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INITIATIVE/248: Blühpatenschaften keine Alternative zu neuem Naturschutzgesetz (Volksbegehren Artenvielfalt)


Volksbegehren Artenvielfalt - Pressemitteilung, 28. Februar 2019

Blühpatenschaften keine Alternative zu neuem Naturschutzgesetz

Bündnispartner sehen Initiative als Begleitmaßnahme - Regierung ist gefordert, Kernforderungen gesetzlich zu verankern


München, 28.02.2019 - Seit dem überwältigenden Erfolg des "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen!" tauchen bayernweit Angebote von Landwirten zu Blühpatenschaften auf. "Wir freuen uns, dass durch das Volksbegehren etwas in Bewegung geraten ist. Die Landwirte haben die großen Defizite offensichtlich erkannt und möchten gegensteuern", sagt Agnes Becker, die Beauftragte des Volksbegehrens und Stellvertretende Vorsitzende der ÖDP Bayern. "Das ändert jedoch nichts daran, dass wir naturschutzfachlich sinnvolle und nachhaltige Lösungen brauchen, die nur, wie im Volksbegehren von 1,75 Millionen Bürgern gefordert, durch eine entsprechende Änderung des Naturschutzgesetzes möglich sind."

Die Bündnispartner des Volksbegehrens sind sich einig: Auch wenn der Ansatz der Blühpatenkampagne begrüßenswert ist, muss er aus naturschutzfachlicher Sicht hinterfragt werden.

"Die zur Patenschaft angebotenen Blühflächen können lediglich als begleitende und unterstützende Maßnahme gewertet werden. Sie sind kein angemessener Ersatz für Lebensräume und Strukturen, deren massiver Verlust in den letzten Jahrzehnten zum vielfach dokumentierten Artenschwund in unserer Agrarlandschaft geführt hat", erklärt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Insbesondere das Verschwinden von vernetzenden Landschaftselementen wie Weg- und Ackerrainen, die viele Jahrzehnte eigene Lebensräume gebildet haben, kann nicht durch eine auf ein oder zwei Jahre befristete Anlage von Blühstreifen ausgeglichen werden. Das Gleiche gilt für den massiven Rückgang der Ackerwildkräuter. Für sie wären z. B. sogenannte Schwarzbrachen (Äcker, auf denen nichts angesät wird) überlebenswichtig. Auf ihnen könnten sich die Samen noch vorhandener Wildkräuter entwickeln.

Aus naturschutzfachlicher Sicht sind die gängigsten Samenmischungen ungeeignet. Standardmischungen, die nach Herstellerangaben zwar "optisch sehr ansprechend" sind und zu einem "Imagegewinn für die Agrarlandschaft beitragen", enthalten einen beträchtlichen Anteil an Kulturpflanzen und nichtheimischen Pflanzenarten, die der heimischen Artenvielfalt nicht dienlich sind. Sinnvollerweise sollte daher regionales, sogenanntes autochthones Saatgut verwendet werden, das lediglich Pflanzenarten enthält, die für die betreffende Fläche auch geeignet sind. Zusätzlich ist auf mehrjährige Standzeit zu achten und darauf, dass die Blühflächen abschnittsweise gemäht werden. Nur so entstehen Überwinterungsmöglichkeiten für Insekten und bleiben Deckung und Nahrungsangebot für Vögel und Säugetiere im Winterhalbjahr erhalten.

"Es ist schön, dass unsere Landwirte inzwischen Blühpatenschaften anbieten. Diese begrüßenswerten individuellen Maßnahmen reichen aber nicht aus", so Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag. "Wir können gar nicht genug dieser Tummelplätze für Bienen, Schmetterlinge und Co. haben und deshalb werden diese auch über das Kulturlandschaftsprogramm KULAP gefördert." Die Initiative der Landwirte ist daher durchaus auch ein lohnendes Geschäftsmodell. Zusätzlich zur Förderung über das Kulturlandschaftsprogramm KULAP und EU-Direktzahlungen an Landwirte in einer Gesamthöhe von rund 900 Euro pro Hektar, könnten die Landwirten theoretisch zusätzliche fünf- bis sechstausend Euro pro Hektar durch solche Patenschaften erhalten.

"Wir empfehlen Bürgern, die sich für eine Blühpatenschaft interessieren, sich im Vorfeld gut zu informieren und auf wesentliche Kriterien wie Saatgut, Dauer der Patenschaft und ausreichenden Abstand zu Ackerflächen zu achten, die mit Pestiziden behandelt werden", rät Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. Dabei sollte jedoch niemand vergessen, dass es sich bei diesen Blühflächen um Kleinstmaßnahmen handelt. Dem durch Fehlentwicklungen verursachten Artensterben in der Agrarlandschaft ist nur im großen Rahmen und mithilfe entsprechender Gesetzesänderungen und Förderungen beizukommen.

Hintergrund
Über das Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen!

Das Volksbegehren ist ein Mittel der direkten Demokratie. Es ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern die Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Bayerischen Landtag. Dazu müssen sich 10 Prozent der Wahlberechtigten - rund 1 Million Menschen - mit ihrer Unterschrift für das Volksbegehren aussprechen. Diese Hürde wurde von dem Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen! mit großem Erfolg genommen: vom 31. Januar bis zum 13. Februar 2019 haben sich über 1,7 Millionen Wahlberechtigte persönlich in den Rathäusern in Listen eingetragen. Der Bayerische Landtag kann nun den Gesetzentwurf annehmen oder ablehnen und ein eigenes Gesetz vorlegen. In diesem Fall kommt es zum Volksentscheid, bei dem alle stimmberechtigten Bayern über die beiden alternativen Gesetzesvorschläge abstimmen können. Zum Trägerkreis des Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen! gehören die Ökologisch-Demokratische Partei Bayern (ÖDP), der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), das Bündnis 90/Die Grünen Bayern und der BUND Naturschutz in Bayern. Ein breites gesellschaftliches Bündnis von rund 200 Organisationen, Unternehmen, Verbänden und Parteien unterstützt diese direktdemokratische Initiative für ein neues Naturschutzgesetz in Bayern.

Die Kernforderungen des Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen!

Ziel des Volksbegehrens ist es, Regelungen im bayerischen Naturschutzgesetz zu verankern, die die Artenvielfalt retten. Die Kernforderungen: die bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere; die Erhaltung von Hecken, Bäumen und kleinen Gewässern in der Landwirtschaft; der Erhalt und die Schaffung blühender Randstreifen an allen Bächen und Gräben; der massive Ausbau der ökologischen Landwirtschaft; die Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen; die pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatlichen Flächen; die Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirten.

Die Aktionsbündnisse

Bayernweit kämpfen 80 Aktionsbündnisse in den Gemeinden für eine Wende im bayerischen Naturschutz. Alle Interessierten sind aufgefordert mitzumachen. Auf der Website des Volksbegehrens Artenvielfalt www.volksbegehren-artenvielfalt.de findet man die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen.

Das Artensterben

Wissenschaftliche Studien belegen, dass in Bayern immer mehr Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden sind. Besonders betroffen sind die Insekten, die unter anderem für das Überleben der Menschheit als Bestäuber von Nahrungspflanzen existenziell wichtig sind. In Deutschland sind knapp 50 Prozent aller Bienenarten bestandsbedroht oder bereits ausgestorben, über 75 Prozent aller Fluginsekten sind nicht mehr da und die Bestände an Schmetterlingen vielfach sogar noch stärker zurückgegangen, in einigen Regionen Bayerns teilweise um 70-90 Prozent. Unter anderem in Folge des Insektenschwundes leben in Bayern nur noch halb so viele Vögel wie vor 30 Jahren. Diese dramatische Entwicklung will das Volksbegehren Artenvielfalt stoppen.

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Quelle:
Pressemitteilung, 28.02.2019
Volksbegehren Artenvielfalt
c/o LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern)
E-Mail: presse@volksbegehren-artenvielfalt.de
Internet: www.volksbegehren-artenvielfalt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2019

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