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LAIRE/109: Neue Lichtquelle - kein Quecksilber, aber Nanoteilchen (SB)


Hinters Licht geführt?

US-Unternehmen verheißt Entwicklung umweltfreundlicher Lampen


Es hat sich ja längst herumgesprochen, daß Kompaktleuchtstofflampen, die in der Europäischen Union nach und nach die Glühlampen ersetzen sollen, umweltschädlich sind. Sie enthalten unter anderem Quecksilber, das bei unsachgemäßer Handhabung - sprich: wenn die Lampe zerbricht oder über den Hausmüll entsorgt wird - in die Umwelt gelangt. Da kann das giftige Material auch nicht durch das Argument, daß Glühlampen zu noch viel mehr Umweltschadstoffen führen, da aufgrund des höheren Energieverbrauchs mehr Kohlekraftwerke betrieben werden, aus der Welt geschafft werden.

So wandeln denn die Mitarbeiter in den Forschungslaboren rund um den Planeten weiterhin auf den Spuren Luzifers, um den Menschen Licht zu bringen ... und sie unter Umständen hinter selbiges zu führen. Ob letzteres auch für das US-amerikanische Unternehmen RTI International gilt, das in der vergangenen Woche [1] behauptete, es habe eine "revolutionäre Beleuchtungstechnologie" entwickelt. Sie sei energiesparsamer als herkömmliche Glühlampen, weise eine fünfmal größere Lichtausbeute auf und enthalte im Unterschied zu Kompaktleuchtstofflampen kein Quecksilber, so daß sie "umweltfreundlicher" sei. Auch sei ihr Licht angenehmer als das von Kompaktleuchtstofflampen.

Was sich zunächst sehr vielversprechend anhört, hat jedoch einen Haken. Kernstück des neuartigen Leuchtmittels sind ausgerechnet Nanofasern. Bei der vom US-Energieministerium geförderten PLN-Technologie (photoluminescent nanofibers) wurden zwei Nanotechnologien kombiniert, eine bei den Reflektoren, eine andere beim Leuchtmittel. In drei bis fünf Jahren soll die Lampe Marktreife erlangt haben, teilte das Unternehmen mit.

Nicht viel Zeit, um die Verbreitung eines weiteren neuzeitlichen Produkts, in dem Nanomaterialien verarbeitet werden, gesetzgeberisch einzuschränken oder gar zu verhindern, werden sich womöglich Kritiker dieser bislang wenig erforschten technologischen Richtung sagen. Es spricht einiges dafür, mit Nanomaterialien genauso vorsichtig umzugehen wie mit radioaktiver Strahlung. Die sieht, riecht und schmeckt man nicht, sie entzieht sich den menschlichen Sinnen und kann selbst in kleinsten Dosen schädigend auf den Organismus einwirken, indem es eine Zelle zum ungehemmten Wachstum anregt.

Wie verhält es sich mit Nanomaterialien? Für sie gilt das gleiche. Nicht einmal mit einem Lichtmikroskop lassen sie sich nachweisen. Da die neuartige Lampe noch nicht auf dem Markt ist, lassen sich keine spezifischen, sondern nur allgemeine Aussagen zu den Umweltfolgen von Nanomaterialien treffen. Im vergangenen Jahrzehnt haben eine Reihe von Umweltschutzgruppen, Forschungseinrichtungen, aber auch Versicherungskonzerne vor der ungebremsten Verbreitung dieser Materialien gewarnt, da bislang noch keine Langzeituntersuchungen durchgeführt wurden und akkumulative Effekte in Mensch, Tier und Umwelt nicht auszuschließen sind.

Nanomaterialien sind nicht einfach nur viele kleine Teile von etwas Größerem, mit dem Chemiker seit jeher arbeiten. In der Nano-Welt unterhalb eines Milliardstel Meters entstehen Oberflächenwirkungen, die vollkommen andere physikalische und biologische Reaktionen hervorrufen als gleiche Materialien aus der Mikro- oder Makrowelt. Am einfachsten vergleichbar ist dies mit einem Haufen Staub, der explodieren kann, im Verhältnis zu einem Schutthaufen.

Der Nanotechnologie hätte längst ein Riegel vorgeschoben werden müssen, bis daß die vielfältigen toxischen Folgen für Mensch und Umwelt gründlich erforscht sind. Aber so funktioniert technologischer Fortschritt bekanntlich nicht, vor allem nicht in einer Gesellschaft, in der Innovationen von den Unternehmen ausgehen. Deren Motivation, Neues zu entwickeln, gründet sich nicht primär in der Bewältigung fundamentaler Probleme der Menschen, sondern schlicht in der Erwirtschaftung von Profit. Das schließt die Durchführung von Langzeituntersuchungen beinahe schon systemisch aus.

Somit befindet sich der Staat von vornherein im Hintertreffen, wenn er die Unternehmen nach Gusto wirtschaften läßt, und er mißachtet das demokratische Gebot, die Interessen aller Staatsangehörigen zu berücksichtigen, also auch das Interesse der Bürger nach Schutz vor unkalkulierbaren Risiken aufgrund der Nanotechnologie.


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Anmerkungen:

[1] "RTI International Develops Technology to Make Energy-Efficient Lighting", RTI International News Release, 8. Februar 2010
http://www.rti.org/news.cfm?objectid=4709DD21-5056-B172-B869E9328CBED59F

17. Februar 2010