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LAIRE/142: Tory-Führer bricht Wahlzusage - geringere Förderung von Solarstrom (SB)


Systementscheidung

Der britische Premierminister David Cameron wird Einspeisevergütung für Solarstrom nicht erhöhen


Der konservative Spitzenkandidat David Cameron hatte vor einigen Monaten in Großbritannien die Wahl zum neuen Premierminister nur knapp gewonnen. Er war gezwungen, eine Koalition einzugehen, und hat die Liberalen unter Nick Clegg an der Regierung beteiligt. Zu den vielen Wahlversprechen, die Cameron an die Macht brachten, gehört, daß er die Einspeisevergütung für Solarstromproduzenten, die schon frühzeitig diese Technologie installiert haben, erhöhen wollte. Nun hat er es geschafft, aber seine Zusage wieder zurückgenommen.

Seit April dieses Jahres erhalten in Großbritannien die Betreiber von Photovoltaikanlagen, die diese nach dem 15. Juli 2009 installiert haben, eine Einspeisevergütung von 41,3 Pence pro Kilowattstunde elektrischen Strom. Wer dagegen die Pionierarbeit geleistet und vor diesem Datum eine Photovoltaikanlage aufgestellt hat, bekommt nur 9 Pence.

Nun berichtet die britische Zeitung "The Guardian" [1] von einem Antwortbrief Camerons vom März dieses Jahres an einen Wähler, in welchem er bestätigt, daß die Vorschläge der damaligen Labour-Regierung zur Einspeisevergütung jene ungerechterweise bestrafen würden, die zu den frühen Investoren in lokal erzeugte Energie gehören. In einer Regierung der Conservatives würden solche bereits installierten Solaranlagen ebenfalls die höheren Tarife erhalten, sobald sie beschlossen seien.

Nachdem Cameron der Sieg gelungen war, versprach er, daß die Koalition die "grünste Regierung" Großbritanniens wird. Entweder ist der Premier nicht Herr im eigenen Haus, wovon nicht ausgegangen werden kann, oder er wird sein Versprechen brechen. Jedenfalls schloß Energieminister Chris Huhne auf eine entsprechende Anfrage der grünen Abgeordneten Caroline Lucas eine Anhebung der Vergütung für elektrischen Strom aus Photovoltaikanlagen aus.

Die "big society", die Cameron visioniert hat, um das krasse Sparprogramm seiner Regierung durchzuziehen, droht zu scheitern, noch bevor sämtliche Pläne auf dem Tisch liegen. Am 20. Oktober sollen sie bekannt gegeben werden, und dann dürfte sich herausstellen, daß nicht nur die Anhebung der Einspeisevergütung von 9 Pence/kWh gestrichen, sondern umgekehrt auch noch der Tarif von 41,3 Pence/kWh gekürzt wird.

Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise - vielleicht sollte man besser "unter dem Vorwand der Wirtschaftskrise" sagen - geht nicht nur die britische Regierung auf Distanz zu erneuerbaren Energien, die lokal erzeugt werden und somit die Energieerzeugung in die Hände vieler legt. Auch Frankreich hat Pläne zum Ausbau der "grünen" Energie zurückgenommen. Die deutsche Regierung ist sogar bereit, vertragliche Zusagen zu brechen, um keinen Strukturwandel in der Energieversorgung durchzuführen. Sie verlängert die Laufzeiten von Atomkraftwerken, setzt ansonsten auf Kohleverstromung und vernachlässigt den Netzausbau, der für einen Strukturwandel zugunsten der erneuerbaren Energien erforderlich wäre.

Allein an der Tatsache, daß aus der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht einmal die Minimalkonsequenz gezogen wird, die Branche unter strenge staatliche Aufsicht zu stellen, läßt sich ablesen, daß die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien sehr gut damit leben können, daß sie Hunderte Milliarden Euro zur Rettung angeblich systemrelevanter Finanzinstitute verpulvern. Nun behaupten sie, es müsse gespart werden, und bremsen darüber den Boom der erneuerbaren Energien aus.

Das erscheint angesichts des Klimawandels und der Ressourcenverknappung ziemlich unvernünftig zu sein. Bei dieser verbreiteten Einschätzung wird irrtümlicherweise unterstellt, die in Anspruch genommene Vernunft werde auch von den politischen und gesellschaftlichen Funktionsträgern geteilt. Deren Vernunft sieht jedoch anders aus. Regierung und Wirtschaft haben gar kein Interesse daran, daß die Menschen relativ energieautark werden. Dann müßten sich nämlich die Energiekonzerne nach anderen Geschäftsfeldern umzusehen, das heißt Produktionsweisen etablieren, in denen sie weiterhin den von Arbeitern geschaffenen Mehrwert abschöpfen und akkumulieren könnten. Und die Regierung verlöre im Idealfall an Verfügungsgewalt, sollten die Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einer zentralistischen Energieversorgung werden. Wo es weder etwas auszubeuten noch zu administrieren gibt, bedarf es keines Konzerns und keiner Regierung; beide würden überflüssig.

Die britische Regierung will nicht sparen, sondern sie will in bestimmten Bereichen sparen. Dazu trifft sie eine Auswahl und hat sich entschieden, die Einspeisevergütung für Strom aus Photovoltaikanlagen nicht zu erhöhen. Das ist eine Systementscheidung vor dem oben beschriebenen Hintergrund, daß eine relative Energie-Autarkie der Bevölkerung nicht im Interesse von Herrschaft sein kann.


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Anmerkungen:

[1] "David Cameron in U-turn over solar panels", The Guardian, 10. Oktober 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/oct/10/david-cameron-solar-panels

11. Oktober 2010