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WALD/686: "Wertvoller Wald" - Projekt des NABU Saarland zu Alt- und Totholz (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

"Wertvoller Wald"
Ein Projekt des NABU Saarland zu Alt- und Totholz.

von Helmut Harth & Monika Heinze



Zwischen den Strukturen eines Altersklassen-Fichtenwaldes und eines alten naturnahen Buchenwaldes liegen Welten. Schließlich ist Wald wesentlich mehr als die Summe seiner Bäume. In ihm entfaltet sich eine Welt, in der alles von allem abhängt - ein gigantischer Organismus mit vielfältigsten Lebensgemeinschaften.

Doch selten ist es in unseren Wirtschaftswäldern der Fall, dass ein Baum sein natürliches Alter von mehreren Hundert Jahren erreicht. Buchen könnten beispielsweise ein Alter von rund 300 Jahren erreichen, werden jedoch spätestens nach 130 Jahren geerntet, da zu diesem Zeitpunkt ("Umtriebszeit") das wirtschaftliche Optimum dieser Baumart erreicht ist.

Bewirtschaftung anpassen

Fehlen alte und absterbende Bäume, so fehlt ein wesentlicher Aspekt dieses Ökosystems. Denn von Alt- und Totholz ist eine enorme Zahl von Lebewesen abhängig: 6.500 Tierarten, 1.600 Pilzarten und 2.800 Pflanzenarten. Hier setzt das neue Mehrjahresprojekt "Wertvoller Wald durch Alt- und Totholz" des NABU Saarland an.

Für den Lebensraum Buchenwald trägt Deutschland eine weltweite Verantwortung. Das muss sich künftig in der Bewirtschaftung niederschlagen. Nachhaltigkeit nur im Sinne eines mengenmäßigen Nachwachsens von Holz reicht nicht, unsere Wälder müssen auch ökologisch nachhaltig sein. Auf ganzer Fläche des Wirtschaftswaldes, also auch außerhalb der Waldschutzgebiete, muss ein ausreichender Vorrat in Quantität, Qualität, Kontinuität und räumlichem Verbund an Alt- und Totholz entwickelt werden - ein langer Weg, auf dem das NABU-Projekt einen Beitrag leisten möchte.

Wald gehört uns allen

Das Projekt will für diese Strategie werben, denn der Wald gehört uns allen. Wir haben die Verantwortung für ihn treuhänderisch an die politisch Handelnden in Staat und Kommune abgetreten. Dies entbindet uns Bürger jedoch nicht von der Verpflichtung, uns für alle Wohlfahrtswirkungen dieses Gemeingutes einzusetzen. Die gleiche große Verantwortung für das Gemeinwohl tragen die Privatwaldbesitzer. Auch hier ist ein partieller Verzicht auf Holznutzung der notwendige und ehrenwerte Aufwand zur Sicherung der Zukunft.

Ein wichtiger Faktor für die Umsetzung des Projektes ist die Zusammenarbeit mit Projektpartnern wie dem SaarForst Landesbetrieb, dem Zentrum für Biodokumentation sowie verschiedenen saarländischen Kommunal- und Privatwaldbesitzern. Gemeinsam werden Strategien entwickelt, bestehende Konzepte werden weiter optimiert, um entsprechende Lebensraumstrukturen im Wirtschaftswald zu integrieren.

Infozentrum geplant

Kurzfristiges Ziel ist es, die Restpopulationen der besonders bedrohten Pilz- und Tierarten im Saarland zu identifizieren und zu sichern, damit die biologische Vielfalt des Rotbuchenwaldes in die nächste Waldgeneration, in der erst diese Konzepte greifen werden, gerettet werden kann. Das Projekt versucht auch Lösungsangebote für Holznutzungsverzichte, konkrete Handlungsempfehlungen für die Waldbewirtschaftung und für das Erkennen von Schlüsselstrukturen zu finden - und für diesen leider noch recht unbekannten Lebensraum zu werben, wozu auch der Bau eines Informationszentrums gehört. Ziel dabei ist, sowohl einen ökonomischen Holzwert als auch gleichzeitig ökologisches Wertholz im gleichen Bestand zu entwickeln.

Wir müssen den katastrophalen Mangel an reifen Buchenbeständen in Deutschland ausgleichen und ihren Reichtum an biologischer Vielfalt bewahren - durch angepasste Bewirtschaftungsintensität, Erhaltung der Bodenvitalität, Erhöhung der Umtriebszeit und intelligente Managementstrategien.

Das Projekt "Entwicklung und Förderung von Alt- und Totholzbiozönosen durch eine nachhaltige Bewirtschaftungsstrategie in saarländischen Forstbetrieben" ist bis 2018 mit 1,9 Millionen Euro ausgestattet. Die Kosten werden zu 90 Prozent gefördert mit Mitteln des Bundesamts für Naturschutz und des Saarländischen Umweltministeriums. Den Eigenanteil teilen sich NABU-Bundes- und Landesverband.

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Fledermäuse im Altholz

Für Fledermäuse bieten Alt- und Totholzinseln ideale Bedingungen. In alten Bäumen gibt es wesentlich mehr Baumhöhlen, in denen die Tiere tagsüber schlafen und sogar in großen Gruppen ihre Jungen aufziehen können. An alten Bäumen entwickelt sich auch eine vielfältigere Insektenfauna, die den Fledermäusen als Nahrung dient. Und nicht zuletzt bieten geschlossene Altholzbestände durch ihre oftmals unterwuchsarmen Hallenausprägungen ideale Jagdbedingungen für echolotende Arten: Wo weniger Geäst ist, da reicht der Schall tiefer und lässt das Gehör weiter schweifen.

Die Untersuchungen sollen zu Empfehlungen führen, durch die unsere Wirtschaftswälder wieder zum Lebensraum einer vielfältigen Fledermauswelt werden. Ziel ist es, zu überprüfen, ob die schrumpfenden und verstreut liegenden Alt- und Totholzinseln noch mit einem entsprechenden Artenreichtum gefüllt sind. Sind Fledermäuse vielleicht die Ersten, die zu klein werdende Lebensräume verlassen, oder sind sie wegen ihrer hohen Mobilität im Gegenteil die Letzten, die das Licht ausmachen? Reichen kleine Inseln als Rückzugsgebiet aus, können der Erhalt und die Förderung solcher Inseln zur Wiederausbreitung verloren gegangener Arten beitragen?


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Alt- und Totholz sind Lebensgrundlage für einen enormen Artenreichtum. alleine 1.600 verschiedene Pilzarten gedeihen hier.

Weitere Infos sowie eine Projektbroschüre zum
Download gibt es unter www.wertvoller-wald.de.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/14, Seite 16 - 17
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2014