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WALD/085: REDD und das neue Interesse am Wald - NRO sehen Chancen und Risiken (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009

Das neue Interesse am Wald
NRO sehen Chancen und Risiken

Von Wolfgang Kuhlmann


Wälder sind zurück auf der politischen Tagesordnung - aber nicht alle sind glücklich darüber. Unbestritten ist, dass die Entwaldung weltweit deutlich verringert werden muss, wenn die Klimaschutzziele erreichbar bleiben sollen. Doch es wächst Skepsis, ob der Kohlenstoffhandel das geeignete Mittel ist, um Wälder und ihre biologische Vielfalt zu schützen.

Keine NRO, die sich mit dem Schutz von Wäldern beschäftigt, kommt um eine Auseinandersetzung mit REDD herum. Grund sind nicht zuletzt die Milliardenbeträge, die im Zusammenhang mit "vermiedener Entwaldung" genannt werden. Sie haben geradezu ein Feuerwerk neuer politischer Initiativen und Projekte entfacht. Alle anderen Aktivitäten drohen dahinter zu verblassen: Etwa der europäische FLEGT-Prozess (Forest Law Enforcement, Governance and Trade), mit dem die Einfuhr von illegal eingeschlagenem Holz in die EU kontrolliert werden soll, der von einigen nur noch als ein Beispiel für die mögliche Ausgestaltung eines REDD-Mechanismus gesehen wird. Oder regionale Initiativen gegen die Ausweitung von Ölpalmplantagen in Indonesien oder den Sojaanbau in Brasilien, bei denen mögliche Kompensationszahlungen über REDD immer weiter in den Vordergrund rücken.

Ob REDD mehr wird als ein Strohfeuer, hängt in erster Linie von seiner Ausgestaltung ab. Die Positionen von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen zu REDD lassen sich grob in drei Lager aufteilen. Auf der einen Seite stehen die Befürworter eines projektbasierten Ansatzes, die sich aus dem Handel mit Kohlenstoffzertifikaten für vermiedene Entwaldung zusätzliche Mittel für ihre Waldschutzprojekte versprechen. Auf der anderen Seite finden sich diejenigen, die die politischen Verhandlungen der nächsten Monate dazu nutzen wollen, den Schutz der biologischen Vielfalt und die Rechte der lokalen Bevölkerung im Rahmen von REDD zu stärken und gleichzeitig zu verhindern versuchen, dass Wälder Teil des weltweiten Emissionshandels werden. Daneben gibt es eine dritte Gruppe, die den sich abzeichnenden REDD-Mechanismus grundsätzlich ablehnt, solange Wälder auf Kohlenstoff reduziert werden und indigenen Völker oder Biodiversität eine allenfalls marginale Rolle spielen.


Der Markt als Lösung?

Zahlreiche Projektentwickler und einige internationale Naturschutzorganisationen wie Conservation International, The Nature Conservancy, Flora and Fauna International und andere unterstützen die Entwicklung eines marktbasierten Mechanismus. Wenn Kohlenstoffzertifikate für die in ihren Projekten vermiedene Entwaldung im internationalen Emissionshandel verkauft werden, so ihr Kalkül, können in größerem Umfang zusätzliche Mittel für den Waldschutz generiert werden.

Unterstützt werden sie dabei von Beratungsfirmen wie Ecosecurities, denen sich hier ein lukratives Betätigungsfeld öffnet. Da eine Vermarktung projektbasierter Kohlenstoffzertifikate ohne Zertifizierung kaum möglich ist, kommt Firmen wie SGS, TÜV Süd u.a. eine zunehmend wichtigere Rolle zu, das Versprechen einer vermiedenen Entwaldung zu überprüfen. Auch der Forest Stewardship Council (FSC) wird bereits von einigen seiner Mitglieder gedrängt, auf diesem Feld tätig zu werden.

Wie schnell es hier zu Interessenkonflikten kommen kann, zeigt das Beispiel der französischen Firma Foret Ressources Management (FRM), die nicht nur Holzeinschlagsunternehmen wie Rougier, Danzer und SODEFOR berät, sondern auch maßgeblich daran beteiligt war, die Readiness Plan Idea Note (R-PIN) für die Dem. Republik Kongo zu schreiben. Damit will das zentralafrikanische Land seine weitere Beteiligung an den von der Weltbank im Rahmen der Forest Carbon Partnership Facility zierten Vorbereitungen auf einen zukünftigen REDD-Mechanismus sicherstellen.

Für einen marktbasierten Ansatz setzen sich auch einige Netzwerke ein, deren Medien- und Lobbyarbeit darauf beruht, eine möglichst breite Unterstützung ihrer Ideen durch Wissenschaftler, Politiker und NROs zu suggerieren. Hierzu gehören z.B. das Global Canopy Program oder Forest Now.


Wald ist mehr als Kohlenstoff

Die volle Anrechenbarkeit von REDD-Zertifikaten im internationalen Emissionshandel würde Industrie und Regierungen das ideale Schlupfloch bieten, die dringend notwendigen Maßnahmen im eigenen Land durch kostengünstigere zu ersetzen. Da eine deutliche Erhöhung des bisher von der EU ins Auge gefassten Reduktionsziels von 30% bis 2020 wenig wahrscheinlich ist, spricht sich eine große Zahl von NRO dafür aus, REDD aus dem Emissionshandel herauszuhalten.

Während ein Marktmechanismus zwangsläufig dazu führt, dass Wälder auf die einzig handelbare "Währung", den in ihnen gebundenen Kohlenstoff, reduziert werden, bietet ein Fonds, der aus Abgaben auf fossile Energieträger oder Erlösen aus der Versteigerung von Verschmutzungsrechten finanziert wird, mehr Handlungsspielraum. Damit könnte z.B. sichergestellt werden, dass Maßnahmen wie die Kontrolle von Entwaldungsverboten, Einschlagsmoratorien oder verbesserte Waldbrandbekämpfung auch in Ländern mit derzeit geringer Entwaldungsrate ziert oder dass zusätzliche Anreize für den Schutz besonders artenreicher Wälder geschaffen werden.

Die meisten NRO sind sich einig, dass die ökologischen und sozialen Funktionen von Wäldern den Klimaschutzaspekten nicht untergeordnet werden dürfen: Die Umwandlung von Naturwäldern in Palmöl- oder Eukalyptusplantagen muss ebenso ausgeschlossen werden, wie die Verdrängung lokaler Bevölkerung von "marginalem" oder "ungenutztem" Land durch großflächige Aufforstungsprojekte.

Jeder Mechanismus muss darüber hinaus sicherstellen, dass Entwaldung verringert und nicht nur von einem Ort an einen anderen verlagert wird. Regionale Projekte, wie z. B. der verbesserte Schutz eines Nationalparks, führen möglicherweise nur dazu, dass Holzfäller oder Siedler in weniger gut kontrollierte Gebiete ausweichen. Die Entwaldung muss deshalb auf nationaler Ebene oder - im Fall kleinerer Staaten - auf überregionaler Ebene gemessen werden.

Die beste Garantie für den Schutz der Wälder sind allerdings eindeutig definierte Land- und Nutzungsrechte für die lokale und indigene Bevölkerung. Ihre umfassende Beteiligung an der Planung ebenso wie den Erlösen aus REDD, sowie ihre freie und vorherige informierte Zustimmung müssen die Grundlage für jede Waldschutzstrategie sein.

Ein möglicher REDD-Mechanismus sollte zur Finanzierung von Programmen dienen, die die Rechte der traditionellen Waldbevölkerung stärken, die Kosten für Monitoring und Naturschutzprogramme decken und zusätzliche Mittel für Regierungen und lokale Gemeinschaften bereitstellen, die Einkommensquellen verlieren, wenn waldzerstörende Aktivitäten unterbunden werden.

Mit diesem Ziel beteiligt sich eine breite Koalition von umwelt- und entwicklungspolitischen NRO an den Verhandlungen über einen zukünftigen REDD-Mechanismus. Sollte sich in den nächsten Monaten allerdings zeigen, dass wesentliche Teile dieser Ziele nicht erreicht werden, so ist zu erwarten, dass die Gruppe derjenigen, die REDD grundsätzlich ablehnen, zunehmend größer wird.

Der Autor ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA).

Abb.: REDD-Projekte müssen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung geplant und durchgeführt werden.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2009