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SCHUTZGEBIET/861: Blaues Band Deutschland - Auf dem Weg zu einem Biotopverbund? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2018

Blaues Band Deutschland
Auf dem Weg zu einem Biotopverbund?

von Laura von Vittorelli


Mit dem Blauen Band Deutschland hat die Bundesregierung beschlossen, einen national bedeutenden Biotopverbund an Flüssen und Auen schaffen.[1] Damit wird eine langjährige Forderung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und anderen Umwelt- und Naturschutzverbänden anerkannt: Flüsse sind keine Wasserstraßen, sondern vielfältige Lebensräume, Lebensadern unserer Landschaften, Zentren der Biodiversität, Orte der Ruhe und Erholung. Vorgesehen sind im Bundesprogramm umfangreiche Renaturierungen an den Nebenwasserstraßen sowie die Schaffung von ökologischen Trittsteinen in Kernnetzen, um einen Biotopverbund zu schaffen. Bis intakte Flüsse und ihre Auen durchgängig einen solchen Biotopverbund bilden, ist es noch ein weiter Weg.


Vorbild für dieses Netz an Lebensräumen ist das Grüne Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. 1989 vom BUND initiiert, ist das 1.400 Kilometer lange Grüne Band bis dato der einzige länderübergreifend realisierte Biotopverbund Deutschlands.

Der besorgniserregende Zustand der Bundeswasserstraßen
Alle größeren Flüsse Deutschlands sind - zumindest in Teilbereichen - Bundeswasserstraßen. Über die letzten Jahrhunderte wurden die Flüsse begradigt, Ufer befestigt, Fahrrinnen vertieft, Teilstrecken aufgestaut. Flüsse wurden nicht mehr als wertvoller Lebensraum betrachtet, sondern als Transportweg. Möglichst viele Gütertonnen ganzjährig verschiffen zu können war das Ziel. So wurden aus Flüssen Wasserstraßen, und der Begriffswandel prägte auch den Umgang mit diesem einzigartigen Ökosystem.

Die Bundeswasserstraßen bilden im Inland heute ein Verkehrsnetz von rund 7.300 Kilometern. Rund 5.300 Kilometer Flussstrecke sind dabei für das Blaue Band relevant. Künstliche Wasserstraßen wie Kanäle werden überwiegend nicht erfasst, da sie für Renaturierungen nicht geeignet sind. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 unterteilt die Bundeswasserstraßen abhängig vom jährlichen Güterverkehrsaufkommen in Haupt- und Nebenwasserstraßen. Bei Letzteren ist das Transportvolumen unter 600.000 Tonnen pro Jahr - aber oftmals findet bei den Nebenwasserstraßen schon seit Jahrzehnten gar kein Gütertransport mehr statt.

Zielerreichung Wasserrahmenrichtlinie?
Alle europäischen Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, bis 2015 alle Flüsse und Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Deutschland verfehlte dieses Ziel, insbesondere an den Flüssen: Lediglich 7 Prozent erfüllen die Vorgaben, im Bereich der Bundeswasserstraßen sind es noch weniger. Spätestens bis 2027 müssen die Maßnahmen zur Zielerreichung umgesetzt sein. Davon ist man an den Bundeswasserstraßen noch weit entfernt. 18 Jahre nach Verabschiedung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sind an den Bundeswasserstraßen die Zuständigkeiten zur Umsetzung dieses wichtigsten europäischen Gewässerschutzgesetzes zwischen Bund und Ländern immer noch nicht vollständig geklärt. Es besteht ein massiver Umsetzungsstau. Der BUND und NABU haben wegen diesem und anderen Rechtsverstößen im Sommer 2017 eine Beschwerde bei der Kommission der Europäischen Union (EU) eingelegt.[2] Ein Gesetz zur Klärung der Zuständigkeiten ist diese Legislaturperiode geplant. Zwar wird die WRRL als "wichtige Säule des Bundesprogramms Blaues Band"[3] bezeichnet, jedoch ist dies nicht Kernziel des Programms. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Ziele der WRRL rechtzeitig erreicht werden - nur so können auch die Ziele des Bundesprogramms erreicht werden, denn gesunde Gewässer sind essentiell für erfolgreiche Renaturierungen und einen funktionierenden Biotopverbund.

Die Bedeutung der Auen
Der naturbelassene Fluss bildet mit den bei Hochwasser überschwemmten Auen eine ökologische Einheit. Die damit einhergehende Vielfalt der Lebensräume begünstigt das Vorkommen hochspezialisierter Pflanzen- und Tiergesellschaften. Doch sind unsere großen Flüsse heute durch den Deichbau weitgehend von ihren Auen abgeschnitten. Nach dem 2009 veröffentlichten Auenzustandsbericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) sind an vielen Abschnitten des Rheins, der Elbe, der Donau und Oder nur noch 10 bis 20 Prozent der ursprünglichen Auen vorhanden und auch meist stark verändert.4 Dies hat nicht nur dramatische Verluste der biologischen Vielfalt zur Folge, es gehen auch für die Gesellschaft relevante Ökosystemfunktionen verloren: Naturnahe Auen bieten einen natürlichen Hochwasserschutz, halten Nähr- und Schadstoffe sowie Treibhausgase zurück, liefern Nahrungsmittel und Holz und dienen uns als Raum für Naturbeobachtung, Sport und Erholung.

Durch ihre hohe Dynamik, Standort- und Lebensraumvielfalt und die natürliche Verbundfunktion sind intakte Auen und Flusssysteme Kernraum und Verbundachse zugleich - grünblaue Lebensadern der Biodiversität. Daher spielen Flusslandschaften eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des länderübergreifenden Biotopverbunds, welcher im Bundesnaturschutzgesetz gefordert und im Bundeskonzept Grüne Infrastruktur beschrieben wird. Voraussetzung dafür ist, dass wir in Zukunft Gewässerlauf, Ufer und Auen als Einheit begreifen und unsere Flusslandschaften als ein gesamtes, miteinander verbundenes System betrachten.

Chance Blaues Band Deutschland
Der Grundstein für das Bundesprogramm Blaues Band wurde bereits in der 18. Legislaturperiode (2013-2017) gelegt: Die Regierungsparteien hatten sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, ein Bundesprogramm 'Blaues Band Deutschland' zu schaffen, um die Renaturierung von Fließgewässern und Auen zu fördern. Das Bundesprogramm sieht vor, Fließgewässer, die als Nebenwasserstraßen eingestuft sind, und ihre Auen umfangreich zu renaturieren. An den Nebenwasserstraßen sollen dazu unter Einbeziehung der Öffentlichkeit Entwicklungskonzepte erstellt werden. Aus Umweltverbandssicht wären solche Entwicklungskonzepte auch an Hauptwasserstraßen sinnvoll, auch wenn an diesen nur ökologische Trittsteine entstehen sollen. Zu begrüßen ist, dass nun endlich ökologische Leitbilder in Ausbau und Unterhaltung der Bundeswasserstraßen integriert werden sollen. Dazu ist Deutschland aufgrund der WRRL auch verpflichtet. Zudem wurde im '8-Punkteprogramm zur Umsetzung des Blauen Bands' festgehalten, dass eine eindeutige Klärung der Zuständigkeiten und Kompetenzen an den Bundeswasserstraßen gesetzlich erfolgt. Wie oben erläutert ist dies, nicht nur für die Umsetzung des Bundesprogramms, sondern auch in Hinblick auf den Umsetzungsstau der WRRL, sehr zu begrüßen. Das 8-Punkte-Programm sieht zudem die Einbeziehung der Flächen der öffentlichen Hand und regelmäßige Erfolgskontrollen vor.

Zudem soll ein Fachkonzept Nationaler Biotopverbund Gewässer und Auen erstellt werden und ein nationales Förderprogramm Auen. Was bisher zum Förderprogramm bekannt geworden ist, ist sehr zu begrüßen. So können verschiedene Träger, darunter auch Naturschutzverbände, Förderungen beantragen. Dadurch können Vorstudien bis zu 100 Prozent gefördert werden, das Projekt bis 75 Prozent. Auch ist zu begrüßen, dass Moderation und Öffentlichkeitsarbeit förderfähig sind. Die Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins zur Bedeutung intakter Flusslandschaften sollte essentieller Bestandteil jedes Projekts sein. Auch wäre wünschenswert, wenn bei der Projektauswahl darauf geachtet werden würde, dass (zumindest in der Summe der Projekte) klar quantifizierbare Verbesserung der Auen nachweisbar sind. Dafür ist wichtig, dass eine Ex ante- und eine Ex post-Evaluation des Zustands erfolgt. Förderfähig sollten auch die anschließenden Pflegemaßnahmen nach Beendigung des Projekts sein.

Ausblick
Nächstes Jahr werden 30 Jahre Grünes Band gefeiert. Was erhoffen wir uns von einer 30 Jahre-Blaues Band-Feier?

Das Bundesprogramm wird dann kurz vor seinem prognostizierten Abschluss 2050 stehen, aber wegen seines großen Erfolgs fortgeführt werden. Die Gewässerqualität hat sich in der Zeit stark verbessert, da der Bund, aber auch die Länder und die EU eingesehen haben, dass nur mit umfangreichen Sofortmaßnahmen die Ziele der WRRL erreicht werden können. Dies war essentiell für die Umsetzung des Bundesprogramms, denn Renaturierungsmaßnahmen zeigen nur Erfolg, wo auch das Umfeld - bspw. Nährstoffbelastung, Schadstoffbelastung, Verbauungen flussauf und -abwärts, stimmen. Aber nicht nur Flora und Fauna profitieren, sondern auch die Menschen, z. B. durch unbesorgtes Badevergnügen und naturverträgliche Naherholung. Der Widerstand gegen Deichrückverlegung ist verschwunden, wie auch die Erfolge bei Hochwasser allgemein sichtbar werden. Diskussionen über einen unnötigen Flussausbau, wie wir sie bspw. heute noch an der Elbe erleben, wurden rasch ad acta gelegt. Die Bundeswasserstraßen entwickelten sich wieder zu Flüssen und sind als solche wieder in das Zentrum des Lebens der Menschen gerückt.

Damit es so weit kommen kann, braucht das Bundesprogramm ausreichende und konstante Unterstützung - politisch wie finanziell. Es geht jetzt darum, die ersten Projekte anzustoßen und die Menschen mitzunehmen.


Autorin Laura von Vittorelli arbeitet beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) als Leiterin der Gewässerpolitik.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


Anmerkungen

1. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/WS/blaues-band-broschuere-bundesprogramm.pdf?__blob=publicationFile

2. https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/umweltverbaende-bund-und-nabu-reichen-beschwerde-bei-der-eu-kommission-ein-deutsche-planungen-zum-ge/

3. https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/bundesprogramm_blaues_band_bf.pdf

4. https://www.bfn.de/themen/gewaesser-und-auenschutz/bundesweiter-auenschutz/auenzustand.html

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Quelle:
Rundbrief 4/2018, Seite 20 - 21
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2019

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