Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

WALD/081: Ausgeplündert und verarmt - Der Wald als Rohstofflager für Bioenergie (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Ausgeplündert und verarmt
Der Wald als Rohstofflager für Bioenergie

Von Peter Wohlleben


Bioenergie ist "in". Um den Klimawandel zu stoppen, wird massiv in Biomassekraftwerke und Pelletheizungen investiert. Doch woher kommt der Rohstoff? Und ist Heizen mit Holz wirklich CO2-neutral?

Die Ziele sind hoch: Bis zum Jahr 2020 soll EU-weit 20 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Ein wesentlicher Pfeiler dieses Wandels ist Biomasse, also landwirtschaftliche Erzeugnisse und Holz. Die Theorie: Da durch die Verbrennung von Pflanzen maximal so viel Kohlendioxid freigesetzt werden kann, wie diese während ihres Wachstums aufgenommen haben, ist der Prozess klimaneutral. Ein Biomassekraftwerk nach dem anderen sprießt aus dem Boden, hunderttausende Haushalte rüsten ihre Heizungen auf Pelletbetrieb um. Deutschland auf dem Weg zum Klima-Saubermann? Weit gefehlt, wie ein Blick hinter die Kulissen zeigt. Denn der Rohstoff für diese Expansion kommt zu großen Teilen aus dem Wald. Und dem geht es unter dem Ansturm der Holzkäufer schlechter denn je.


Ausverkauft

Deutschland als drittgrößter Holzverbraucher der Welt hat keine Reserven, um den Energiemarkt zu bedienen. Nahezu der gesamte kommerzielle Holzeinschlag dient der Papier-, Möbel- und Bauholzindustrie. Bisher blieben bei einer Durchforstung abgestorbene Bäume und die Kronen im Wald, um Flora und Fauna als Heimstätte zu dienen. Zudem wurde der Nährstoffentzug begrenzt, da rund 50 Prozent der Mineralien in Blättern, Nadeln und der dünnen Rinde der Kronenäste gespeichert sind. Dennoch war schon die bisherige Bewirtschaftung alles andere als nachhaltig. Zwar wurde nicht mehr Holz eingeschlagen als nachwuchs, doch die einstigen Buchenurwälder waren größtenteils zu Plantagen gewandelt, mehrheitlich mit nichtheimischen Baumarten wie Fichten und Kiefern bestanden.


Absenkung der Standards

Um die Klimaziele zu erfüllen, wird Energiegewinnung aus Biomasse offiziell massiv gefördert. Ein Biomassekraftwerk nach dem anderen sprießt aus dem Boden, und hunderttausende Privathaushalte stellen auf Pelletheizungen um. Resthölzer und Sägemehl aus den holzverarbeitenden Betrieben stellten bisher die Rohstoffbasis - eine vernünftige Verwertung von Abfällen also. Mittlerweile reicht dies aber nicht mehr aus. Mehr und mehr Pellethersteller stellen auf Stammholz, ganze Baumstämme direkt aus den Wäldern, um. Kraftwerksbetreiber planen nun von vornherein »Waldrestholz« mit ein. Dieses Restholz besteht aus Baumkronen und Reisig - genau dem Holz, welches bisher aus ökologischen Gründen im Wald verblieb. Mehr und mehr tauchen Reisigbündler auf, riesige Maschinen, die das Astmaterial zu Dreimeterrollen pressen und damit erst transportfähig machen. Der Gipfel: In Nordrhein-Westfalen werden versuchsweise auch noch die Baumstümpfe mittels eines sogenannten Woodcrackers herausgerissen und zur Verfeuerung in Kraftwerken bereitgestellt. Der verwüstete Waldboden verliert nach der Befahrung mit Maschinen einen Großteil seiner Wasserspeicherfähigkeit. Zudem reißen die Luftkanäle ab - das Bodenleben erstickt.


Neuer Nachhaltigkeitsbegriff

Der Nährstoffentzug durch Reisignutzung ist schon seit Jahrhunderten bekannt - nicht umsonst wurde die sogenannte Streunutzung, also das Aufsammeln von Reisig und Blättern für die Stalleinstreu verarmter Bauern, schon vor langer Zeit verboten. Nun stecken die Forstverwaltungen in der Klemme: Einerseits gilt es, den Ausbau von Biomassenutzung zu unterstützen, andererseits verstößt das »Ausfegen« der Wälder durch Maschinen gegen das Nachhaltigkeitsgebot. Die Lösung: Man erklärt, dass auf bestimmten, nährstoffreichen Böden die einmalige Restholznutzung in 100 Jahren unbedenklich sei, auf ärmeren Böden nur dann, wenn wenigstens ein Bruchteil der Baumkronen im Wald verbleibt. Und schon kann die Nutzung ohne Gewissensbisse erfolgen. Nordrhein-Westfalen ermunterte die Waldbesitzer, deren Flächen durch den Orkan »Kyrill« verwüstet wurden, mit einer Prämie von 500,- EUR/Hektar, das Restholz auch noch zu verwerten.


Blick nach Brasilien

Stellen wir uns vor, die Brasilianer würden ihren Regenwald gänzlich abholzen und einen Teil der Flächen mit Eukalyptus, Teak und Mahagoni bepflanzen. Riesige Plantagen, maschinell beerntet, begiftet gegen Insekten und ökologisch abgewertet - ich hoffe, es wird nie so weit kommen. Plante die dortige Regierung etwas Derartiges, ein weltweiter Sturm der Entrüstung wäre die Folge. Einer der größten Mahner, Deutschland, hat jedoch bereits dieses Stadium erreicht. Kein Quadratkilometer Urwald mehr, sondern nur Kulturwald, größtenteils in Reih und Glied gepflanzt. Die fremden Nadelhölzer müssen gegen Schädlinge geschützt werden. Kontaktinsektizide, per Hubschrauber großräumig über die Landschaft gesprüht, sind nur die Spitze des chemischen Eisbergs. Holz aus solchen Wäldern kann nicht der umweltfreundliche Rohstoff sein, den die Biomassekraftwerke und Pellethersteller so sympathisch bewerben. Gewiss, es gibt einige wenige ökologisch wirtschaftende Betriebe. Sie verschwinden jedoch im Meer der riesigen Plantagen.


Holz verbrennt CO2-neutral?

Zum Schluss gilt es noch mit einem modernen Märchen aufzuräumen: Das Heizen von Holz ist nicht CO2-neutral. Auf einen einzelnen Baum bezogen stimmt die Bilanz: Beim Verfeuern wird nur so viel Treibhausgas frei, wie die Pflanze beim Wachstum aufgenommen hat. Auf den Wald bezogen ist dies jedoch nicht richtig. Argumentiert wird von der Brennstofflobby, dass es egal sei, ob das Holz verbrannt werde oder verrotte - schließlich werde beim Zersetzen durch Pilze und Bakterien genauso viel CO2 freigesetzt wie beim Verfeuern. Und hier verlässt die Argumentation den Boden der Tatsachen. Wälder sind natürliche CO2-Senken. Verrottende Baumstämme werden dort nicht vollständig abgebaut, sondern reichern sich in Form von Humus in tieferen Bodenschichten an. Häufig ist mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert als im Holz der Bäume.

Entnimmt man nun laufend Stämme, so reichert der Wald entsprechend weniger Kohlenstoff an. Diese Differenz muss der Biomassenutzung in Rechnung gestellt werden. Zudem enthalten bewirtschaftete Wälder weniger als 50 Prozent der Holzmasse in Form von Bäumen wie ein Urwald auf gleichem Standort.


Alte Zeiten

Wir waren schon einmal so weit, ganz auf Biomasse zu setzen: Vor zweihundert Jahren war Holz der wichtigste Brennstoff. Auch wenn wenig geheizt wurde (oft nur die Küche), auch wenn Deutschland nur rund 20 Millionen Einwohner zählte, so hatte doch diese Nutzung das flächige Verschwinden der meisten Wälder zur Folge. Eine Erholung der grünen Lungen setzte erst durch das Ersetzen von Holz durch Steinkohle und Öl ein. Wenn wir nun heute, auf kleinerer Fläche, mit 82 Millionen Einwohnern und dem fünffachen Heizbedarf, das Rad wieder zurückdrehen wollen, ist es völlig klar, dass dies zu einer massiven Beeinträchtigung der Wälder führen muss.


Fazit

Und nun? Ist jede Art von Holzheizung zu verdammen? Natürlich nicht, denn in vergangenen Jahren ist die private Brennholznutzung und auch die Pelletherstellung aus Sägemehl umweltverträglich möglich gewesen. In diesem Rahmen ist auch künftig ein sinnvoller Beitrag zur Lösung unserer Energieprobleme denkbar. Der derzeitig heftig forcierte Ausbau im großen Stil ist jedoch ökologisch problematisch und lenkt davon ab, dass es dringend erforderlich ist, Energie einzusparen. Fördergelder würden sinnvoller für die Gebäudeisolierung und die Entwicklung verbrauchsarmer Geräte gebündelt. Es ist zu hoffen, dass der Euphorie nun ein ernsthaftes Nachdenken folgt, damit der Landschaft die Auswirkungen dieses Booms erspart bleiben.

Der Autor ist Förster und Autor des Buches »Holzrausch - Der Bioenergieboom und seine Folgen«


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2009