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VIELFALT/149: SAVE eNews 2/2018 - Saatguttausch wird UNESCO-Kulturerbe, Wildnis für wen (SAVE)


SAVE e-News 2/2018 - Juli 2018
Safeguard for Agricultural Varieties in Europe

Der vierteljährliche Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation


SAVE - DAGENE Jahreskonferenz 2018
Ecosystems - Products - Conservation

DAS SAVE - DAGENE Jahrestreffen fand vom 24.-27. Juni in Kozard, Ungarn statt. Nach ziemlich genau 10 Jahren trafen sich die SAVE Partner und die DAGENE Mitglieder wieder am gleichen Ort. Es war beeindruckend zu erleben, wie Kozard sich in dieser Zeit entwickelt hat. Die Konzentration auf ökologische Landwirtschaft und Ökotourismus zahlt sich offensichtlich aus. Zusätzlich hat sich Kozard als ein Ort der Skulpturen entwickelt, denn rund 70 Skulpturen sind über das gesamte Gemeindegebiet verteilt, sodass die Besucher immer wieder Neues entdecken.

Unter dem Motto "Ecosystems - Products - Conservation" fand das gemeinsame SAVE - DAGENE Seminar statt, bei dem über Fortschritte in der Zucht- und Erhaltungsarbeit berichtet wurde, aber auch die wichtige Rolle traditioneller Rassen zur Erhaltung der Biodiversität in "High Nature Value" Landschaften beleuchtet wurde. Manche der ländlichen, abgelegenen Regionen in den Karpaten und auf dem Balkan sind geprägt durch sehr harte Klimabedingungen von -40°C im Winter bis zu +40°C im Sommer. Bei solchen Bedingungen können moderne Rassen kaum wirtschaftlich mithalten.


IMAGE Innovative Management of Animal Genetic Resources

Mit traditionellen Robustrassen - über Jahrhunderte an ihre Umwelt angepasst - können hier durchaus Erträge erwirtschaftet werden.

Ethische Fragen in der Forschung müssen beantwortet werden, wenn Lebendmaterial ausgetauscht wird oder bei experimenteller Laborarbeit. Die Erhaltungsarbeit und insbesondere die ex situ Erhaltung in Genbanken unterliegt aber noch weit mehr ethischen Aspekten: Was sind die Kriterien zur Auswahl der Tiere oder Rassen? Welche Methoden zur Gewinnung von Zuchtmaterial sind ethisch vertretbar? Wer entscheidet und wer zahlt? Die in situ Erhaltung und die ex situ Erhaltung sind sich ergänzende Methoden oder gibt es Zielkonflikte? Im Rahmen des Horizon 2020 Projektes IMAGE (Innovative Management of Animal GEnetic resources, www.imageh2020.eu) soll die Meinung der Stakeholder in der Erhaltungsszene eingeholt werden. Daher wurden neben einem Überblick über den Stand des Projektes IMAGE diese ethischen Aspekte am SAVE-DAGENE Treffen vorgestellt. Danach waren die Teilnehmer aufgerufen, einen Fragebogen auszufüllen, in dem ihre Meinung eruiert wurde. Die geschilderten ethischen Aspekte der ex situ Erhaltung werden im Rahmen des Projektes an möglichst vielen Konferenzen und Veranstaltungen zum Thema tiergenetische Ressourcen erläutert. Per Fragebogen werden die Ansichten dazu gesammelt. So soll ein möglichst umfassendes Meinungsbild der Stakeholder in der Erhaltungsarbeit entstehen und gleichzeitig das Bewusstsein für Ethik in der Erhaltung gefördert werden.

"Pitch Talks" - die kurze Vorstellung der Arbeit der Partnerorganisationen - haben sich inzwischen als fester Bestandteil der SAVE Netzwerk Session an den Jahrestreffen etabliert. Projekte und Themen von "Naturschutz und nachhaltige ländliche Entwicklung in Bulgarien" bis zu "Plattform von Pflanzenorganisationen in den Niederlanden" wurden kurz vorgestellt. Die anschließende angeregte Diskussion konzentrierte sich auf Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung von Agrobiodiversität. Um die breite Öffentlichkeit zu erreichen ist es wichtig, nicht die Gefährdung zu betonen, sondern das kulturelle Erbe, die Tradition. Die "Pitch-Talks" stehen auf der SAVE Webseite unter "Konferenzen" bereit. Ein anderes Thema der Diskussion war Fairness und "Best Practice" unter den SAVE Partnern. Bei Aktivitäten wie zum Beispiel dem Branding einer Rasse oder grenzüberschreitenden Vorhaben sollte stets das Gespräch mit den Netzwerkpartnern gesucht werden, damit Missverständnissen und Misstönen möglichst früh begegnet werden kann.

Fazit des Treffen der Kooperationspartner war, dass beim SAVE Meeting 2019 weniger Gewicht auf Präsentationen, wie sie bisher im SAVE Seminar gehalten wurden, gelegt werden soll, sondern "Pitch-Talks" der Teilnehmer zu vorher durch das Netzwerkbüro festgelegten Schwerpunkten gegeben werden und durch eine anschließende Debatte vertieft werden sollen. Auf diese Art und Weise soll der Meinungsaustausch im SAVE Netzwerk gefördert werden. Eine zielorientierte Debatte dient somit dem Austausch von "Best Practice" Erfahrungen. Außerdem wurde angeregt, eine "SAVE Charta" zu entwerfen, um Fairness und Austausch im SAVE Netzwerk zu stärken. Jeder Partner des SAVE Netzwerkes ist aufgerufen, sich Gedanken über die konkrete Ausgestaltung einer solchen SAVE Charta zu machen und diese dem Netzwerkbüro mitzuteilen.

Nach diesen anregenden Sitzungen erhielten die Konferenzteilnehmer in den nächsten zwei Tagen Einblicke in die praktische Erhaltungsarbeit: Bei einer Fahrt im Planwagen in Csakvar bei Pro Vertes im Vértesi-Naturpark erlebte die Gruppe die Weiten der Landschaft, die durch Steppengrauvieh und Gebrauchskreuzungen mit Charolais Rindern offen gehalten wird. Damit die Grasnarbe geschont wird, werden die Tiere in den Wintermonaten eingestallt. Ansonsten bewegen sich die Rinder und Wasserbüffel frei auf dem Gebiet des Naturparks. Auf einer Fläche von ca. 2.000 ha grasen rund 800 Steppengrauviehrinder und rund 200 Wasserbüffel. Die Tiere sind bis zum 10. Dezember auf der Weide. Dann werden die Jungtiere von den Müttern getrennt. Die Bullen werden bereits im November eingestallt. Mitte April kommen die Rinder dann wieder auf die Weide. Die Herdbuchzucht wird von einem Herdbuchzüchterverein durchgeführt. Durch die Beweidung werden auf den Flächen invasive Pflanzen wie die Goldrute verdrängt. In einem ehemaligen Tabakhaus, das 1994 von Pro Vertes renoviert wurde, stellte sich das Wildreservat Böszénfa, das von der Universität Kaposvar unterhalten wird, kulinarisch vor: Es gab herzhafte Wurst, Schmalz und Pastete aus Esel-, Hirsch- und Wildschweinfleisch, bevor das eigentliche Mittagessen aus lokalem Fleisch von Büffel und Grauvieh serviert wurde.

Der zweite Exkursionstag führte zum ungarischen Pflanzen-Biodiversitäts-Zentrum (NÖDIK) in Tapioszele, wo die Genbank und die Außenbereiche mit diversen Versuchs- und Nachbau-Plots besichtigt wurden. In Gödöllö schließlich bekamen die Teilnehmer einen Einblick in die Erhaltungszucht von Geflügel, Fisch und der pannonischen Biene des Karpatenbassins.

Der Arca Deli Award 2018 ging an den Archehof Windeck, Deutschland, für eine ganz besonders innovative gewebte Strickjacke: Der Schussfaden ist aus handgesponnener Wolle des Bentheimer Landschafes, die Kettfäden aus der Wolle des Coburger Fuchsschafes, hergestellt in einer Handweberei. In der Lebensgemeinschaft e.V. Sassen wird die Wolle gewaschen und für das Spinnen vorbereitet. Damit werden mehr als die geforderten Bedingungen für den Arca-Deli Award erfüllt. Wir wünschen für die Vermarktung viel Erfolg!

Das nächste SAVE Jahrestreffen findet ab Sonntag 25. August 2019 in Belgien statt. An diesem Datum wird die jährliche Ausstellung der Stichting Levend Erfgoed (SLE) durchgeführt. Damit interessierte Mitglieder der SLE am SAVE Netzwerktreffen teilnehmen können, sollen im Anschluss an die Ausstellung die verschiedenen SAVE Netzwerk-Sessionen stattfinden. Merken Sie sich schon heute das Datum vor!

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Farmer's Pride

Das SAVE Netzwerk Büro ist mit den Initiatoren des EU Projektes Farmer's Pride in Kontakt und wurde im letzten Jahr über das Projekt informiert und interviewt.

Farmer's Pride (www.farmerspride.eu) ist ein im Rahmen von Horizon 2020 gefördertes Projekt, in dem ein Europäisches Netzwerk für die in situ Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen aufgebaut werden soll. Das Projekt will Stakeholder und Standorte in Europa zusammenbringen und Maßnahmen koordinieren, um die Vielfalt für die Zukunft zu erhalten und zu fördern. Farmer's Pride möchte:

• Beziehungen zwischen den diversen Erhalter-Netzwerken aufbauen und wo nötig neue Partnerschaften bilden um ein Netzwerk von Interessengruppen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Pflanzengenetischen Ressourcen (PGR) zu etablieren;

• das vorhandene Wissen über die europäischen Landrassen und Crop wild Relatives (CWR, wilde Verwandte der Kulturpflanzen) erweitern und aufzuzeigen, wie es wirksam gesichert und gemanagt werden kann;

• die Sozialwissenschaften und wirtschaftliche Werkzeuge nutzen, um die in situ PGR Populationen und ihre besonderen Eigenschaften in Wert zu setzen sowie kosteneffektive Erhaltungsmethoden zu etablieren;

• prädiktive Charakterisierungsmethoden zur Identifizierung wertvoller Eigenschaften von in situ PGR Populationen verwenden;

• einen Mechanismus entwickeln, der die Nutzung von pflanzengenetischem Material von in-situ-Populationen sowohl direkt als auch über Ex-situ-Sammlungen erleichtert;

• eine nachhaltige Steuerungs- und Ressourcenstruktur für das europäische Netzwerk von Stakeholdern und Standorten entwickeln und etablieren;

• das öffentliche Bewusstsein für den Wert von PGR für
Landwirtschaft und Verbraucher fördern;

• ein Netzwerk von europäischen Standorten und Interessengruppen, das die Breite der in situ PGR-Vielfalt bewahrt etablieren.

Durch diese Aktivitäten wird Farmer's Pride die europäischen Kapazitäten zur Erhaltung, Bewirtschaftung und nachhaltigen Nutzung von in situ PGR signifikant stärken und damit eine Grundlage zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Landwirtschaft und Züchtung schaffen und letztlich die langfristige Ernährungssicherheit in Europa wahren.

Daher wird im Rahmen des Projektes eine umfassende Konsultation durchgeführt. Bitte teilen Sie den untenstehenden Link zu dieser Umfrage in Ihrem Netzwerk.

Ziel dieser Konsultation ist es herauszufinden, welche Interessengruppen an der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in situ beteiligt sind oder Interesse daran haben.

Wenn Sie an der in situ Erhaltung der wilden oder kultivierten pflanzengenetischen Ressourcen arbeiten, oder wenn Ihnen der Zugang zur genetischen Vielfalt wichtig ist, nehmen Sie sich bitte 10-15 Minuten Zeit, um den Fragebogen auszufüllen:
https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/FarmersPride2018Stakeholders

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Saatguttausch wird UNESCO-Kulturerbe!
(RARA Magazin 4/2017)

Saatguttausch unter Bauern und Gärtnerinnen ist eine elementare Handlung im Zusammenhang mit unserer Ernährung. Seit Beginn des Ackerbaus vor mehr als 12.000 Jahren wurden Nahrungspflanzen durch das Weitergeben von Saatgut und im Zuge der Völkerwanderungen verbreitet.

So unglaublich es klingt: Genau diese simple Aktivität ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr! Dafür sorgen willkürlich vergebene Patente auf Eigenschaften unserer Kulturpflanzen und restriktive Saatgutgesetze in vielen Ländern. Aber auch die Tatsache, dass immer mehr nicht samenfeste und daher nicht vermehrbare F1-Hybriden auf dem Markt angeboten werden, lässt aufhorchen.

Verschiedene Faktoren machen es notwendig, dass ProSpecieRara und andere Organisationen, die Netzwerke zur Erhaltung von tausenden von Sorten aufgebaut haben, darauf hinweisen, dass diese scheinbar so profane Handlung erschwert bzw. verunmöglicht wird.

2011 hat ProSpecieRara deshalb beim Schweizer Bundesamt für Kultur, das die Liste des immateriellen Kulturerbes der Schweiz zusammenstellt, den Antrag eingereicht, den Saatguttausch auf diese Liste zu setzen. 2017 wurde der Antrag nun angenommen. Doch damit ist nur der erste Schritt getan. Gemeinsam mit der Partnerorganisation Arche Noah, der dies in Österreich vor einigen Jahren ebenfalls gelang, und mit einem weiteren Land könnten wir es schaffen, den Saatguttausch weltweit als UNESCO-Kulturerbe zu schützen. Saatguttausch sollte nicht auf ein Land beschränkt, sondern eben ein ganz natürlicher Akt der Menschheit sein. Kaum zu glauben, dass wir heute für dessen Schutz und Fortbestand kämpfen müssen.

Saatgut - der Keim der Hoffnung
Vor rund einem Jahr wurden wir vom 15. Garden Network kontaktiert, einem syrischen Netzwerk aus bäuerlichen Organisationen, urbanen Gärtnern und landwirtschaftlichen Initiativen in Flüchtlingslagern. Sie baten um Saatgut von Sorten, die in Syrien auf Brachflächen in den belagerten Städten gedeihen können. Besonders wichtig war ihnen, dass die Sorten auch selber vermehrt werden können, weil der Saatgutnachschub nicht gewährleistet werden kann. Diese Eigenschaft findet sich unter den modernen Sorten immer weniger. Selbstverständlich lieferten wir ein Saatgutpaket. Dieses Beispiel macht auf erschreckende Weise klar, dass die heute weltweit etablierten Saatgut- und Agrarsysteme nur dort funktionieren, wo auch die landwirtschaftlichen Produktionssysteme laufen und eine gute Infrastruktur sowie genügend Geld vorhanden sind. Ein Krieg lässt dieses anfällige System schnell in sich zusammenfallen. Da ist es ratsam, sich nicht nur auf ein Agrarsystem zu verlassen, sondern auch in guten Zeiten auf Alternativen zu setzen.

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EU-Haushalt: Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
(EU Pressemitteilung Juni 2018)

Für den nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 schlägt die Kommission eine Modernisierung und Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor.

Die Vorschläge sollen gewährleisten, dass die GAP eine zukunftsorientierte Politik bleibt, die Betriebsinhaber und ländliche Gemeinschaften auch weiterhin unterstützt werden. Die EU Landwirtschaft soll ferner damit nachhaltig entwickelt werden und die ehrgeizigen Ziele der EU in Sachen Umwelt- und Klimaschutz widerspiegeln. Es stehen Mittel in Höhe von 365 Mrd. Euro zur Verfügung. Mit den heutigen Vorschlägen erhalten die Mitgliedstaaten mehr Flexibilität. Es wird ihnen mehr Verantwortung übertragen, wenn es darum geht, wie und wo sie ihre GAP-Mittel einsetzen wollen, um die auf EU-Ebene festgelegten ehrgeizigen Ziele zu erreichen und so zu einem intelligenten, krisenfesten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Agrarsektor zu gelangen. Gleichzeitig soll eine faire und gezieltere Einkommensstützung für Landwirte gewährleistet werden.

Nachstehend werden die wichtigsten Punkte des Kommissionsvorschlags für eine modernisierte, vereinfachte GAP dargelegt:

Neue Arbeitsweise: Die Mitgliedstaaten erhalten mehr Flexibilität, wenn es darum geht, wie sie die ihnen zugewiesenen Mittel verwenden, und können so maßgeschneiderte Programme ausarbeiten, die den Anliegen von Betriebsinhabern und ländlichen Gemeinschaften effektiver gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten werden auch die Möglichkeit haben, bis zu 15 % der ihnen im Rahmen der GAP zugewiesenen Mittel von Interventionen in Form von Direktzahlungen auf Interventionen zur Entwicklung des ländlichen Raums und vice-versa zu übertragen, um sicherzustellen, dass ihre Prioritäten und Maßnahmen finanziert werden können. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedstaaten werden durch Folgendes sichergestellt:

• Strategische Pläne, die den gesamten Zeitraum abdecken und in denen dargelegt wird, wie die einzelnen Mitgliedstaaten die neun EU-weiten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ziele mit einer Kombination von Direktzahlungsinterventionen und Interventionen für die Entwicklung des ländlichen Raums erreichen wollen. Die Kommission muss die einzelnen Pläne genehmigen, um deren Kohärenz und den Schutz des Binnenmarkts sicherzustellen.

• Die Kommission wird die Leistungen und die Fortschritte der einzelnen Länder im Zusammenhang mit den vereinbarten Zielwerten aus nächster Nähe verfolgen.

Ein gerechterer Deal durch eine bessere Ausrichtung der Unterstützung: Die Direktzahlungen werden ein wesentlicher Teil der Politik bleiben und so Stabilität und Vorhersehbarkeit für die Betriebsinhaber sicherstellen. Der Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe, die den größten Teil der Agrarbetriebe in der EU ausmachen, und der Unterstützung von Junglandwirten wird Vorrang eingeräumt. Die Kommission strebt über eine externe Konvergenz weiterhin nach einer gerechteren Verteilung der Direktzahlungen auf die Mitgliedstaaten.

Außerdem:
• Die Direktzahlungen an Betriebsinhaber werden ab 60.000 EUR gekürzt und für Zahlungen über 100.000 EUR je Betrieb gedeckelt. Die Arbeitsleistung wird dabei umfassend berücksichtigt. Dadurch soll eine gerechtere Verteilung der Zahlungen sichergestellt werden.

• Kleine und mittlere Betriebe erhalten eine höhere Unterstützung je Hektar.

• Die Mitgliedstaaten müssen mindestens 2% ihrer Direktzahlungsmittel der Förderung von Betriebsgründungen von Junglandwirten vorbehalten. Hinzu kommt eine finanzielle Unterstützung für die Entwicklung des ländlichen Raums und verschiedene Maßnahmen, mit denen der Zugang zu Land und Flächenübertragungen erleichtert werden können.

Größere Ambitionen beim Umwelt- und Klimaschutz:
Klimawandel, natürliche Ressourcen, Biodiversität, Lebensräume und Landschaften sind alles Bereiche, die in den heute vorgeschlagenen EU-weiten Zielen angesprochen werden. Die Einkommensstützung zugunsten der Betriebsinhaber ist bereits mit der Anwendung umwelt- und klimafreundlicher landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsverfahren verbunden, und die neue GAP wird von den Betriebsinhabern verlangen, dass sie im Rahmen sowohl obligatorischer als auch freiwilliger Maßnahmen ehrgeizigere Ziele erreichen:

Direktzahlungen werden von ehrgeizigeren Umwelt- und Klimaanforderungen abhängig gemacht werden;

• jeder Mitgliedstaat wird Öko-Regelungen anbieten müssen, die Betriebsinhaber dabei unterstützen, über die verpflichteten Anforderungen hinauszugehen, die mit einem Teil ihrer nationalen Mittelzuweisungen für Direktzahlungen finanziert werden;

• mindestens 30% der nationalen Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums sind dem Umwelt- und Klimaschutz gewidmet;

• 40% der Gesamtmittel der GAP sollten zum Klimaschutz beitragen;

• zusätzlich zu der Möglichkeit, 15% zwischen den Säulen zu übertragen, werden die Mitgliedstaaten für Ausgaben zugunsten des Klima- und Umweltschutzes weitere 15% von Säule 1 auf Säule 2 übertragen können (ohne nationale Kofinanzierung).

Stärkere Nutzung von Kenntnissen und Innovation: Die modernisierte GAP wird sich die neuesten Technologien und Innovationen zunutze machen und sowohl die Betriebsinhaber vor Ort als auch die Verwaltungen unterstützen:

• So werden 10 Mrd. EUR aus Mitteln des EU-Forschungsprogramms "Horizont Europa" für Forschungs- und Innovationsvorhaben in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Biowirtschaft bereitgestellt;

• die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Nutzung von Big Data und neuen Technologien für Kontrollen und Überwachung (z. B. die Verwendung von Satellitendaten zur Überprüfung der Betriebsgröße im Zusammenhang mit Direktzahlungsanträgen) einzusetzen und so die Notwendigkeit von Vor-Ort-Kontrollen wesentlich zu reduzieren;

• die Digitalisierung im ländlichen Raum wird gefördert, z.B. durch Ausweitung des Breitbandzugangs in ländlichen Regionen, wodurch sich die Lebensqualität in diesen Regionen verbessert und ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Agrarproduktion geleistet werden dürfte.

Nächste Schritte

Eine schnelle Einigung über den mehrjährigen EU-Finanzrahmen und seine sektoralen Vorschläge ist von wesentlicher Bedeutung, um sicherzustellen, dass die EU-Mittel vor Ort so bald wie möglich Ergebnisse zeigen, und dass den Betriebsinhabern die notwendige Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Zusammenhang mit ihren Geschäfts- und Investitionsentscheidungen geboten werden.

Verzögerungen, wie sie zu Beginn des derzeitigen Finanzrahmens 2014-2020 auftraten, könnten möglicherweise bedeuten, dass die Betriebsinhaber und die nationalen Verwaltungen vom verringerten Verwaltungsaufwand, der größeren Flexibilität und den effektiveren Ergebnissen im Rahmen der neuen GAP nicht profitieren konnten. Etwaige Verzögerungen bei der Verabschiedung des künftigen Finanzrahmens würden auch die Einleitung tausender potenzieller Vorhaben in der gesamten EU verzögern, die auf eine Unterstützung von Betriebsinhabern und ländlichen Gemeinschaften abzielen und Themen betreffen, die von einem stärkeren Umweltschutz bis hin zur Schaffung von Anreizen für neue Landwirte reichen.

Eine Einigung über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen im Jahr 2019 würde für einen nahtlosen Übergang zwischen dem aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen (2014-2020) und dem neuen Finanzrahmen sorgen. Damit wären Vorhersehbarkeit und Kontinuität der Finanzierung zum Vorteil aller Beteiligten gesichert.

MEMO: Die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-18-3974_en.htm

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Kurznachrichten

Agrobiodiversitäts Hotspots identifizieren

Die Agrobiodiversität ist weltweit ernsthaft bedroht und Strategien zu ihrer Erhaltung sind dringend erforderlich. Eine gerade veröffentlichte Studie zeigt einen methodischen Ansatz zur Identifizierung von Agro-Biodiversitäts-Hotspots (MAPAs) in Europa mittels eines Priorisierungsprozesses. Um einen Beitrag zur Entwicklung von Strategien zur Erhaltung der Agro-Biodiversität zu leisten, wird ein methodischer Ansatz vorgeschlagen, der darauf abzielt, Gebiete mit einem hohen Maß an Agrobiodiversität zu ermitteln, in denen die in situ Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen (Landsorten und Crop wild relatives, CWR) aufgebaut oder verstärkt werden kann. Diese Gebiete werden anhand von drei Kriterien identifiziert: Präsenz von Landrassen Diversität, Vorhandensein von CWR und ökologische Vielfalt des Agrarökosystems. In Italien wurde landesweit eine restriktive und eine additive Priorisierungsstrategie angewandt, die zu 53 bzw. 197 Agro-Biodiversitäts-Hotspots geführt hat. Diese Strategien können leicht auf europäischer Ebene angewendet werden und können hilfreich sein, um Erhaltungsstrategien für andere Länder und Regionen zu entwickeln, sofern eine angemessene Datenbasis verfügbar ist.

Vollständiger Text siehe: PACICCO L., BODESMO M., R. TORRICELLI, NEGRI [vn1] V. 2018. A methodological approach to identify agrobiodiversity hotspots for in situ conservation. PLOS one doi
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0197709 Juni 2018

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Verbotener Markt

Im Gemeinsamen Sortenkatalog der EU sind die landwirtschaftlichen Sorten aufgeführt, deren Saatgut gehandelt werden darf. Die EU Saatgutverordnung schreibt das Verfahren vor, mit dem eine neue Sorte in den Saatgutkatalog aufgenommen werden darf. In Frankreich sind so durch die europäische Saatgutverkehrsgesetzgebung bisher bereits zwei Millionen Sorten verboten worden. 90% der kultivierbaren Sorten des Planeten sind bereits im 20. Jahrhundert ausgestorben (Quelle: FAO). Das heisst, dass die Sortenvielfalt stetig abnimmt.

Im vergangenen September trat Carrefour der Erzeugergruppe bei, die sich dafür einsetzt, dass Obst und Gemüse aus Saatgut der Landwirte erzeugt werden darf, und forderte die Behörden auf, das Gesetz zu ändern. Dieser Ansatz wurde vom Wunsch getragen, hochwertige Nahrungsmittel und biologische Vielfalt zu fördern. Es war der Startpunkt für die Kampagne "verbotener Markt" (Forbidden Market Campaign) mit einem umfangreichen Aktionsprogramm:

In der Pariser Region und in der Bretagne begannen rund vierzig Geschäfte mit dem Verkauf von Obst- und Gemüsesorten, die noch nie in Supermärkten verkauft wurden. Dazu gehören armerikanische rosa Zwiebeln, Camus Artischocken aus Léon, Glas Ruz Artischocken, halblange Cléder Schalotten, Angélique Kürbisse, Butternusskürbis von Königin Amann, Kanevedenn-Tomaten, weiße Trégor-Bohnen, Brittany-Rhabarber und amerikanische schwarze Radies.

Carrefour unterzeichnete langfristige Vereinbarungen mit den Erzeugern, um eine nachhaltige Linie von Landsorten zu entwickeln. Die Carrefour Foundation leistete einen Beitrag zur Kampagne durch die Gründung einer Bäuerlichen Saatgutfirma im Rahmen einer Initiative zur Unterstützung des Biodiversitätsfonds, die sie kürzlich im Wert von 1 Million Euro geschaffen hat.

Die Öffentlichkeit wurde auf die Situation aufmerksam gemacht und gebeten, die Kampagne zu unterstützen. Ihre Reaktion war äußerst positiv: Die Online-Petition bei Change.org war ein Erfolg und brachte 82.000 Unterschriften. Sie wurde Jean-Claude Juncker von der Europäischen Kommission, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und zwei französischen Ministern Nicolas Hulot und Stéphane Travers zugesandt.

Die europäische Gesetzgebung wird jetzt geändert! Nachdem das Europäische Parlament im April die uneingeschränkte Vermarktung von Landsorten genehmigt hat, muss Bio-Saatgut nicht länger den industrie-freundlichen Kriterien etwa zur Gleichförmigkeit Stand halten. Damit ist endlich der Weg frei für die kommerzielle Verwendung alter Landsorten, die jetzt frei vermarktet werden dürfen. Ab Januar 2021 ist der Verkauf für Bio-Saatgut erlaubt.

Quelle: www.carrefour.com/current-news/forbiddenmarket-7-months-after-launch

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Irish Seed Savers: DNA Identifikation von Obst 2018

In der Vergangenheit wurde die Identifikation von Früchten rein visuell vorgenommen. Da es Tausende von Sorten gibt, handelt es sich um einen fehleranfälligen Prozess, der weitgehend vom Know-how des Experten abhängt. Fortschritte beim sogenannten DNA-Fingerprinting ermöglichen es nun, Früchte in einem Labor schneller und genauer zu identifizieren. Zwischen 2014 und 2015 wurde die Sammlung der Irish Seed Savers auf diese Art und Weise untersucht. Peter Laws von FruitID in Großbritannien organisiert 2018 ein Apfel-, Birnen- und Kirsch-Identifikationssystem durch das East Malling Labor NIAB-EMR in Kent, UK. Somit können viele weitere Obstsorten in Irland einwandfrei identifiziert werden. Weitere Informationen finden Sie unter: www.fruitid.com. Auf dieser Webseite wurden bereits 413 Apfelsorten veröffentlicht. Haselnuss, Birne und Pflaume werden folgen. Mehr unter:
http://www.irishseedsavers.ie/blog/2018/life-on-thefarm/fruit-dna-identification-scheme-2018/

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PASTRES
Pastoralim, Uncertainty, Resilience

Wildnis für wen? Die Rolle der Nutztiere in der Landschaft Diskussion um Landschaftsschutz und Weidewirtschaft

Nutztierhaltung wird von manchen Menschen als eine Geißel der "natürlichen" Landschaften bezeichnet, die durch Beweidung und Verbiss Verwüstungen verursacht. Die Rückbesinnung auf eine idealisierte "Wildnis" wird als Lösung gesehen, deren Werte verbesserte Ästhetik, Tourismus und verbesserte Ökosystemleistungen sind.

Diese Debatte erstreckt sich über ganz Europa, wo die Wiedereinführung und die anschließende Verbreitung großer Raubtiere wie Bären und Wölfe viele Kontroversen auslöst. Während Touristen in den Bergen vom Anblick eines Wolfes oder eines Bären begeistert sein mögen, sehen andere sie als Gefährdung. Darüber hinaus ist nicht jeder davon überzeugt, dass das Aufkommen von Wald und Buschland ästhetisch ist, wenn man die grasenden Weidetiere entfernt. Mit größeren Waldbeständen verschwinden die offenen Hügellandschaften, die über Jahrhunderte von Menschenhand geschaffen wurden. In der Debatte, wie viel Weidetiere eine Landschaft verträgt, geht es um Politik und die Kontrolle über die Natur.

Wildnis als Idee entstand in der Bewegung der Nationalparks in den USA. Yellowstone war das erste und archetypische Beispiel. Diese Idee verbreitete sich durch den Kolonialismus in Afrika, als Nationalparks gegründet und Menschen dort ausgeschlossen wurden. Einige dieser Wildreservate wurden für die Jagd der weißen Siedler eingerichtet. Private Parks und Naturschutzgebiete wurden zu Spielplätzen für eine globale Elite.

Solche Wildreservate werden immer verwaltet. Zäune werden aufgestellt, bestimmte Arten eingeführt, Brand- und Vegetationsmanagementssysteme ausgearbeitet. Natürlich geht es um Biodiversität, aber auch um Ästhetik, wirtschaftlichen Wert und so weiter. Es geht um Entscheidungen. "Natürlichkeit" gehört oft nicht dazu. Aber letztlich geht es doch darum, welche Landschaft wir wollen und wer davon profitiert. Wo sind die Stimmen der Tierhalter in all diesen Debatten? Ob es um die Schafzüchter von Wales oder die Hirten von Ostafrika geht, sie bekommen oft keine Stimme. Die politischen Entscheidungen über die Landschaft - und damit auch über die Lebensgrundlagen und den wirtschaftlichen Wandel - müssen alle, insbesondere die armen und marginalisierten Menschen, die seit Jahrhunderten in diesen Gebieten gelebt haben, mittragen.

Mehr zum Thema unter: Ian Scoones; a blog learning from pastoralists on how to respond to uncertainty:
https://pastres.wordpress.com/2018/04/20/wilderness-for-whom-negotiating-the-role-of-livestock-in-landscapes/

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In Memoriam Jean Boyazoglu (1937 - 2018)

Am 17. Mai 2018 verstarb Jean Boyazoglu im Alter von 81 Jahren in Menton (Frankreich). Jean Boyazoglu war ein Experte für Kleinwiederkäuer wie Schafe und Ziegen. Er widmete sein persönliches und berufliches Leben der Tierproduktion auf der ganzen Welt. Seine Leidenschaften für kleine Wiederkäuer und das Mittelmeer waren wahrscheinlich in seiner griechischen und ostmediterranen Herkunft begründet.

Jean Boyazoglu war einer der Gründer von IGA. Er führte persönlich die Verhandlungen zwischen IGA und Elsevier in den 1980er Jahren zur Etablierung des Small Ruminant Research Journals (SRR). Dank dieser Initiative erhielten Kleinwiderkäuer ein qualitativ hochwertiges wissenschaftliches Publikationsorgan. Dies zeigt Jean Boyazoglus Schlüsselrolle zur Förderung der Bedeutung der Schaf- und Ziegenproduktion, ihrer Originalität, ihrer Besonderheit und ihrer Rolle in vielen Ländern, in denen sie auch Teil der Kultur sind. Jean Boyazoglu war auch ein leidenschaftlicher Wein- und Käsekenner: Er war lange Jahre Präsident des wissenschaftlichen Ausschusses der Europäischen Ursprungsbezeichnungen für Wein in Brüssel.

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Die SAVE eNews können auch als pdf-Version auf unserer Webseite unter "Medien" www.save-foundation.net heruntergeladen werden.

Den Inhalt des Newsletters finden Sie zudem auf der Aktualitätenseite unseres Webauftrittes:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm

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Quelle:
SAVE e-News 2/2018 - Juli 2018
Elektronischer Infodienst der SAVE Foundation
Herausgeber:
SAVE Foundation, Projektbüro
Neugasse 30. CH-9000 St. Gallen, Schweiz
Tel.: +41-71/222 74 10, Fax: +41-71/222 74 40
E-Mail: office@save-foundation.net
Internet: www.save-foundation.net, www.agrobiodiversity.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2018

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