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VIELFALT/037: Der Niedergang der Saumstrukturen (Vogelschutz)


Vogelschutz - 3/2011
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Der Niedergang der Saumstrukturen

Von Helmut Beran und Wolfgang Völkl


Einst prägten sie das Bild einer kleinräumigen Kulturlandschaft: bunte Säume in der Landschaft, zu denen Feld- und Wegraine, Heckensäume und Waldränder zählen. Heute suchen wir solche Strukturen in der intensiv genutzten Agrarlandschaft oft vergebens - und mit ihnen ging auch die Artenvielfalt in der Feldflur verloren.

Der Ackersaum mit Mohnblumen und Malven hat keine Chance mehr, wenn bis auf den letzten Zentimeter an den Weg heran gepflügt wird... - links: dichtstehende Mohnblumen in Blüte mit einigen Malven - Foto © Carola Bria / rechts: schmaler grasbewachsener Ackersaum - Foto © Helmut Beran Der Ackersaum mit Mohnblumen und Malven hat keine Chance mehr, wenn bis auf den letzten Zentimeter an den Weg heran gepflügt wird... - links: dichtstehende Mohnblumen in Blüte mit einigen Malven - Foto © Carola Bria / rechts: schmaler grasbewachsener Ackersaum - Foto © Helmut Beran

Der Ackersaum mit Mohnblumen und Malven hat keine Chance mehr, wenn bis auf den letzten Zentimeter an den Weg heran gepflügt wird...
links: Foto © Carola Bria / rechts: Foto © Helmut Beran

Wiesenknautie oder Witwenblume (ein gefüllter Blütenkopf auf dem Bild) wurde nur noch an 10% der untersuchten Säume gefunden - Foto © Frank Derer

Selbst die Wiesenknautie oder
Witwenblume als häufige Zeigerart
konnte nur noch an 10% der unter-
suchten Säume nachgewiesen werden
Foto © Frank Derer
Säume erfüllen eine vielfältige Funktion in der Landschaft: Sie dienen als Lebensraum und Ausbreitungskorridore für viele Tier- und Pflanzenarten, aber auch als Erosionsschutz bei Starkregen. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft, die aufgrund agrarpolitischer Vorgaben vor allem eine Produktionsmaximierung zum Ziel hatte und hat, und den damit verbundenen Änderungen in den Betriebsstrukturen nahm die Dichte von Strukturelementen in den letzten 50 Jahren kontinuierlich ab. Der Verlust an landschaftsbildprägenden Hecken ist dabei gut dokumentiert, während dem langsamen Verschwinden der grasigen und krautigen Säume weit weniger Beachtung zuteil wurde. Das LBV-Projekt "Säume in der Landschaft" - durchgeführt im Sommer 2010 in sechs ausgewählten Testgebieten im Großraum Bayreuth - schließt diese Datenlücke, leider mit sehr ernüchternden Ergebnissen.

Strukturreiche Waldränder - ein bedrohter Lebensraum

Strukturreiche Waldränder mit einem breiten Übergang zur Agrarlandschaft nahmen in allen Untersuchungsgebieten nur noch zwischen 7% und 18% der gesamten Waldrandlänge ein. In der Regel reichte die intensive landwirtschaftliche Nutzung bis direkt an den Waldrand, oftmals schloss der letzte Maisstängel direkt mit der ersten Fichte ab. Gleichzeitig war die Mehrzahl der verbliebenen Waldrandbereiche stark eutrophiert, das heißt ihre Vegetation wurde von wenigen hochwüchsigen Grasarten und von stickstoffliebenden Kräutern dominiert. Blütenreiche Waldränder mit niedrigwüchsiger Vegetation, die als Lebensraum beispielsweise für Reptilien, Heuschrecken, Tagfalter und Wildbienen geeignet sind, nahmen zwischen 30% und 45% der noch verfügbaren Fläche ein, d. h. ihr Anteil an der gesamten Waldrandlänge betrug durchweg unter 10%.


Fehlende Säume in der Agrarlandschaft

Beim Anteil von krautigen Saumstrukturen in der freien Feldflur ergab sich ein ähnliches Muster. Entlang der noch verbliebenen Hecken schwankte der Anteil an breiten Säumen in den Untersuchungsgebieten zwischen 15% und 40% der potentiellen Länge. Dies entsprach Dichten von 3 m/ha bis 13 m/ha, in einem Gebiet fehlten Heckensäume sogar ganz.

Ebenso schlecht ist es derzeit um die Feldraine und "bunten" Wegränder entlang von nicht befestigten Feldwegen bestellt. Ihre Dichte schwankte in den sechs Gebieten zwischen 20 m/ha und 50 m/ha und erreichte damit höchstens ein Fünftel der potentiell möglichen Ausdehnung. Dazu kommt, dass etwa die Hälfte der Feldraine und Wegränder unter 1 m breit waren und kaum noch als Säume zu bezeichnen sind. Fast alle diese schmalen Säume sowie die Hälfte der breiten Säume waren stark eutrophiert, ihre Vegetation war von wenigen Grasarten oder Löwenzahn dominiert. Oftmals wurden diese Säume, auch im Bereich von öffentlichen Wegen, im Herbst intensiv mit Bioziden behandelt. Der Anteil an blütenreichen Feldrainen und Wegrändern lag durchweg unter 15% des vorhandenen Saumangebots.


Bilanzierung

In einem der Testgebiete war neben der aktuellen Bilanzierung auch ein Vergleich mit Daten aus den 1980er Jahren möglich. Dabei zeigte sich, dass innerhalb der letzten 25 Jahre etwa 70% der strukturreichen Waldränder, 35% der Heckensäume und mindestens 25% der Feldraine und Wegränder verloren gingen, obwohl in diesem Gebiet noch keine Flurbereinigung durchgeführt wurde. Allerdings wurde auch dort die Bewirtschaftung extrem intensiviert, von ehemals mehr als 10 Vollerwerbslandwirten blieben noch zwei Betriebe übrig. Auch nahm der Maisanbau in den letzten Jahren sehr stark zu. Mit dem flächenmäßigen Verlust ging auch eine Reduzierung der Artenvielfalt durch Nährstoffeinträge einher, die sich nicht mehr quantifizieren lässt. So wird die Vegetation auf einem Teil der Waldränder und Säume inzwischen von stickstoffreicher Vegetation dominiert, während die 1985 noch typischen Säume mit Heidelbeere zu einem großen Teil verschwunden sind.

Zauneidechse - Foto © Frank Derer

Zauneidechse
Foto © Frank Derer

Die wenigen Reptiliennachweise waren auf magere Waldränder beschränkt, während sie in der Feldflur inzwischen fehlen. Heckensäume oder Feldränder können von ihnen nicht mehr als Lebensraum genutzt werden.

Rarität mit Seltenheitswert: Reich strukturierte Heckenlandschaft im Taubertal - Foto © Bernd Raab

Rarität mit Seltenheitswert: Reich strukturierte Heckenlandschaft im Taubertal
Foto © Bernd Raab

Fehlender Ackersaum: rechts Maisfeld, links Maisfeld, geradeaus kahler Boden und ein paar Sträucher im Hintergrund - Foto © Helmut Beran

Lebensraum in Bedrängnis: Die Hecke konnte zwar erhalten werden, aber
die fehlenden Säume und die bis an die Sträucher reichenden Maisäcker
entwerten das Umfeld
Foto © Helmut Beran


Auswirkungen auf die Artenvielfalt

Der Verlust an Säumen und die starke Eutrophierung der verbliebenen Strukturen zieht auch einen enormen Rückgang der Artenvielfalt nach sich. Die Kartierung von ausgewählten 18 typischen Pflanzenarten der Säume, die nährstoffarme Bedingungen benötigen, zeigte, dass alle Arten inzwischen nur noch vereinzelt vorkommen. Die häufigsten Zeigerarten waren das Kleine Habichtskraut (Hieracium pilosella) und die Wiesenknautie (Knautia arvensis). Aber auch sie kamen nur auf weniger als 10% der Saumstrukturen vor, d. h. an 22 bzw. 24 Standorten von insgesamt 218 Säumen und 48 Waldrändern. Auch bei der Fauna gab es vor allem negative Ergebnisse. Die wenigen Reptiliennachweise (Waldeidechse, Zauneidechse, Blindschleiche) waren auf magere Waldränder beschränkt, während sie in der Feldflur inzwischen fehlen und Heckensäume oder Feldränder nicht mehr als Lebensraum nutzen können. Auch für Tagfalter bieten Säume kaum noch alternative Lebensräume und Nektarquellen nach der Wiesenmahd. Zwar wurden insgesamt 25 Tagfalterarten - mit zwei Ausnahmen durchweg noch nicht gefährdete Arten - nachgewiesen, doch konnte keine Art auf mehr als 10% der kartierten Säume nachgewiesen werden. Insgesamt wurden nur an 15 Säumen, d. h. an nur knapp 6%, fünf oder mehr Tagfalterarten (mit einem Maximum von 10 Arten an einem sehr blütenreichen Waldrand) beobachtet. Eutrophierte Säume ohne Blüten wurden von Tagfaltern nicht genutzt. Heuschrecken, als weitere typische Artengruppe der Säume, sind zwar nicht auf Blütenreichtum angewiesen, doch benötigen auch sie Bereiche mit lückiger, niedriger Vegetation für die Eiablage. Insgesamt wurden 13 Arten gefunden, von denen aber nur fünf regelmäßig vorkamen. Doch selbst diese häufigen und teilweise relativ anspruchslosen Arten wie der Gemeine Grashüpfer (Chorthippus parallelus) oder der Weißrandige Grashüpfer (Chorthippus albomarginatus) kamen an insgesamt weniger als 15% der kartierten Säume vor. Gleichzeitig wirken sich das Fehlen der Säume und die geringe Insektendichte entlang der Säume auch auf die Vögel der Agrarlandschaft aus, denen sowohl das Nahrungshabitat als auch die notwendige Beutetierdichte fehlen.

Die Entwicklung des Anteils strukturreicher Säume: Waldrand und Heckensaum jeweils 1985 und 2010 als Säulendiagramme zum Vergleich -Quelle: Helmut Beran / Wolfgang Völkl

Die Entwicklung des Anteils strukturreicher Säume
Quelle: Helmut Beran / Wolfgang Völkl


Schlussfolgerungen

Dem Strukturverlust in der Kulturlandschaft, der auch sehr stark zum Verlust der Biodiversität beiträgt, kann nur durch eine gezielte Änderung bei den Agrarsubventionen entgegengewirkt werden. Daher ist es aus Sicht des LBV dringend notwendig, einen wesentlichen Teil der Europäischen Agrarförderung auf die Säule II [Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes (Agrarumweltprogramme) zu verlagern und die Förderung über die Säule I (Direktzahlungen, ohne Verpflichtung zu ökologischen Leistungen) an Umweltleistungen zu koppeln. Die momentanen Direktzahlungen aus Säule I sind für den Erhalt der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und für den präventiven Hochwasser- und Bodenschutz nicht zielführend - und teilweise sogar kontraproduktiv.

Um den Strukturreichtum in der Agrarlandschaft zu fördern, sollten zukünftig 5% der bewirtschafteten Fläche für die Anlage von Saumstrukturen mit mindestens einem Meter Breite zur Verfügung gestellt werden. Die Agrarförderung ist an die Anlage von Saumstrukturen zu koppeln. Die maximale Subvention für die Fläche (gewährt auf 100% der Fläche einschließlich der Saumstrukturen) wird nur bezahlt, wenn diese Vorgabe eingehalten wird. Fehlt der Saum, gibt es Abzüge von der Flächenprämie mit dem doppelten Quadratmeter-Ansatz (entspricht einer Strafzahlung bei Nichtbelassen eines Saums).

Die Fördermöglichkeiten für den Erhalt bzw. das Anlegen von Saumstrukturen über das KULAP in Bayern sind zukünftig auszuweiten und mit ausreichend finanziellen Mitteln auszustatten. Dies fördert nicht nur die Strukturvielfalt und Artenausstattung in der Agrarlandschaft, sondern auch den Boden- und Hochwasserschutz.

Weiterhin wäre es dringend notwendig, dass beim Abspritzen von Äckern der vorgeschriebene Abstand zu Hecken und Wegrändern, die sich größtenteils im Besitz der öffentlichen Hand befinden, eingehalten wird. Solche Verstöße gegen geltende Richtlinien und Gesetze werden derzeit aber nur unzureichend verfolgt und unterbunden.


DIE AUTOREN

Helmut Beran
Diplom-Biologe
Stellv. Geschäftsführer
Referent für Klima und Wasser
Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein
E-Mail: h-beran[at]lbv.de

Dr. Wolfgang Völkl
Diplom-Biologe + Privatdozent
Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des LBV
E-Mail: wolfgang.voelkl[at]t-online.de


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Quelle:
Vogelschutz - 3/2011, S. 14-17
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
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Internet: www.lbv.de
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung
von Herausgeber, Autoren und Fotograf(inn)en

Vogelschutz ist das Mitgliedermagazin des LBV
und erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2011