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LAIRE/248: G7-Gipfel in Elmau - Vorwand Klimaschutz (SB)


Einige Anmerkungen zu den klimapolitischen Ergebnissen des G8- Gipfels ohne Rußland am 7./8. Juni 2015 in Elmau


Wir versprechen, daß wir etwas versprechen wollen, und dieses Ziel bekräftigen wir ausdrücklich ... lautet das klimapolitische Ergebnis eines zweitägigen, 350 Millionen Euro teuren Events, das die G7-Staatsführer "nach wirklich harten Verhandlungen" (Zitat Merkel) zustandegebracht haben.

Doch beließe man es bei der Kritik an solch kreideweichen, unverbindlichen Worten, die an den beiden Gipfeltagen über alle Maßen nicht nur hinsichtlich der Klimaschutzpolitik inmitten der indigenen, pittoresk gekleideten Einheimischen ventiliert wurden, würde man die Offensive übersehen, zu der sich die führenden Industrienationen verabredet haben - nur daß sich diese nicht gegen den Klimawandel, sondern gegen den Rest der Welt richtet. Der wird "eingeladen", sich den Industrienationen beim mutmaßlichen Kampf gegen den Klimawandel und dem Umbau der Energiesysteme "anzuschließen", wie es in dem Abschlußdokument heißt. [1]

Beim Klimaschutz haben sich die G7-Staaten im wesentlichen zu dem bekannt, wozu sie sich auch früher schon bekannt haben, nämlich einer Reduzierung der anthropogenen Treibhausgasemissionen und der Einhaltung des sogenannten Zwei-Grad-Ziels (wurde bereits im Dezember 2010 beim Klimagipfel in Cancún, der Conference of the Parties, COP 16, vereinbart) sowie der Bereitstellung von Finanzhilfen in Höhe von 100 Mrd. Dollar jährlich ab dem Jahr 2020 für Klimaanpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern (siehe COP 18, Doha 2012). Diese Gelder werden jedoch nicht in die Hand genommen und den ärmeren Ländern übergeben, damit sie nach eigenem Gutdünken darüber verfügen können, sondern sie bilden ein Sammelbecken, in das alle möglichen privaten Investitionen einfließen sollen. So heißt es in der Arbeitsübersetzung der Abschlußerklärung des G7-Gipfels:

"Wir bekräftigen unsere feste Zusage zur Vereinbarung von Kopenhagen [Anm. d. SB-Red.: COP 15, Kopenhagen 2009] im Rahmen bedeutsamer Minderungsmaßnahmen und Transparenz bei der Umsetzung bis 2020 gemeinsam jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus einer Vielzahl sowohl öffentlicher als auch privater Quellen aufzubringen."

Was hier noch den Eindruck erweckt, es gehe um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Mitteln, wird später dahingehend zu der Aussage zugespitzt, daß die Privatwirtschaft "entscheidend" sei:

"Um diese Zusage zu erreichen und die nötigen Investitionen in kohlenstoffarme Technologien sowie in die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu mobilisieren, ist auch das Aufbringen von Mitteln aus der Privatwirtschaft entscheidend."

Jene "privaten Quellen" an sich werden jedoch nicht weiter definiert, so daß es der Spekulation überlassen bleibt, um was es sich dabei handeln könnte. Einen Anhaltspunkt dafür bietet das Klimaschutzinstrument des Handels mit Emissionszertifikaten, das es einem Unternehmen beispielsweise ermöglicht, sich mit Investitionen in die Energie-Infrastruktur ärmerer Länder von der Senkung der eigenen Treibhausgasemissionen freizukaufen. Das kann der Bau von Windrädern, Solarparks, aber auch Biomasse- und Geothermie-Einrichtungen oder gar Kohlekraftwerken sein, solange diese nur etwas weniger "schmutzig" sind, als sie es sein könnten.

Weiter heißt es in dem Abschlußdokument: "Zur Überwindung bestehender Investitionshindernisse werden Finanzierungsmodelle mit hohem Mobilisierungseffekt benötigt." Hinter solchen Formulierungen steckt das Anliegen der Industriestaaten, in den anderen Ländern einen erneuten Anlauf zur Privatisierung und Deregulierung, also zur Beseitigung von Vorkehrungen gegen eben solche Angriffe unter anderem seitens des internationalen Finanzkapitals, zu nehmen.

Während also die US-Notenbank am laufenden Band Dollar druckt, was Volkswirte bereits "als das größte Schneeballsystem in der Geschichte" bezeichnen [2], die Europäische Zentralbank (EZB) den Euro so billig anbietet wie nie [3] und der japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda nach seinem Amtsantritt im April 2013 das Volumen des Gelddruckprogramms seines Vorgängers verdoppelt hat [4], werden US-Hedge Fonds und andere Finanzkonstruktionen mit sehr viel billigem Geld ausgestattet, das sie selbstverständlich verzweifelt anzulegen versuchen, bevor es seinen Wert verliert.

Aus diesem Grund drängen die G7-Staaten darauf, daß die afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Länder ihre Handelsschranken abbauen und das global vagabundierende Finanzkapital ins Land lassen, auf daß es sich die lukrativsten Schnäppchen einverleiben möge, nur um weiter mit Geldmitteln aufmunitioniert zu werden und den Raubzug fortzusetzen. Dafür kommt der Klimawandel den Industriestaaten gerade recht, verspricht er doch Anlagemöglichkeiten, die den unabwendbaren Kollaps des blasenbildenden Wirtschaftssystems etwas hinauszögern.

Dazu ist auch das von einigen Umweltschützern gelobte Bekenntnis der G7 zur Dekarbonisierung der Wirtschaft noch in diesem Jahrhundert zu zählen, droht doch mit der Kohlenstoffblase (carbon bubble) die nächste Spekulationsblase zu platzen. Die fossile Energiewirtschaft steht vor dem Ruin.

Aber die Konfliktlinie verläuft nicht nur zwischen den Ländern des Nordens und des Südens. Mit den geplanten Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TPP sowie dem Dienstleistungsabkommen TISA [5] werden auch in den Industriestaaten öffentliche Güter in die Hände privater Unternehmen gespielt - und internationale Schiedsgerichte, die sich aus Vertretern der Privatwirtschaft zusammensetzen und die demokratische legitimierte Rechtspraxis unterminieren, werden diesen Raubzug legalisieren.

Nicht nur, aber eben auch hinsichtlich der Klimapolitik erweisen sich die Gipfelversprechungen von Elmau als unausgesprochenes Bekenntnis zur Privatwirtschaft. Letztlich wird der Klimawandel benutzt, um mit den absehbaren Schadensfolgen, die eine globale Erwärmung auch nur um zwei Grad über dem vorindustriellen Wert mit sich bringt, noch Geschäfte machen zu können. Beispielsweise durch den Verkauf von Versicherungspolicen. So heißt es in dem Abschlußbericht: "Wir werden darauf hinwirken, die Anzahl der Menschen in den gefährdetsten Entwicklungsländern, die Zugang zu direkten oder indirekten Versicherungsleistungen gegen die negativen Auswirkungen von durch den Klimawandel verursachten Gefährdungen haben, bis 2020 um bis zu 400 Millionen zu erhöhen."

Im Annex zum Abschlußbericht des G7-Gipfels wird das Geschäftsinteresse noch unverhohlener ausgedrückt, wenn es dort im Kapitel "Klimapolitik" zur "Zielsetzung" der Initiative heißt, daß das "übergeordnete Ziel der G7-Initiative" darin besteht, "die Schaffung wirksamer Lösungen für die Absicherung von Klimarisiken und entsprechender Versicherungsmärkte sowie die kluge Verwendung von Versicherungsmodellen für gefährdete Menschen und Vermögenswerte in armen und schutzbedürftigen Entwicklungsländern zu fördern". [6]

Damit die Menschen in den wirtschaftlich ärmeren Ländern gar nicht erst auf die Idee kommen, diese "Unterstützung" als das zu erkennen, was sie ist, nämlich als puren Zynismus, da die Industriestaaten, anstatt zu vermeiden, daß in den Ländern des Südens ein gravierender Klimawandel eintritt, den Menschen Versicherungspolicen verhökern, setzen sich die G7-Staaten laut dem Annex für "bewusstseinsbildende Maßnahmen zur Förderung der Versicherbarkeit" in diesen Ländern ein.

Die häufiger auf dem Gipfel bemühte "Innovation" von Klimaschutzmaßnahmen besteht vor allem darin, daß ausländisches Kapital in Entwicklungsländern Fuß fassen kann:

"Die Initiative wird innovative Instrumente beinhalten und bestehende erfolgreiche Programme ausbauen, darunter u.a. die Globale Innovationswerkstatt für Klimafinanzierung (Global Innovation Lab for Climate Finance), das die Ermittlung und Steuerung innovativer Klimafinanzinstrumente mit dem Ziel unterstützt, private Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Entwicklungsländern zu fördern."

Was den Hegemonialanspruch der G7-Staaten betrifft, so wird im Annex zur Elmauer Abschlußerklärung unumwunden erklärt, daß man eine Koordinationsfunktion beim Um- und Aufbau der afrikanischen Energie-Infrastruktur beansprucht:

"Unterstützt von dem politischen Bekenntnis der G7 in Elmau, die Bemühungen zur Beschleunigung der Entwicklung sauberer Energie in Afrika zu koordinieren, werden die Afrikanische Union, der französische Vorsitz der 21. Vertragsstaatenkonferenz und der deutsche Vorsitz der G7 in Abstimmung mit anderen G7-Partnern einen gemeinsamen Plan für weitere Maßnahmen ausarbeiten."

Ein solcher Führungsanspruch richtet sich direkt gegen China, das sein Handelsvolumen mit Afrika von derzeit 200 Milliarden Dollar jährlich bis zum Jahr 2020 verdoppeln will und in zahlreichen Ländern des Kontinents in vielerlei Hinsicht längst die Führung übernommen hat. Die klimapolitischen Ergebnisse des G7-Gipfels von Elmau sind mehr als nur heiße Luft. Sie sind Ausdruck und zugleich Bestandteil eines ziemlich verzweifelten Rettungsversuchs des angeschlagenen Wirtschaftssystems durch die Flucht in den verheißungsvollen grünen Kapitalismus.


Fußnoten:

[1] https://www.g7germany.de/Content/DE/_Anlagen/G8_G20/2015-06-08-g7-abschluss-deu.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[2] http://www.finanztip.de/baufinanzierung/zinsprognose/

[3] http://www.zeit.de/2015/23/geldpolitik-ezb-streitfall-faigle

[4] http://www.teleboerse.de/devisen/Yen-Tiefschlaege-heizen-Nikkei-Rally-an-article15223051.html

[5] TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft)
CETA - Comprehensive Economic and Trade Agreement (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen)
TPP - Trans-Pacific Partnership (Transpazifische Partnerschaft)
TISA - Trade in Services Agreement (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen)

[6] https://www.g7germany.de/Content/DE/_Anlagen/G8_G20/2015-06-08-g7-abschluss-annex-deu.pdf?__blob=publicationFile&v=4

9. Juni 2015


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