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LAIRE/162: Endlich haben sie sich gefunden - Nature Conservancy und Dow Chemicals (SB)


US-Naturschutzorganisation legt sich ins gemachte Bett der Chemieindustrie


Sicherlich ist es keine Neuigkeit, daß große Naturschutzorganisationen mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und ihr als Feigenblatt dienen. Die jüngste Kooperationsvereinbarung, die The Nature Conservancy mit dem Chemiekonzern Dow Chemical eingegangen ist, übertrifft allerdings sämtliche negativen Erwartungen. Für zehn Millionen Dollar, verteilt über die nächsten fünf Jahre, erwirbt sich Dow samt Stiftung einen grünen Anstrich durch eine der drei großen US-Naturschutzorganisationen.

Bei einem Treffen im Detroit Economic Club fand Andrew Liveris, Vorsitzender und CEO von Dow Chemicals, wohlfeile, wenngleich unverbindliche Worte für diesen Deal: "Diese Zusammenarbeit hilft uns, neue Herangehensweisen für wichtige globale Aufgaben zu entwickeln. Dabei zeigt sich, daß Umweltschutz nicht nur gut für die Natur ist, sondern auch fürs Geschäft." [1]

Und um's Geschäft dreht es sich schließlich, wenn Nature Conservancy für eine Handvoll Dollar mit dem Rechtsnachfolger des für die Bhopal-Katastrophe verantwortlichen Unternehmens ins Bett steigt. Die Begründung des Chefs von Nature Conservancy, Mark Tercek, für diese Kooperation bleibt vielsagend vage: Man werde strategische, wissenschaftsbasierte Beratung und technische Unterstützung liefern, um einen Beitrag zur Beantwortung von Fragen hinsichtlich des Werts und der Vorteile natürlicher Gebiete auf dem Dow-Gelände oder in seiner Nachbarschaft zu leisten.

Daß sich der Harvard-Absolvent und frühere Manager der Investmentbank Goldman Sachs, die sich an der Finanz- und Wirtschaftskrise eine goldene Nase verdient hat, ausgezeichnet mit dem Chemieboss versteht, sollte nicht erstaunen. Ideologisch zählt Tercek zu jener Natur- und Klimaschutzfraktion, die eine Inwertsetzung, das heißt Kapitalisierung der Natur propagiert, um sie zu erhalten. Typisch für diesen Standpunkt, wonach nur dann etwas vor den unerbittlichen Verwertungskräften des Kapitals geschützt sei, wenn es sich seine Aneignungsmethoden anpaßt, sind Terceks Ausführungen als Co-Autor des Buchs "Carbon Finance: Investing in Forests and Land for Climate Protection" (2009, Yale Center for Business and the Environment).

Das zentrale Ideologem dieser Naturschutzrichtung lautet "Nachhaltigkeit". So verkündete Liveris stolz: "Bei Dow betrachten wir Nachhaltigkeit als ein Adjektiv, und zwar eines, das wir fast allem, was wir machen, beifügen: nachhaltiges Herstellen, nachhaltige Lösungen und nachhaltige Chancen, um laufend die Lebensqualität in unseren Gemeinden und Mitbürgern zu verbessern - heute, morgen, immerdar." [1]

In dieser Auflistung von Adjektiven wurde eine "Kleinigkeit" ausgelassen: nachhaltige Vernichtung von Tier und Mensch. Dow Chemical hat DDT entwickelt, das Anfang der 1960er Jahre in England den Frühling zum Schweigen brachte ("Silent spring"); es hat den chemischen Kampfstoff Napalm hergestellt, den die USA auf die vietnamesische Bevölkerung abwarf, und es hat gemeinsam mit Monsanto das Entlaubungsmittel Agent Orange produziert, das ebenfalls im "Amerikanischen Krieg", wie die Vietnamesen den "Vietnamkrieg" nennen, eingesetzt wurde. 2001 übernahm Dow das Chemieunternehmen Union Carbide. Bei dessen indischem Ableger war am 3. Dezember 1984 ein Tank mit Methylisocyanat explodiert. Eine unsichtbare, geruchslose Giftgaswolke legte sich über die Stadt Bhopal und tötete unmittelbar oder binnen kurzer Zeit 20.000 Einwohner. Hunderttausende Menschen wurden verletzt, viele von ihnen erkrankten chronisch. "Chronisch" könnte man auch als das medizinische Pendant zum ursprünglich aus der Forstwirtschaftl stammenden Begriff "Nachhaltigkeit" bezeichnen.

Aber vielleicht hat sich der Konzern ja fundamental gewandelt und betreibt nun eine gänzlich andere Firmenpolitik als im vorigen Jahrhundert. Dagegen sprechen allerdings ein Dioxinskandal in Midland neueren Datums und der mutmaßliche Import von gesundheitsschädlichen und verbotenen Asbest Chrysotil mit einer Ausnahmegenehmigung nach Europa, wie der WDR berichtete. [2]

Von einem Chemiekonzern, der chemische Substanzen herstellt, die zu schwersten Gesundheitsschäden führen können, ist nichts anderes zu erwarten, als daß er Imagepflege betreibt. Doch daß sich eine Naturschutzorganisation unverhohlen vor den Karren spannen läßt, sollte zumindest jenen Bündnispartnern von Nature Conservancy zu denken geben, denen es bislang wichtig war, sich ungeachtet der auf ihre Standhaftigkeit zurückgehenden finanziellen Nachteile nicht bei der Industrie anheischig zu machen.


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Anmerkungen:

[1] "Dow Chemical Partners With The Nature Conservancy to Improve Sustainablity", Environment News Service (ENS), 24. Januar 2011
http://www.ens-newswire.com/ens/jan2011/2011-01-24-091.html

[2] http://www.wdr.de/tv/diestory/sendungsbeitraege/2010/0222/index.jsp

1. Februar 2011