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AGRARINDUSTRIE/103: Glyphosat, ein anerkanntes Gift (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 374 - Februar 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Glyphosat, ein anerkanntes Gift
Bundesinstitut für Risikobewertung stuft Wirkstoff für Menschen als gesundheitlich unbedenklich ein

von Christine Weißenberg



Angelegt als offensive Öffentlichkeitsarbeit lud das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Rahmen der Grünen Woche zum Symposium "Gesundheitliche Bewertung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel" ein. Fazit der Behörde: Es lassen sich nach arbeitsaufwendiger Auswertung mehrerer hundert Studien nach anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben keine gesundheitlichen Bedenken zur landwirtschaftlichen Anwendung des Wirkstoffes erkennen. Ein kritischer Blick richtete sich allein auf Risiken durch toxikologisch bedenklichere Zusatzstoffe in den gehandelten Pflanzenschutzmitteln. Neu ist, dass eine Bundesbehörde ihre Einschätzung präsentiert, bevor sich daraus eine politische Entscheidung ergeben hat. Das BfR ist eine von drei Behörden die, koordiniert vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), im Auftrag der Bundesregierung einen Bericht zur Bewertung des Wirkstoffes Glyphosat erstellt haben. Deutschland ist Berichterstatter für die auf EU-Ebene im Jahr 2014 anstehende Neubewertung zur Zulassung und hat am 19. Dezember einen 4.500 Seiten umfassenden Bericht bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeliefert.


Rückstände akzeptiert

Auf dem Symposium ist klar geworden, dass die zuständigen Behörden Glyphosat weitestgehend grünes Licht geben. Rückstände in der Nahrungskette und im Menschen werden in Kauf genommen und als geringfügig bzw. unproblematisch eingestuft. Die täglich duldbare Aufnahmemenge (ADI) könnte sogar, nach Einschätzung des BfR, von 0,3 auf 0,5 mg/kg Körpergewicht erhöht werden. Die Biologin Dr. Martha Mertens vermutet: "Wenn dieser gesundheitliche Grenzwert heraufgesetzt wird, dient das auch dazu die Problematik steigender Rückstandsmengen durch verstärkten Einsatz vom Tisch zu wischen. Es wird leichter bei Bedarf die Höchstgehalte in Produkten anzuheben, wie es z.B. für aus den USA importierte Linsen geschehen ist." Diese Möglichkeit erwähnt das BfR sogar selbst in seiner Pressemitteilung. Gleichzeitig betonten Mitarbeiter der Behörden zu Beginn der Veranstaltung, dass Glyphosat nur einer von vielen Wirkstoffen aus dem Bereich der Pflanzenschutzmittel, allerdings durch die hohen Verwendungsmengen zum Politikum geworden sei. 2012 wurden in Deutschland rund 20.000 Tonnen herbizide Wirkstoffe abgesetzt, davon machte Glyphosat mit 5.900 Tonnen knapp 30 % aus. Dr. Hans-Gerd Nolting vom BVL kommentierte: "Wenn ein Mittel zu oft verwendet wird, führt das häufig zu Problemen." Deshalb sei es Aufgabe der Behörden die Auswirkungen im Auge zu behalten, Ursachen für Rückstandseinträge zu analysieren und Reduktionsmöglichkeiten vorzuschlagen.


Einschränkungen

Probleme sieht das BfR jedoch nur im Bezug auf die Verwendung einiger in den Zubereitungen von Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Hilfsstoffen. Besonders die zu den Netzmitteln gehörenden Tallowamine können das gesundheitliche Risiko erhöhen, da sie die Toxizität des Mittels erhöhen. Deshalb wurde eine gesonderte Bewertung in den Gesamtbericht integriert und ein Austausch solcher Stoffe vorgeschlagen, wie er in Deutschland schon seit 2009 auf freiwilliger Basis stattfindet. Allerdings sind die Zubereitungen der Pflanzenschutzmittel Geschäftsgeheimnisse der Hersteller, sodass nicht nachvollziehbar ist, welcher Ersatzstoff eingesetzt wird. Vorschläge zur Reduzierung der Aufwandsmengen beziehen sich auf mögliche Einschränkung der Verwendungsbereiche für Glyphosat: Diskutiert wird, den Wirkstoff nicht mehr für die Anwendung in Haus- und Kleingärten sowie zur bisher antragspflichtigen Behandlung von Nichtkulturland, wie Gleisanlagen und befestigten Flächen, zuzulassen. Angedacht wurde auch die reduzierte Bodenbearbeitung mit Hilfe von Glyphosatanwendungen nur auf erosionsgefährdete Flächen zuzulassen. Da der Haupteintrag von Rückständen durch die zur gleichmäßigen Abreife vorgenommene Vorerntebehandlung (Sikkation) von Getreide erfolgt, wird hier über ein Verbot nachgedacht. Dann dürfte Glyphosat vor der Ernte nur noch als Pflanzenschutzmaßnahme oder im Falle von schwer erntbaren Beständen, z.B. bei lagerndem Getreide, angewendet werden.


Ökologische Probleme

Aspekte der ökologischen Auswirkungen sollten auf der Veranstaltung nicht diskutiert werden, wurden aber immer wieder kurz angesprochen. Ob die Anregungen aufgegriffen werden, eine zweite öffentliche Diskussion zu diesem Bereich zu führen, blieb offen. Als Problemfelder benannten auch Mitarbeiter des BVL und des Umweltbundesamts die zunehmenden Fälle von Resistenzbildung in Unkräutern sowie die Beeinträchtigung der als schützenswert anerkannten Biologischen Vielfalt. Im Schlusswort von BfR-Präsident Professor Andreas Hensel blitzte jedoch auf, welcher Stellenwert ökologischen Belangen zugewiesen wird: "Wir müssen uns der öffentlichen Debatte stellen, die eben nicht nur wissenschaftliche Kriterien anlegt, sondern alle möglichen Aspekte wie z.B. biologische Vielfalt miteinbezieht." Im weiteren Verlauf des EU-Verfahrens liegt für Kritiker genau hier die größte Angriffsfläche des Breitbandherbizids.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 374 - Februar 2014, S. 17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2014