweises, dass die auf dem Betrieb verwendeten Futtermittel nicht belastet waren erfolgen.

Hinsichtlich der betroffenen Mischfuttermengen ergibt sich folgendes Bild:

In der Zeit vom 11.11. bis zum 13.12.2010 erfolgten 7 Lieferungen technischer Fette (Menge unbekannt) der PetroTec, Emden, an die Fa. Lübben, Bösel. Daraus wurden 2.482 t Futtermischfette hergestellt. Diese Futterfettmischungen wurden an 20 niedersächsische Futtermittelunternehmer geliefert, die die Fette in Mengen von 2 bis 10 % mit anderen Futtermitteln zu ihren spezifischen Produkten zusammenmischten.

Für Niedersachsen ergäbe das schätzungsweise eine Futtermittelmenge von 25.000 bis 125.000 t, die in den Trögen gelandet sind.

Lebensmittel: Am 03.01.2011 gab ML dazu einen Erlass an die Landkreise heraus. Alle betroffenen Betriebe müssen nun anhand von Eigenkontrollergebnissen dokumentieren, dass die von ihnen in Verkehr gebrachten LM sicher sind. Im Rahmen der Eigenkontrolle sind Lebensmittel (Eier/Schlachtkörper Geflügel/Schwein) zu beproben. Erst bei Vorliegen eines entlastenden chargenbezogenen Untersuchungsergebnisses dürfen Eier und Fleisch in den Verkehr gebracht werden.

Zu Beginn des Geschehens waren 22 Legehennenbetriebe betroffen. Nach Eingang der zweiten Schnellwarnmeldung aus Schleswig-Holstein betrug eine erste Schätzung ca. 1000 Betriebe mit höherem Risikopotential für Lebensmittel; nach derzeitigem Ermittlungsstand ist von ca. 4500 landwirtschaftlichen Betrieben auszugehen. Die jetzige hohe Zahl erklärt sich durch den vorsorglichen Ansatz, alle mit möglicherweise belasteten Futtermitteln belieferten Betriebe aufzunehmen.

Ca.
Legehennen 250
Masthähnchen 94
Mastpute 163
Schwein 3285
Milchrind 462
Mastrind 214

Seit dem 04. Januar wurde bekannt, dass in Niedersachsen auch Milchviehbetriebe betroffen sind. 6 amtliche Milchproben werden derzeit untersucht. Zusätzlich sind Eigenkontrolluntersuchungen eingeleitet worden. Vor dem Vorliegen entlastender Ergebnisse wird die Rohmilch der betreffenden Milcherzeuger nicht verarbeitet.

Im Rahmen der Untersuchung der Eier wurden bisher in 5 Fällen Höchstwertüberschreitungen festgestellt. Die Erzeugercodes der betroffenen Eier werden auf der Portalseite des ML und des LAVES eingestellt, so dass Verbraucher durch Vergleich mit dem Stempel auf den im Haushalt vorhandenen Eiern feststellen kann, ob diese Eier möglicherweise belastet sind.

Die Entlassung der landwirtschaftlichen Betriebe aus den Kontrollmaßnahmen erfolgt anhand von entlastenden Kontrollergebnissen der Lebensmittel oder anhand von Futtermittel-Ergebnissen aus Rückstellproben der Futtermittelunternehmen, die durch das LAVES den belieferten Betrieben sicher zugeordnet werden können.

Zusätzlich wurde mit dem Deutschen Verband Tiernahrung (DVT) die Erstellung konsolidierter Betriebslisten abgestimmt. Diese Listen sollen auf der Basis der vorliegenden Mischfettergebnisse und deren Bezugsetzung zur individuellen Mischfutterherstellung sowie unter Einbeziehung von Eigenkontrollergebnissen erstellt werden. Sie sollen neben den Untersuchungsergebnissen von Lebensmitteln bzw. anstelle dieser zur Bewertung der jeweiligen Betriebssituation beitragen.

Diese Listen werden im Laufe des 7.1. vollständig vorliegen, so dass auf der Grundlage der o.g. beschriebenen betriebsbezogenen Risikoüberprüfung die Betriebe, die Futtermittel mit unauffälligen Gehalten erhalten haben, von der Sperrung ausgenommen werden können.

Durch systematisches Vorgehen wird die Voraussetzung geschaffen, ab dem 10.01.2011 zügig mit der Aufhebung von Handels- und Schlachtverboten zu beginnen.


http://www.ml.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=1810&article_id=93276&_psmand=7


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Quelle:
Pressemitteilung, 07.01.2011
Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011