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MOOR/029: Moore - einst und heute (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA

Lebendige Moore


Ein Meter Torf in tausend Jahren: Was ein Moor werden will, muss Weile haben. Lange blieben unsere Moore unangetastet, konnten sich ausdehnen, Schicht um Schicht zulegen. Doch dann war es vorbei mit der Ruhe. In rascher Folge fielen die Moore dem Land- und Torfhunger einer stetig wachsenden Bevölkerung zum Opfer. Die letzten Reste der einst so weiten Moorlandschaften sollten uns heute in mehrfacher Hinsicht teuer sein. Der BUND kämpft für ihren Schutz - und dafür, dass geschundene Moore zu neuem Leben erweckt werden.


Moore - einst und heute

Von Severin Zillich

Früher prägten Moore in Deutschland große Landstriche. Kaum etwas ist von ihnen übrig geblieben. Doch ihre Bedeutung für die biologische Vielfalt, den Hochwasserschutz und das Klima ist immens. Wir müssen deshalb den bis heute andauernden Raubbau beenden und alle Restmoore schützen.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Vor 300 Jahren noch dehnten sich vor allem in Norddeutschland und am Alpenrand im südlichen Bayern riesige Moore aus. Seit der letzten Eiszeit waren sie gewachsen, bis zu 12 000 Jahre lang. Hatten Pflanzenreste angelagert, Millimeter um Millimeter, bis mächtige Torfkörper entstanden. Ihr hoher Wasserstand machte die Moore schwer zugänglich. Länger als alle heimischen Ökosysteme wurden sie daher gemieden, blieben unangetastet und von rauer Wildnis. Märchen und Sagen umkreisten sie, als Schauplatz von Unglücksfällen und Verbrechen. »Oh schaurig ist's übers Moor zu gehen«, beginnt Annette von Droste-Hülshoffs Ballade »Der Knabe im Moor«; und gegen Ende heißt es: »Wär'n nicht Schutzengel in seiner Näh', seine bleichenden Knöchelchen fände spät ein Gräber im Moorgeschwehle.« 1842 war das, und obwohl die Gräber - die Torfstecher - schon in die Moore vorgedrungen waren, hatten diese noch nichts von ihrem Schrecken verloren.


Spezialisten unter sich

Als größte baumfreie Inseln im weithin bewaldeten Mitteleuropa bildeten die Hochmoore einst eine Welt für sich. Vergleichsweise wenige Arten konnten diesen Lebensraum erobern. Zur spezialisierten Tier- und Pflanzenwelt der Hochmoore gehören besonders viele Arten, die heute stark bedroht sind. Kein Wunder, ist ihr stilles Reich doch fast völlig verschwunden. Einst dehnten sich die deutschen Moore über eineinhalb Millionen Hektar aus. Auf etwa fünf Prozent der Landesfläche - in Norddeutschland teilweise über 15 Prozent - regierten Torfmoose und andere Moorbildner. Doch seit dem 18. Jahrhundert entzog der Mensch 99 Prozent dieser Moore planvoll das Wasser und zerstörte sie dadurch, mal mehr, mal weniger. Schon eine leichte Absenkung des Wasserspiegels genügt, um die Mannigfaltigkeit unberührter Hochmoore endgültig zu vernichten. Ihre Vegetation dominieren verschiedene Torfmoose, Wollgräser und Binsen. Dazu kommen - als stetige Begleiter - etwa zehn Gefäßpflanzen, vom Sonnentau über die Moosbeere bis zur Besen-, Rosmarin- und Glockenheide. Vor allem in den Randbereichen besiedeln mitunter auch niedrige Birken und Kiefern den Moorboden.

Immerhin über hundert wirbellose Tiere sind in ihrem Vorkommen auf Hochmoore beschränkt. Dazu zählen Käfer wie der Hochmoor-Laufkäfer, Schmetterlinge wie Hochmoorgelbling und -bläuling, Libellen wie die Hochmoor-Mosaikjungfer oder spezialisierte Wolfsspinnen. Zu den typischen Brutvögeln zähl(t)en Birkhuhn, Sumpfohreule, Großer Brachvogel und Goldregenpfeifer - vier Arten, die heute in Deutschland allesamt vom Aussterben bedroht sind. Niedermoore stellen vergleichsweise weniger »extreme« Lebensräume dar. Anders als Hochmoore wölben sie sich nicht über ihre Umgebung empor und werden deshalb auch Flachmoore genannt. Meist nährstoffreich und immer von Grundwasser genährt, prägen Schilfröhrichte, Seggenriede oder Bruchwälder ihr dichtes Pflanzenkleid. Niedermoore sind weit artenreicher als Hochmoore und werden von weniger spezialisierten Tieren und Pflanzen besiedelt. Doch ob Hoch- oder Niedermoor - kleinräumig veränderte geologische und klimatische Parameter können in großen Moorkomplexen zu einer hohen Vielfalt auf engstem Raum führen.


Wie die Moore verschwanden

Um den Wasserstand zu senken, hoben die ersten Moorkolonisten ein dichtes Netz von Gräben und Kanälen aus. Es diente zur Fortbewegung, solange Wege im Morast keinen Halt fanden. Und es diente zum Abtransport des Torfes, der als Brennstoff in die Städte und Fabriken geliefert wurde. Wo größere Ansiedlungen fehlten, lohnte der Torfabbau nicht. Man beließ es bei einer geringen Entwässerung, brannte das Moor oberflächlich ab und lebte mehr schlecht als recht von dem, was die Torfasche hergab, Buchweizen oder anspruchslose Feldfrüchte.

Erst mithilfe von Kalk und Mineraldünger lieferte die Bewirtschaftung der Hochmoore ab Mitte des 19. Jahrhunderts mehr Ertrag. Mit dem Einsatz großer Landmaschinen beschleunigte sich die Zerstörung von Hoch- wie Niedermooren im 20. Jahrhundert rapide. Die Not nach dem Zweiten Weltkrieg führte dazu, dass auch den letzten intakten Mooren das Wasser abgegraben wurde.

Durch die Trockenlegung aber sackt der Moorboden, Sauerstoff dringt in den Torfkörper, die organische Substanz wird zersetzt, der Torf »verbrennt«. Übrig bleibt nach Jahren des Raubbaus ein oft stark verdichteter, ausgelaugter Boden, der kaum noch Wasser und Nährstoffe aufnehmen kann. Aus Ackerland werden Brachen, kümmerliches Grasland oder Aufforstungen. Neben der verbreiteten land- und forstwirtschaftlichen Nutzung wird in deutschen Mooren bis heute Torf gewonnen. So sind in Niedersachsen derzeit noch 300 Quadratkilometer einstige Hochmoore in Händen der Torfindustrie. Schichtweise werden die dicken Torflagen hier abgebaut. Doch statt den Abbau so bald wie möglich zu stoppen, soll er in den nächsten Jahren noch ausgeweitet werden. 90 zusätzliche Quadratkilometer - derzeit Weideland - plant die Landesregierung für den Torfabbau freizugeben. Der Wasserstand müsste dafür weiter gesenkt werden, ein Problem vor allem für unser Klima.


Dramatischer Klimaeffekt

Über 60 Prozent unserer Moore gelten heute als stark entwässert, 35 Prozent als mäßig und weniger als drei Prozent als schwach entwässert. Der nach der Entwässerung verbrennende Torf setzt große Mengen des Klimagases Kohlendioxid frei. Über Jahrtausende gespeicherter Kohlenstoff gelangt so binnen Kurzem in die Atmosphäre zurück. Die industrielle Landnutzung der Moore setzt anfangs bis zu 25 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr frei, außerdem große Mengen Lachgas, das besonders klimaschädlich ist.

Dieser ungewollte, durch falsche Nutzung verschuldete Schwund der Moorböden dauert bis heute an. Im Verhältnis zu seiner Moorfläche ist Deutschland der größte europäische Emittent von Treibhausgasen aus zerstörten Mooren. Mit welchen Folgen, erläutert Michael Succow von der Uni Greifswald: »Wachsende Moore sind die wichtigste Kohlenstoffsenke auf dem Festland. Ihr Verlust verstärkt die globale Klimaerwärmung dramatisch. Jährlich entweichen aus drainierten Mooren weltweit etwa drei Milliarden Tonnen CO2. Aktuelle Klimabilanzen berücksichtigen das kaum.«


Moore schützen

Wo immer also in Deutschland Moorrelikte die Zeit überdauert haben, verdienen sie bestmöglichen Schutz. Einmal aus Verantwortung für unser Klima. Und dann aus Verantwortung für die hochspezialisierten Pflanzen und Tiere, die ausschließlich in Mooren zu finden sind. Ihr Überleben hängt davon ab, ob wir den Mooren eine Zukunft bieten. Verantwortungslos ist es daher, das eine Prozent, das von unseren Mooren übrig geblieben ist, teilweise noch immer für den Torfabbau zu entwässern. Dabei wäre diese Bedrohung vergleichsweise einfach und kurzfristig aus der Welt zu schaffen.

Weit schwieriger ist es, zwei anderer Probleme Herr zu werden. So sind besonders die von Natur aus extrem nährstoffarmen Hochmoore durch Nährstoffe von außen bedroht. Jeder Regen hat hier einen ungewollten Düngungseffekt, da die Luft - verunreinigt von Landwirtschaft und Verkehr - heute um ein Vielfaches nährstoffreicher ist als noch vor wenigen Jahrzehnten. Auch von direkt angrenzenden Feldern und Äckern können Nährstoffe in die Moore sickern. Mit ihnen dringen konkurrenzstarke Allerweltsarten ein und verdrängen die Moorspezialisten aus ihrem Refugium.

Diese schleichende Überformung ist auf Dauer nur durch eine Agrarwende, eine großflächig nachhaltigere Landnutzung zu stoppen. Und durch eine deutliche Senkung der Verkehrsemissionen. Nicht minder betroffen sind die Moore vom Klimawandel. Wo die Temperaturen steigen und die Trockenperioden länger werden, steigt auch der Konkurrenzdruck für die Moorspezialisten - verschärft meist noch dadurch, dass ihr Lebensraum bereits fragmentiert und anderweitig beeinträchtigt ist.

Der BUND setzt sich auf allen Ebenen für die Rettung der Moore ein: ob durch gezielten Naturschutz, um Moorflächen zu bewahren und wiederzubeleben, durch Verbrauchertipps (Torf !) oder durch internationale Kampagnen für den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt. Lesen Sie mehr zu diesem Engagement auf den nächsten Seiten.


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Hoch- und Niedermoore

Wo Niederschläge und Grundwasser zu einem ständigen Wasserüberschuss führen, entstehen Moore. Abgestorbene Pflanzenreste können im Wasser nicht abgebaut werden und lagern sich als Torf ab. Dabei unterscheidet man hauptsächlich zwei Moortypen: Hochmoore werden ausschließlich von Regenwasser gespeist. Ihre Entstehung vollzieht sich, indem Torfmoose in großen Polstern über das Grundwasser emporwachsen. Intakte Hochmoore werden zu ihrem Zentrum hin immer nasser. Charakteristisch ist ein kleinräumiges Mosaik von Bulten und Schlenken, von trockeneren und nassen Bereichen. Hochmoore sind sehr sauer, extrem nährstoffarm und wachsen durchschnittlich 1 mm pro Jahr in die Höhe. Niedermoore dagegen entstehen, wo Seen verlanden, Senken versumpfen, Auen periodisch überflutet werden oder Quellen auftreten. Sie sind häufig nährstoffreich und teils mit Schilfröhricht und Großseggen, teils mit Bruchwald bewachsen. Von Nieder- zu Hochmooren gibt es vielfältige Übergänge; diese »Zwischenmoore« werden oft von Kleinseggen besiedelt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Morgenstimmung im Murnauer Moos, dem größten geschlossenen Moorkomplex Mitteuropas; vorne Sibirische Schwertlilien.
• Im Murnauer Moos wächst auch das Hellgelbe Knabenkraut; die stark gefährdete Orchidee wird bis zu einen Meter hoch.
• Vom Aussterben bedroht: Sumpfohreule (rechts) und streitende Uferschnepfen.
• Torfmoos - der Stoff, aus dem die Moore sind.
• Besiedelt Moorgewässer und -wiesen: das Sumpfblutauge.


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Quelle:
BUNDmagazin 2/2011, Seite 14-17
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2011