Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

LAIRE/125: Lufthansa-Chef will Einbeziehung der Airlines in ETS verschieben (SB)


Flugausfallzeiten wegen Vulkanaschewolke - ein Negativfaktor?

Weil die Lufthansa 2010 relativ geringe CO2-Emissionen verzeichnen wird, fordert ihr Chef ein anderes Basisjahr für das ETS


Am europäischen Emissionshandelssystem (ETS) gibt es sicherlich Grundsätzliches auszusetzen, denkt man an die Ökonomisierung des Klimaschutzes. Aber wenn man es schon zu einem geeigneten Mittel der Reduzierung von Treibhausgasemissionen erklärt, dann sollte man es auch konsequent anwenden und nicht den Fehler wiederholen und den Unternehmen so hohe Emissionsrechte zuerkennen, daß sie überhaupt keine Reduzierungen ihres Energieverbrauchs vornehmen müssen.

Wenn jetzt Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber in der "Welt am Sonntag" [1] mit Blick auf die Umsatzverluste aufgrund des harten Winters in Europa und des Flugverbots wegen der Wolke aus Vulkanasche von der Europäischen Union verlangt, die Fluggesellschaften nicht 2012, sondern ein Jahr später in das ETS einzubeziehen, dann will er seinem Unternehmen den Erwerb von Klimazertifikaten im Wert 30 bis 40 Millionen Euro über die nächsten zehn Jahren ersparen. Die Europäische Union hat nämlich geplant, 2010 als Referenzjahr zu nehmen. In diesem Jahr haben die Luftfahrtgesellschaften aber verglichen mit früheren Jahren einen geringen Schadstoffausstoß - dementsprechend groß wären die Anforderungen, Treibstoff einzusparen, in den Jahren darauf, da der Flugverkehr voraussichtlich wieder zunimmt.

Umgekehrt rechnen Experten für das nächste Jahr mit höheren Flugverkehrszahlen, da sie davon ausgehen, daß der globale Handel wieder stärker wächst. Lufthansa würde also doppelt profitieren, sollte Mayrhubers Vorschlag durchkommen. Apropos profitieren. Die Luftfahrt profitiert in zweifacher Hinsicht gegenüber anderen Verkehrssystemen. Ersten muß der Flugtreibstoff Kerosin nicht besteuert werden, zweitens entfällt die Mehrwertsteuer auf internationalen Flügen.

Abgesehen von steuerlichen Begünstigungen werden den Luftfahrtgesellschaften weitere indirekten Subventionierungen zuteil, beispielsweise durch die für sie kostenlose Anbindung der Flughäfen an andere Verkehrssysteme. Anscheinend macht sich in der Wirtschaft eine Kultur breit, den Staat (sprich: Steuerzahler) immer dann um Hilfe zu bitten, wenn die Gewinne nicht ganz so üppig ausfallen wie gewohnt, und ihn zum Teufel zu jagen, wenn er sie mit Steuern belegen oder Subventionierungen zurücknehmen will. Fehlte nur noch, daß sich die Luftfahrtindustrie so wie die Banken als "systemrelevant" bezeichnet ...

Okay, sie ist systemrelevant - das ist ja das Verhängnisvolle! Die Luftfahrt steht wie kein anderes Verkehrsmittel für das durch Wachstumszwang und Energieverbrauch gekennzeichnete Wirtschaftssystem und gehörte deshalb in die Schranken gewiesen und nicht noch subventioniert, nur weil die "Airlines", wie es in Neudeutsch heißt, ein paar Tage keinen Umsatz machen konnten. Eben weil 2010 niedrigere CO2-Emissionen aufweisen könnte, eignete es sich ganz hervorragend als Basisjahr für ein Emissionshandelssystem, soll mit ihm der Klimaschutzanspruch nicht vollends pervertiert werden.


*


Anmerkungen:

[1] "Wir mussten nie Angst haben", Welt am Sonntag, 30. Mai 2010
http://www.welt.de/die-welt/wirtschaft/article7843619/Wir-mussten-nie-Angst-haben.html

30. Mai 2010