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LAIRE/216: Dicke Luft und dreckiges Wasser - Der Druck auf die Griechen wächst (SB)


Wachsende Umweltprobleme in Griechenland

Luftverschmutzung, illegaler Holzeinschlag und Ausbau der Goldgewinnung



Die Lebensverhältnisse in Griechenland verschlechtern sich zusehends. Drastische Sparmaßnahmen der Regierung bei Sozial- und Gesundheitsprogrammen sowie im öffentlichen Sektor und gleichzeitig eine Erhöhung der Steuerlast, damit der Staat die Schulden bei seinen Schuldherren begleichen kann, zwingen die Menschen zu empfindlichen Notmaßnahmen. So mußten in diesem Winter viele Griechen auf ihre Ölheizung verzichten, nachdem die Regierung trotz der jahrelangen Rezession die Heizölpreise angehoben hatte. Daraufhin sind viele Einwohner auf Holzfeuer umgestiegen, was zur Folge hat, daß der illegale Holzeinschlag weiter zunimmt und die Luft über Großstädten wie Athen und Thessaloniki wieder so schadstoffbelastet ist wie bei den berüchtigten sommerlichen Inversionswetterlagen, bei denen der vertikale Luftaustausch zum Erliegen kommt.

Blick von der Akropolis aus, Stadt unter einer Dunstglocke - Foto: Karol M, freigegeben als CC-BY-2.0 Generic via WikimediaCommons

Smog über Athen, 28. September 2008
Foto: Karol M, freigegeben als CC-BY-2.0 Generic via WikimediaCommons

Noch sind die Wälder nicht akut bedroht, sagte bereits vor einem Jahr Nikos Bokaris, Sprecher der Panhellenischen Union der Forstwirtschafter, laut einem AFP-Bericht [1]. Er warnte jedoch, daß sie gefährdet sind, und verwies auf Albanien, wo die Menschen nach dem Ende des Kommunismus aus der Not heraus ebenfalls viele Bäume gefällt haben und selbst Straßenränder nicht vor den illegalen Holzschlagaktivitäten gefeit gewesen waren.

Seit Bokaris' Warnung hat sich die finanzielle Lage der Griechen weiter verschlechtert, und die Energiekosten sind gestiegen. Inzwischen werden vermehrt alte Möbel, Fensterrahmen, Paletten und lackierte Bretter, die beim Verbrennen giftige Gase abgeben, verheizt. In diesem Winter hat die Zahl der Holzfeuer in Griechenland so stark zugenommen, daß die Behörden Smogalarm ausrufen mußten, meldete der Deutschlandfunk (DLF) im Februar. [2] Die Grenze der erlaubten Luftverschmutzung liegt in Griechenland bei 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter. Der Umweltwissenschaftler Kostas Fitianos von der Universität Thessaloniki hat laut DLF jedoch Werte von über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter für Athen und Thessaloniki gemessen.

Die Ärztekammer in Athen appellierte eindringlich an die Regierung, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Die Luftverschmutzung habe "bedrohliche Dimensionen" angenommen und setze "das Leben von Millionen Bürgern Gefahren aus", meldete Spiegel Online. [3] Der Smog kann akute Atemwegsbeschwerden auslösen und chronische Erkrankungen der Lunge und Atemwege verstärken. Besonders gefährdet sind Kinder, chronisch Kranke und ältere Menschen. Wegen der gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen und der krassen Unterversorgung der Krankenhäuser, die dazu übergegangen sind, nur noch Notfälle zu behandeln, müssen immer mehr Patienten auf eine medizinische Behandlung verzichten. Das betrifft auch Menschen, die aufgrund des Smogs Beschwerden haben.

Nachdem Griechenland einige Jahre vom EU-Beitritt profitiert hatte, wird es inzwischen zu einem Entwicklungsland herabgewirtschaftet, wobei Premierminister Andonis Samaras und sein Kabinett kaum eine Entscheidung treffen, die nicht letztlich auf das Spardiktat von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zurückzuführen ist.

Eine typische Begleiterscheinung von Armutsländern ist die Verelendung der Menschen, die tagtäglich damit befaßt sind, ihr Überleben zu sichern. Da wird Umweltschutz zu einem Luxus, den sich kaum jemand leisten kann. Viele Griechen werden inzwischen vor die Wahl gestellt, giftiges Sperrmüllholz zu verbrennen oder zu frieren.

Und was sagt die Bundesregierung dazu? "Griechenland hat weiterhin mit erheblichen Umweltproblemen zu kämpfen. Belange des Umwelt- und Naturschutzes dringen nur langsam in das Bewusstsein der Öffentlichkeit vor", heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts. [4] Solche Formulierungen wecken Erinnerungen an eine Zeit wach, als deutsche Kolonialisten in Afrika den "Primitiven" die Segnungen des Fortschritts der vermeintlich überlegenen weißen Herrenrasse bringen wollten.

Was das Auswärtige Amt unter "langsam" versteht, geht aus der als "Basisinformation" ausgewiesenen Länderbeschreibung nicht hervor, aber die obige Erklärung steht im klaren Widerspruch zu den jüngsten Demonstrationen in Thessaloniki gegen den umweltzerstörenden Goldabbau. Mehr als 10.000 Menschen waren am vergangenen Samstag auf die Straße gegangen, um friedlich gegen die geplanten Bergbauaktivitäten von Hellas Gold, einer Tochter der Eldorado Gold Corp. aus Vancouver in Kanada, zu demonstrieren.

In den Menschen wächst der Zorn. Seit langem wehren sie sich gegen die Goldgewinnung in ihrer Heimatregion. Früher waren die Proteste nicht immer friedlich verlaufen. Erst im Februar war eine bei dem Dorf Skouries, östlich von Thessaloniki auf der Halbinsel Chalkidiki gelegene Eldorado-Goldmine von etwa 40 Vermummten angegriffen worden. Sie setzten Einrichtungen in Brand und richteten einen Schaden von etwa einer Million Euro an. [5] Und 2012 kam es in einem Wald zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei, die Plastikgeschosse, Tränengas und Schlagstöcke einsetzte. Da sollte den Demonstrierenden wohl das Umweltbewußtsein nicht ein-, sondern herausgeprügelt werden.

Foto: Philly boy92, Collage freigegeben als CC BY 2.0 (links) und CC BY 3.0 (rechts) via WikimediaCommons

Proteste in Griechenland 2010 (links) und 2011 (rechts)
Foto: Philly boy92, Collage freigegeben als CC BY 2.0 (links) und CC BY 3.0 (rechts) via WikimediaCommons

Die Proteste richten sich vor allem gegen die Umweltverschmutzungen aus der Goldgewinnung, aber nicht nur. Auch korrupte Politiker sorgen für Unmut. Denn Eldorado, das mehrere Bergbaukonzessionen für Griechenland besitzt, hat die Abbaurechte für Gold auf der Halbinsel Chalkidiki zu einem Spottpreis erhalten und will ab dem Jahr 2015 den Tagebau aufschließen, wie der "Houston Chronicle" berichtete. [6]

Chalkidiki ist eine attraktive Touristenregion. Die örtliche Fremdenverkehrswirtschaft muß damit rechnen, daß die Zahl der Besucher zurückgeht, sobald das Edelmetall aus dem Fels gelöst wird. Bei der Goldgewinnung werden in der Regel umweltschädliche Chemikalien eingesetzt; außerdem ist mit einer Staubbelastung der Umgebung zu rechnen. Die Skouries-Mine liegt inmitten eines großen Waldes, von dem schon 180 Hektar gerodet wurden.

Vor kurzem demonstrierten in Chalkidiki auch etwa 3000 Personen für die Goldmine. Das zeigt, daß der Goldabbau die Region spaltet. Das Für und Wider zieht sich quer durch die Familien. Auch die Befürworter wissen von der Umweltproblematik der Goldgewinnung, doch wenn die Aussicht besteht, bei einer Arbeitslosigkeit von über 24 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent einen Job zu ergattern, werden eben Einbußen der Lebensqualität und selbst Gesundheitsgefahren in Kauf genommen.

Die Proteste gegen den Gold- und Kupferabbau in Griechenland reichen schon Jahrzehnte zurück, was dem Auswärtigen Amt offenbar entgangen ist. Das ist nicht zuletzt deshalb merkwürdig, weil Deutschland als führende Wirtschaftsnation der Europäischen Union und einflußreiches Mitglied des IWF einen erheblichen Einfluß auf die Konsolidierungsversuche des griechischen Staatshaushalts ausübt. Daher ist es höchst unwahrscheinlich, daß eine vor zwei Jahren getroffene Entscheidung der griechischen Regierung an den Argusaugen der deutschen Finanzexperten vorbeigegangen sein sollte. Ab dem Jahr 2011 wird ausländischen Investoren in Griechenland ein Schnellzugriff auf Projekte von nationaler Bedeutung, zu denen auch die Goldminen gezählt werden, eingeräumt. [7] Es gibt wohl in der ganzen Welt keinen Bergbau, bei dem es nicht zu spürbaren Umweltbelastungen kommt.

Die neue Regierung Griechenlands habe ein Umweltministerium geschaffen und lege einen Schwerpunkt auf "grüne Politik", berichtete das Auswärtige Amt. Nun, eben jenes Ministerium für Umwelt, Energie und Klimawandel (YPEKA) hat den Zugriff der Investoren auf griechische Rohstoffe sogar noch beschleunigt! Das dringt wohl nur sehr langsam ins Bewußtsein des Auswärtigen Amts ...

In Griechenland herrscht bereits das fünfte Jahr hintereinander Rezession. Für die meisten Einwohner haben sich etwaige Vorteile aus dem EU-Beitritt und der späteren Übernahme des Euro ins Gegenteil verkehrt. Der Durchschnittslohn ist seit Beginn der Wirtschaftskrise um 38 Prozent gesunken, und man kann davon ausgehen, daß die Arbeiter mehr denn je bereit sind, auch gesundheitlich ruinöse Arbeitsbedingungen klaglos zu akzeptieren.

Die wachsenden Umweltprobleme aufgrund der vermehrten Holzfeuer und des Abholzens von Bäumen sowie die Bergbaufolgeschäden fallen gegenüber den akuten existentiellen Nöten der Hellenen sicherlich kaum ins Gewicht. Wenn in einem Land wie Griechenland die Suizidrate rasant steigt und Menschen ihre lebensnotwendigen Medikamente nicht mehr bezahlen können, wenn die Obdachlosigkeit um sich greift und umgekehrt den Banken Häuser und Grundstücke wie reife Früchte in den Schoß fallen, dann sind für einen Großteil der Bevölkerung Umweltprobleme vermutlich das kleinere Übel. Aber sie bleiben dennoch Übel. Griechenland könnte Vorreiter für eine Europäische Union werden, die in ihrem globalen Ringen um Vorherrschaft den Menschen frühindustrielle Lebenswirklichkeiten mit ihren verheerenden Arbeits- und Umweltbedingungen beschert.


Fußnoten:

[1] http://www.terradaily.com/reports/Greeks_fell_trees_for_warmth_amid_economic_chill_999.html

[2] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/1999516/

[3] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-krise-griechische-aerzte-schlagen-alarm-wegen-luftverschmutzung-a-875429.html

[4] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Griechenland/Wirtschaft_node.html

[5] http://www.welt.de/wall-street-journal/article113825536/Griechenlands-verzweifelter-Kampf-um-eine-Goldmine.html

[6] http://www.chron.com/news/article/Thousands-of-Greeks-protest-planned-gold-mine-4341709.php

[7] http://www.vancouversun.com/business/story.html?id=7981050

13. März 2013