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LAIRE/241: Fracking statt Vorsorge (SB)


Neue US-Studie macht auf große Lücken im Wissen um die potentielle Schädlichkeit vieler Frackfluid-Substanzen aufmerksam



Eine neue Studie aus den USA kommt zu dem Schluß, daß die beim sogenannten Fracking verwendeten Chemikalien keineswegs so harmlos sind, wie die Erdöl- und Erdgasindustrie behauptet. Bei rund einem Drittel der untersuchten fast 200 üblicherweise in Frackfluiden verwendeten Substanzen weiß man wenig über ihr potentielles Gesundheitsrisiko; und acht Substanzen sind für Säugetiere toxisch, berichteten die Forscher am Mittwoch auf der 248th National Meeting & Exposition of the American Chemical Society (ACS). Die Amerikanische Chemische Gesellschaft ist eine vom US-Kongreß eingerichtete Nonprofit-Organisation und eigenen Angaben zufolge mit über 161.000 Mitgliedern die größte wissenschaftliche Gesellschaft der Welt.

Laut einer Pressemitteilung der ACS [1] will Studienleiter Dr. William Stringfellow vom Lawrence Berkeley National Laboratory und der University of the Pacific Klarheit in die öffentliche Debatte über das umstrittene Fracking bringen. Bei dieser Methode der Gas- und Erdölförderung wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in tiefe Gesteinsschichten gepreßt, um die dort vorliegenden fossilen Energieträger Erdöl oder Erdgas herauszulösen.

Manche Kritiker des Frackings behaupten, daß die Industrie Tausende giftiger Substanzen verwendet. Die Unternehmen wiederum erklären, daß es sich bei den Chemikalien um harmlose Lebensmittelzusätze handelt. Stringfellow und seine Forschergruppe wollten wissen, was es wirklich mit den Chemikalien auf sich hat. Zu der Liste an untersuchten Substanzen gehören auch Geliermittel zum Verdicken der Frackfluide, Biozide zur Eindämmung der Mikrobenvermehrung, Spezialsand, der die feinen Risse offenhalten soll, und Antikorrosionsmittel.

Was die Forscher herausgefunden haben, gilt genauso für die hiesige Erdgas- und Erdölindustrie. Auch sie setzt die Methode des Frackings ein, benutzt Chemikalien für die genannten Anwendungszwecke und stellt sie als harmlos dar. Beispielsweise wird bereits in unmittelbarer Nähe des Barther Boddens - eine einzigartige Naturlandschaft an der vorpommerschen Ostseeküste - in einem Probeverfahren gefrackt bzw. laut dem Unternehmen "hydraulisch stimuliert". Wobei es sich "ausschließlich um Zusätze" handeln soll, "die auch in der Lebensmittelproduktion und im Haushalt verwendet werden". [2]

Daß selbst solche Substanzen nicht so harmlos sind, hat der Schattenblick verschiedentlich beschrieben. [3] Die Autoren der neuen US-Studie raten dazu, daß die von ihnen entdeckte "Lücke im Wissen" über die potentielle Schädlichkeit von rund einem Drittel der untersuchten Substanzen geschlossen wird. "Das sollte Priorität haben", so Stringfellow.

Dem wäre an dieser Stelle hinzuzufügen, daß es nicht genügt, nur die Wissenslücken zu schließen, wollte man verhindern, daß Mensch und Umwelt geschädigt werden. Die Namen der potentiell toxischen Substanzen wurden bislang nicht bekanntgeben, aber allein die Tatsache, daß beim Fracking umwelt- und gesundheitsschädigende Chemikalien freigesetzt werden, widerspricht dem Vorsorgeprinzip.

Das Umweltbundesamt schreibt dazu, daß das Vorsorgeprinzip verhindern soll, "dass Gefahren für die Umwelt überhaupt erst entstehen. Das Vorsorgeprinzip leitet uns also dazu an, frühzeitig und vorausschauend zu handeln, um Belastungen der Umwelt zu vermeiden. (...) Risikovorsorge bedeutet, bei unvollständigem oder unsicherem Wissen über Art, Ausmaß, Wahrscheinlichkeit sowie Kausalität von Umweltschäden und -gefahren vorbeugend zu handeln, um diese von vornherein zu vermeiden." [4]

Angesichts der vielen umwelttoxischen Freisetzungen im Zusammenhang mit Fracking in den USA und der Pläne der Bundesregierung, diese Fördermethode unter bestimmten Bedingungen auch in Deutschland zuzulassen (was in Form der "hydraulischen Stimulierung" längst geschieht), muß man wohl davon ausgehen, daß das bereits 1992 in der Rio-Deklaration formulierte Vorsorgeprinzip diesseits wie jenseits des Atlantiks recht freizügig interpretiert wird. Es ist klar, daß selbst unter den angeblich strengen Auflagen der Bundesregierung die allgemein als Fracking beschriebene Fördermethode eine Risikotechnologie darstellt. Abgesehen von der Gefahr, daß im Rahmen der Erdöl- und Erdgasförderung Erdbeben ausgelöst werden, kann eine chemische Kontamination der grundwasserführenden Schichten nicht ausgeschlossen werden.

Das sicherste und umweltfreundlichste Fracking ist das, das gar nicht durchgeführt wird. Das wirft natürlich keinen Profit ab, der sich aneignen ließe, und darum geht es vornehmlich im Wirtschaftsmodell der USA, Deutschlands und auch der Europäischen Union, die zur Zeit ein Freihandelsabkommen mit dem Fracking-Land Nr. 1 aushandelt. Darin wird es voraussichtlich auch um die Bedingungen gehen, nach denen Erdöl- und Erdgasgesellschaften in Deutschland und anderen Mitgliedsländern der Union das Gestein im Untergrund aufsprengen, damit sie weiterhin ihre Geschäfte mit den fossilen Energieträgern machen können. Nach dem Vorsorgeprinzip dürfte so ein Abkommen niemals geschlossen werden, könnte doch damit den Unternehmen das Recht zugesprochen werden, Fracking auf dem Klageweg durchzusetzen oder aber zu Lasten der Steuerzahler eine hohe Entschädigungssumme zu kassieren.


Fußnoten:

[1] http://www.acs.org/content/acs/en/pressroom/newsreleases/2014/august/a-new-look-at-whats-in-fracking-fluids-raises-red-flags.html

[2] http://www.cepetro.de/infothek/articles/testfoerderung.html

[3] Siehe Fußnote [1] unter:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0141.html
und ein ausführlicher Bericht unter:
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula277.html

[4] http://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltrecht/umweltverfassungsrecht

14. August 2014