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LAIRE/256: Fracking-Industrie löst schweres Erdbeben aus (SB)


Erdbebenserie in Oklahoma erreicht vorläufigen Höhepunkt

Behörden ordnen Schließung von Bohrlöchern der
Fracking-Abwasserentsorgung an

Deutschland für Fracking unter Einschränkungen


In Nordamerika weht den Unternehmen, die mittels Frackings nach Erdöl und Erdgas bohren, nach einer ungetrübten Boomperiode hin und wieder ein schärferer Wind ins Gesicht. Gesundheitsgefährdende Emissionen, Verseuchung des Grundwassers, klimaschädliche Methanausgasungen und nicht zuletzt das Auslösen von Erdbeben zählen zu den typischen Schadensfolgen der Fördermethode der hydraulischen Frakturierung. Anscheinend üben sich die Unternehmen nun in einer Flucht nach vorn. Mittels der Freihandelsabkommen CETA und TTIP wollen sie auch in Europa Fuß fassen und ihr höchst umstrittenes Werk fortsetzen.


Luftbildaufnahme von Landschaft, übersät mit Bohrstellen und ihren Zufahrtswegen - Foto: Peter Aengst / The Wilderness Society, freigegeben als CC-BY-SA-4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en] via Wikimedia Commons

Typische Fracking-Landschaft - Jonah-Gasfeld in Wyoming Foto: Peter Aengst / The Wilderness Society, freigegeben als CC-BY-SA-4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en] via Wikimedia Commons

Vereinfacht gesagt wird beim Fracking eine gas- oder erdölführende Gesteinsschicht horizontal angebohrt. Mittels einer bis ans vordere Ende der Bohrstange hinabgelassenen Perforationskanone werden viele kleine Löcher in das Gestänge und weiter in das umgebende Gestein geschossen. Dann wird ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Sand unter hohem Druck in das Bohrloch gedrückt, so daß das Gestein im Untergrund regelrecht aufgesprengt wird. Dadurch kann das dort in vielen kleinen Poren und Rissen lagernde Gas zusammenströmen und gefördert werden. Ein Bohrloch kann mehrmals gefrackt werden, und in einem typischen Frackinggebiet können sich die Bohrlöcher schon mal wie Pockennarben über die Landschaft verteilen.

Nachdem es am 3. September 2016 in Oklahoma zu dem bis dahin stärksten Erdbeben kam, das jemals in diesem US-Bundesstaat gemessen wurde, - es hatte eine Stärke von 5,6 auf der Richterskala -, hat die behördliche Oklahoma Corporation Commission die Schließung von 37 Bohrlöchern im Umfeld des bei Pawnee liegenden Epizentrums des Erdbebens angeordnet. Zudem wurde die US-Umweltschutzbehörde EPA gebeten, weitere Bohrlöcher außerhalb des eigenen Aufsichtsbereichs im angrenzenden Osaga County dichtzumachen. [1]

Vor über einem Jahr hat die Staatsregierung von Oklahoma bei wenigen der in die Zehntausende gehenden Abwasserbohrlöchern die Möglichkeit, verbrauchtes Wasser in den Untergrund zu pressen, untersagt. Kleinere Erdbeben können zwar auch von dem eigentlichen Frack-Vorgang ausgelöst werden, aber die meisten Beben stammen von Bohrlöchern, in welche die Abwässer, die im Zusammenhang mit der Förderung entstehen, hineingepreßt werden. So auch in diesem Fall. Oklahoma ist nicht der einzige US-Bundesstaat, in dem Wissenschaftler einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Erdöl- und Erdgasproduktion und dem Auftreten von Erdbeben festgestellt haben, jedoch treten dort die seismischen Risiken am krassesten hervor. Sieben Millionen US-Bürger leben in erdbebengefährdeten Fracking-Gebieten.

Seitdem im Jahr 2008 in Oklahoma mit Fracking und dem Verpressen von Produktionswässern begonnen wurde, bebt die Erde täglich im Durchschnitt zwei- bis dreimal mit einer Stärke von 3 oder höher. Laut dem Geologischen Dienst von Oklahoma ist das eine Zunahme um das 600fache (!) gegenüber früher. Das aktuelle, schwere Beben wurde auf eine Strecke von Texas über Nordoklahoma bis South Dakota registriert.

Der Fracking-Boom in den USA stützt sich wesentlich auf die relativ billige Entsorgungsmöglichkeit von jeglichen Abwässern, die bei der Gas- und Ölförderung anfallen, und andere lasche Umweltgesetze, wozu auch die Freistellung vom Luftreinhaltegesetz zählt. Würden die Unternehmen statt dessen in die Pflicht genommen und vollumfänglich für die von ihnen angerichteten Schäden aufkommen, würde sich die Förderung von Öl und Gas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten nicht lohnen. Bei konventionellen Lagerstätten dagegen liegen die Energieträger in Form großer, zusammenhängender Blasen vor, was die Förderung rentabel macht.

Während also in manchen Regionen der USA der Fracking-Boom schon wieder abebbt, soll nun Europa als Expansionsraum zumindest für eine gewisse Entlastung sorgen. Sowohl das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA - Comprehensive Economic and Trade Agreement, dt.: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) als auch mit den USA (TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership, dt.: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) wird als Einfallstor für Erdöl- und Erdgasunternehmen aus Nordamerika in Europa dienen, und die Bundesregierung paßt schon mal die nationale Gesetzgebung an die Begehrlichkeiten der Wirtschaft an.

Während der Bevölkerung vorgegaukelt wird, daß hierzulande Fracking künftig eigentlich gar nicht stattfinden wird, weil man allzu hohe Hürden aufgebaut hat, wissen Umweltgruppen, die sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen, etwas ganz anderes zu berichten. Zwar hätten die Proteste gegen Fracking Früchte getragen und zu einer Verschärfung des im Juni 2016 verabschiedeten Fracking-Gesetzes geführt, aber ein generelles Verbot sei nicht beschlossen worden, meldete solarify. [2]

Man hält sich also ein Hintertürchen offen, und das könnte sich als Einfallstor für Fracking im größeren Umfang erweisen, falls die nationale Gesetzgebung über den Umweg der EU-Administration oder eben die CETA- und TTIP-Bestimmungen als nachrangig eingestuft würde.

Auch wenn die Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Fracking nicht überall und zu jeder Zeit die gleichen sind und sich auch die Produktionsbedingungen zwischen den USA und Deutschland unterscheiden, muß doch damit gerechnet werden, daß selbst in Folge einer eingeschränkten Freigabe des Frackings vermehrt Umwelt- und Gesundheitsschäden eintreten werden. [3]

Verglichen mit Nordamerika sind die in Deutschland zu erwartenden Mengen an fossilen Energieträgern, die aus nicht-konventionellen Quellen gefördert werden können, gering. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) geht nicht davon aus, daß sich die nicht-konventionellen Lagerstätten rasch erschließen lassen, und sieht den potentiellen Nutzen des Frackings eher darin, die schwindenden eigenen Fördermengen aus konventionellen Quellen über einen längeren Zeitraum hinweg einigermaßen zu kompensieren. [4]

Kein Gegenstand der BGR-Untersuchung war die Möglichkeit, den Rückgang der heimischen Erdöl- und Erdgasförderung vollständig durch Energieeinsparungen und eine schnellere Transformation der Energiesysteme auf nicht-fossile Energieträger auszugleichen. Dadurch könnten seismische und andere Risiken des Frackings zu hundert Prozent vermieden werden, es bliebe keinerlei Restrisiko. Wodurch selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden kann, daß weiterhin die Förderung konventioneller Vorkommen an Erdgas und dessen unterirdische Speicherung seismische Spannungen erzeugt, die sich in Form von Erdbeben entladen.

Indem die Bundesregierung - im Unterschied übrigens zu Frankreich - kein uneingeschränktes Frackingverbot verhängt, setzt sie ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs fort, auch wenn sie dadurch das Risiko von Umwelt- und Gesundheitsschäden für die Bevölkerung erhöht und beträchtliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität hinnimmt, vergleichbar mit der Festlegung auf die Braunkohleförderung und -verstromung als "Brückentechnologie". So emittieren die Kohlekraftwerke in Deutschland pro Jahr sieben Tonnen (!) des hochtoxischen Elements Quecksilber. "Das entspricht der jährlichen Freisetzung von sämtlichem Quecksilber aus 3,5 Millionen Energiesparlampen", heißt es in einer Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Dezember 2015. [5]

Schon seit vielen Jahrzehnten wird in Deutschland die Fördermethode des Frackings eingesetzt. Allerdings geht es aktuell um neuere Bohr- und Lagerstättenstimulierungsverfahren sowie um eine sehr viel größere Dimension des Frackings. Um zu vermeiden, daß, vergleichbar mit jener Quecksilber-Studie, in vielleicht zehn, zwanzig Jahren rückblickend auf den Beginn der Frackingwelle in Deutschland und der EU eine Untersuchung vorgestellt wird, in der all die Umweltverschmutzungen und Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung aufgeführt sind, hilft nur die Null-Toleranz-Lösung gegenüber dieser von vielen Menschen abgelehnten Technologie.


Fußnoten:

[1] http://www.reuters.com/article/us-oklahoma-quake-wells-idUSKCN11C2K6

[2] http://www.solarify.eu/2016/06/24/851-fracking-gesetzespaket-durch/

[3] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/meinung/umme-247.html

[4] http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Projekte/laufend/NIKO/NIKO_projektbeschreibung.html

[5] https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/umwelt/PDF/oekopol-quecksilber-aus-kohlekraftwerken.pdf

9. September 2016


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