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LAIRE/191: Fragen zu Aufwand und Verlusten der Energieproduktion - Beispiel Windrad (SB)


Unvollständige Berechnungen der Energieaufwände und -gewinne tragen zur Verschleierung der Verluste bei


Auch der Green New Deal kommt ohne strategische Rohstoffe nicht aus. Als Rettungskonzept für die Krise von Klima, Konjunktur und Kapitalismus gepriesen, läßt er jedoch grundlegende ökologische, gesellschaftliche und physikalische Fragen offen.

Strategische Rohstoffe - dieser Begriff taucht in den letzten Jahren in zwei gesellschaftlich wichtigen Bereichen immer häufiger auf. Zum einen bei der von Politik und Wirtschaft vorangetriebenen Transformation der Gesellschaft von fossilen zu regenerativen Energiegewinnungsformen im Zuge des Green New Deal. Mit ihm werden zwar unter anderem Wind und Sonneneinstrahlung, die regelmäßig frei zur Verfügung stehen, genutzt. Aber dabei kommt man ohne spezifische Vermittlersysteme und damit ohne strategische Rohstoffe aus anderen Ländern nicht aus. Zum anderen bei der Bundeswehr, in deren Weißbuch aus dem Jahre 2006 unverhohlener denn je die militärische Sicherung von Rohstoffen und das Freihalten von Handelswegen als Aufgabe beschrieben wird. In den letzten sechs Jahren hat der deutsche Militärapparat grundlegende Wandlungen erfahren, um dieser Aufgabe effizienter gerecht werden zu können. Die Armee des Staatsbürgers in Uniform wird zu einer Interventionsarmee umgebaut, die global einsetzbar ist, im Zweifelsfall auch zur Sicherung von strategischen Rohstoffen für den Betrieb regenerativer Energiesysteme. Die sollen nach Ansicht der Bundesregierung bis 2022 die Atom- und längerfristig auch die Kohlekraftwerke ersetzen.

Die Deutsche Industrie hat eine "Allianz der Rohstoffsicherung" gegründet, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt, und folgt damit dem Bundeswirtschaftsministerium, das im Oktober 2010 seine Rohstoffstrategie zur "Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen" vorgestellt hat. Die Rohstoffsicherung dient auch dem Green New Deal.

Lithium für Akkumulatoren, Neodym für die Starkmagneten der Windräder und Elektromotoren, Palladium für Katalysatoren, Kobalt für Akkumulatoren und Katalysatoren ... die Liste an bislang unverzichtbaren Rohstoffen für das gesamte Spektrum an erneuerbaren Energien ist lang. Bei der von Anhängern der Photovoltaik verbreiteten Vorstellung, Wind- und Sonnenenergie könne ganz einfach in Deutschland eingefangen und sogleich vor Ort verbraucht werden, wird der Aspekt der Rohstoffabhängigkeit der Energiesysteme ebenso vernachlässigt wie die Externalisierung der gewaltigen Umweltverschmutzungen im Rahmen des Rohstoffabbaus. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die regenerativen Energiesysteme, sondern grundsätzlich für die deutsche Hightech-Industrie und den vergleichsweise hohen Lebensstandard in Deutschland - aber eben auch für eine Energienutzung, die von ihren Anhängern als umweltfreundlich und sauber gepriesen wird.

Wichtiger noch: Voraussetzung für die Erzeugung regenerativer Energien ist eine Pyramide an Verlusten, die sich zwar anders zusammensetzt als die Verlustpyramide der fossilen Energieträger, aber im Prinzip ähnlich aussieht. Um beispielsweise die seltene Erde Neodym zu gewinnen, die für Windkraftgeneratoren verwendet wird, muß zunächst eine vielfache Menge an Material bewegt werden. Mit Maschinen, die eigens zu diesem Zweck gebaut werden, bedient von Menschen, die womöglich ein ganzes Berufsleben lang nichts anderes machen und für die Herstellung des Windrads unverzichtbar sind. Für all diese Funktionen ist ein großer energetischer Aufwand erforderlich, der den Sockel der Verlustpyramide bildet. Auf der nächsten Ebene kommt die Zerkleinerung des Materials, danach die chemische Trennung in erwünschte und unerwünschte Bestandteile und seine Aufbereitung.

Ebene für Ebene in der Weiterverarbeitung, bis der Starkmagnet aus Neodym fertiggestellt ist, von China nach Europa transportiert und hier in ein Windrad eingebaut wurde, das ebenfalls transportiert und aufgestellt werden muß, entstehen dermaßen hohe energetische Gesamtaufwendungen, wie sie das Windrad in seiner auf durchschnittlich 20 Jahre angesetzten Betriebszeit gar nicht produzieren kann. Zumal für jeden Bestandteil der Anlage, ebenso wie für die Herstellung von Maschinen, die für Produktion spezifischer Teile des Windrads unverzichtbar sind, sowie für die Netzanbindung der Anlagen,die Wartung und schließlich Rückbau und Recycling ähnliche Verlustrechnungen aufgestellt werden können, die sich allesamt aufsummieren. So stellt sich die Frage, ob nicht in den bislang in Umlauf gebrachten Studien, die den Windrädern einen hohen energetischen Mehrwert im Verhältnis zu ihrer Herstellung attestieren, wichtige technologische, ökologische und soziale Verlustbestandteile der Pyramide weggelassen werden zwecks leichterer Berechenbarkeit der zweifelsohne äußerst weit verzweigten kumulativen Effekte.

Ein einfaches Beispiel: Verluste durch Umweltverschmutzungen. Das weltgrößte Abbaugebiet für Neodym befindet sich im nordchinesischen Baotou. Dort liegt das Element zusammen mit anderen seltenen Erden sowie den radioaktiven Elementen Uran und Thorium vor. Die Anwohner des riesigen Abbaugebiets mit seinen rundum angegliederten Fabriken leiden gesundheitlich schwer unter der Verwertung der Rohstoffe unter ihren Füßen. Dadurch und durch viele weitere Umweltfaktoren entstehen abgesehen von den durch nichts aufzuwiegenden menschlichen und gesundheitlichen auch reale energetische Verluste. Beispielsweise durch den Arztbesuch der Geschädigten. Alles in allem scheinen die Aufwände den Ertrag deutlich zu übersteigen. Es werden offenbar riesige Verluste produziert, die hinter einem partiellen Gewinn - das Windrad dreht sich und produziert hierzulande vermeintlich sauberen elektrischen Strom - versteckt werden.

Vertreter der klassischen Energiewirtschaft wie auch des Green New Deal behandeln den Widerspruch der Verlustpyramide, an deren Spitze die von ihnen jeweils favorisierte Energieform steht, entweder gar nicht oder nicht mit der gebotenen Konsequenz, und rücken selbst das noch offensichtlichere Problem der externalisierten Umweltverschmutzungen in den zweiten Rang. Eine vermeintliche Nebensache, über die dann der Schleier ethischer Standards gelegt wird, unter dem die Betroffenen weiter ihr Leben lang schuften dürfen, ohne daß sie jemals die Chance erhielten, auch nur annähernd eine Lebensqualität in Anspruch nehmen zu können wie die Nutznießer der von ihnen aus der Erde oder dem Berg geholten und andernorts weiterverarbeiteten Rohstoffe.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Hier wird nicht die verkürzte, von Profitinteressen motivierte Sicht der Erdölkonzerne und anderer Windkraftgegner wiedergegeben. Es geht nicht darum, Windräder im Vergleich zu anderen Energiesystemen madig zu machen. Entsprechende Rechnungen lassen sich gleichermaßen für Solarmodule oder Atom-, Gas- und Kohlekraftwerke, etc. aufstellen. Es geht vielmehr darum aufzuzeigen, daß erstens auch die regenerativen Energien nicht "sauber" sind (auch wenn sie den Vorteil haben, daß durch sie keine oder kaum radioaktive Partikel freigesetzt werden im Unterschied zu Atom- und auch Kohlekraftwerken sowie erdölbetriebenen Anlagen, die NORM-Partikel verbreiten), daß zweitens bei einer militärischen Sicherung der Rohstoffe immer auch das Privileg, Umweltverschmutzungen in ferne Weltregionen auslagern zu können, durchgesetzt wird, und drittens, am folgenschwersten, daß durch die Produktion von Energie große Verluste erzeugt werden. Man könnte auch sagen, daß das Umwandlungsergebnis eines "Energieträgers" weniger Energie enthält als seine Ursprungsform. Exergie wäre somit immer weniger als Energie.

17. Januar 2012