Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

OFFENER BRIEF/012: Fracking-Verbot in den Koalitionsvertrag! (BBU)


Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. - Bonn, 5. November 2013

Offener Brief
Initiativen gegen Fracking in Deutschland - resolution-korbach.org/

Fracking-Verbot in den Koalitionsvertrag!



An:
AG Energie: Hannelore Kraft (SPD), Peter Altmaier (CDU) und Koll.
AG Wirtschaft: Ilse Aigner (CSU), Hubertus Heil (SPD) und Koll.

cc/ Bundestagsabgeordnete; Umweltministerien der Länder; Presse

4. November 2013

Sehr geehrte Frau Kraft, sehr geehrte Frau Aigner,
sehr geehrter Herr Altmaier und sehr geehrter Herr Heil,
sehr geehrte Mitarbeiter der Arbeitsgruppen!

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen arbeiten Sie in den beiden Arbeitsgruppen, denen die größte Bedeutung für die zukünftige energetische Ausgestaltung unseres gesunden Lebensumfeldes zukommt. Vor dem Hintergrund des Klimawandels obliegt es Ihnen, die Weichen weiter für die vollumfängliche Energiewende zu stellen, um nachhaltig eine Zukunft zu sichern, in der auch unsere Kinder und Kindeskinder noch eine intakte Umwelt und ausreichend Zugriff auf die Ressource Nr. 1 - das Trinkwasser - haben sollen.

Die Energiewende wird nicht von den zur Neige gehenden fossilen Brennstoffen getrieben, sondern vom nicht mehr bestreitbaren Klimawandel. Es ist 1 Minute vor 12 und wenn Sie die katastrophalen Folgen des Weiter-so verhindern wollen, dann müssen Sie alles daran setzen, dass nicht nur der Atomausstieg weiter vorangetrieben wird, sondern auch der sukzessive Ausstieg aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken. Methoden zur Energieeinsparung müssen weiter erforscht und implementiert werden und die Entwicklung der regenerativen Primärenergie Vorrang vor fossilen Energieträgern erhalten, um den Strom-, Wärme- und Mobilitätsbedarf in Deutschland zu decken.

Keinesfalls dürfen unnötig umweltschädliche Methoden herangezogen werden, um den Energiebedarf unseres Industrielandes zu befriedigen. Die Rede ist vom Fracking, der Aufsuchung und Förderung von Erdgas und Erdöl, bei der der Untergrund großflächig mit Hilfe von Wasserdruck oder anderen Mitteln aufgebrochen wird. Energiepolitisch haben "gefrackte" Kohlenwasserstoffe keinen Sinn, denn sie würden auch dann, wenn sie im großen Stil gewonnen würden, keinen nennenswerten Beitrag zum zukünftigen Primärenergiebedarf [1] und zur Energiewende leisten.

Die nachweislichen Folgen des Fracking sind noch raschere Klimaerwärmung durch austretendes Methan und massiven CO2-Ausstoß [2], Erdbeben und Milliarden Liter hochgiftigen Mülls (Lagerstättenwasser), um nur einige der verheerenden Auswirkungen zu nennen. Allein mit dem Lagerstättenwasser, das bis dato in Niedersachsen in den Untergrund verpresst wurde, ist der Nachwelt ein Erbe aufgebürdet, für das "unverantwortlich" noch eine Beschönigung ist. Dieses Wasser ist eine Zeitbombe, denn es wird höchstwahrscheinlich die Trinkwasserressourcen im weiten Umfeld langfristig unbrauchbar machen. Wie kann man es bei den vorliegenden Fakten ernsthaft politisch verantworten, dem gefrackten Gas einen volkswirtschaftlichen Nutzen zuzusprechen?

Über 2/3 der bundesdeutschen Bevölkerung lehnen Fracking bedingungslos ab.[3] Wir unterstützen alle die Korbacher Resolution [4] für ein bedingungsloses Frac-Verbot von fossilen Energieträgern. Über 178 Kommunen, Kreise, Unternehmen, NGOs und Initiativen haben sich ihr weltweit schon angeschlossen.

Frau Kraft, fassen Sie sich ein Herz und denken Sie nicht nur an Bergbau und Schwerindustrie in Ihrem Bundesland! Das wachsende Segment der Erneuerbaren bietet heute schon mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze, Tendenz steigend. Bremsen Sie die Energiewende nicht aus, sondern gehen Sie mit der Zeit! Denken Sie an Ihre Nordamerika-Reise im Frühjahr und wie erschrocken Sie waren, als Sie Fracking live gesehen haben!

Herr Altmaier, erinnern Sie sich an Ihre Wahlkampftour: Sie sagten, beim Fracking wollen Sie auf die Bremse treten. Machen Sie jetzt Nägel mit Köpfen und schreiben Sie das von über zwei Dritteln der Deutschen geforderte Fracking-Verbot für Kohlenwasserstoffe in den Koalitionsvertrag!

Wenn ein Industrieland den Umbau seines Energiesystems, weg von den fossilen und hin zu den erneuerbaren Energien schafft, dann ist es Deutschland, so sagen viele. Lassen Sie nicht zu, dass dieser erreichbare Erfolg vor den Augen der Welt durch ein paar wenige Unternehmen beschmutzt wird, die für einen kurzen, schnellen Gewinn unser schönes Land dauerhaft verschandeln und vergiften! Beweisen Sie dieselbe politische Verantwortung wie Ihre Kollegen in Frankreich [5] und arbeiten Sie für ein Fracking-Verbot in Deutschland! Arbeiten Sie für eine grundlegende Reform des Bundesberggesetzes, damit der Schutz des Trinkwassers, der Lebensumwelt und des Klimas Vorrang vor ökonomischen Interessen hat! Beachten und schützen Sie die im Art. 20 a GG verankerte Staatszielbestimmung!

Mit fracklosen Grüßen

Initiativen gegen Fracking in Deutschland

gez.
Andy Gheorghiu und Henner Gröschner, BI Fracking-freies Hessen
Dietger Michaelis, BI Frackingfreie Zukunft
Oliver Kalusch, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz
Harald Rücker, BI Für ein lebenswertes Korbach
Carin Schomann, BI FrackingFreies Hamburg


Hintergrund:

Die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen wäre das falsche energiepolitische Signal. Vier schlagende Argumente zur Untermauerung unserer Forderung:

1. Gefracktes Gas/Öl hätte keinen Einfluss auf Energiepreise

Gefracktes Gas/Öl würde nicht zu sinkenden Preisen führen. Sowohl KfW [5] als auch ZEW [6] und SRU [7] kommen zu dem klaren Ergebnis, dass Fracking keinen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende leisten kann und daher energiepolitisch nicht notwendig ist.

2. Gefracktes Gas/Öl wird nicht gebraucht, auch nicht als sog. "Brückentechnologie"

Momentan werden weltweit jährlich um die 150 Milliarden m3 Erdgas abgefackelt! Das entspricht 5 Prozent der weltweiten Erdgas-Produktion oder 30 Prozent des Verbrauchs in der Europäischen Union.[8] Diese Energiemengen werden nutzlos und klimaschädlich vernichtet. Die Anwendung der Fracking-Technik - mit oder ohne gefährliche Substanzen - würde diese Verfahrensweise scheinbar weiter legitimieren, da der Eindruck erweckt würde, es sei genügend Gas vorhanden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es politisch unverantwortlich, die Fracking-Technik auch nur in Betracht zu ziehen.

3. Fracking bedeutet Gefährdung von Umwelt und Grund-/Trinkwasser

Selbst wenn Fracking ohne den Einsatz zusätzlicher, umwelttoxischer Substanzen möglich wäre, ist es dennoch untrennbar mit gefährlichen Substanzen verbunden [9]: Durch das großvolumige Aufbrechen des Untergrundes werden Milliarden Kubikmeter Lagerstättenwasser aktiviert, die mit an die Oberfläche gefördert und entsorgt werden müssen. Die Verpressung dieser, Schwermetalle, radioaktive und andere toxische Stoffe enthaltenden Wässer stellt eine nicht vollständig kontrollierbare Gefahr für das Grundwasser dar; die Verpressung triggert Erdstöße und in der Folge Schäden an Infrastruktur und Gebäuden.

4. Fracking beschleunigt den Klimawandel

Exploration und Produktion von unkonventionellem Gas/Öl belasten das Klima durch eine 3- bis 15-mal höhere CO2-Belastung als bei konventionellem Gas/Öl; unverbrannt in die Atmosphäre entweichendes Methan (in mehreren Feldern nachgewiesen bis über 10% der Produktion) ist ein 25- bis 40-mal wirksameres Klimagas als CO2. Experten gehen heute davon aus, dass die Klimabilanz des Fracking nicht besser ist als die von Kohle.[10]

Wir unterstützen diesen Appell:
Aktionsbündnis No Fracking Mülheim an der Ruhr
Aktionsbündnis No Moor Fracking
Berliner Wassertisch c/o Grüne Liga e.V.
BI CO2-Endlager stoppen e.V. Beeskow
BI Daverden
BI "Fahner Höhe"
BI FrackingFreies Hamburg
BI FrackingFreies Hamburg-Harburg
BI Frackingfreie Zukunft
BI "Frackloses Gasbohren"
BI Fracking freies Hessen
BI für ein lebenswertes Korbach
BI gegen Gasbohren Kleve
BI Gemeinsam gegen Gas- und Probebohrungen am Niederrhein
BI Hamm Gegen Gasbohren
BI Isselburg21 e.V.
BI Kein-Frack-in-WF
BI "Kein Fracking in der Heide"
BI "Lebensraum-Vorpommern" e.V.
BI No-Fracking Völkersen
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
Förderverein HARBURG21 e.V.
Food & Water Europe
IG Fracking-freies Artland e.V.
IG Gegen Gasbohren Borken
IG Gegen Gasbohren Hamminkeln
IG Rees gegen Gasbohren e.V.
IG Schönes Lünne
IG-Stop-Fracking-SH
IG-Stopp-Fracking-MK
NOFracking Bodensee-Oberschwaben
PowerShift e.V.
UBI Salzhausen

Initiativen gegen Fracking in Deutschland - www.resolution-korbach.org


[1] http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/energiestatistiken-energiegewinnung-energieverbrauch,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

[2] http://www.nature.com/news/methane-leaks-erode-green-credentials-of-natural-gas-1.12123

[3] http://blog.campact.de/2013/05/fracking-regierung-will-neuen-gesetzesentwurf-durchboxen/

[4] http://www.resolution-korbach.org/unterstuetzer/unterst-aus-de.php

[5] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/oelkonzern-scheitert-mit-klage-franzoesische-verfassungsrichter-billigen-fracking-verbot-1.1792568

[6] https://www.kfw.de/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-Nr.-19-April-2013-Rohstoffe_Wettbewerb.pdf

[7] http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/zn/schwerpunkte/energiemarkt/Energiemarkt0213.pdf

[8] http://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2012_2016/2013_05_AS_18_Fracking.pdf?__blob=publicationFile

[9] http://www.genewscenter.com/imagelibrary/downloadmedia.ashx?MediaDetailsID=3691&SizeId=-1

[10] http://www.frackingfreieshessen.de/index.php?page=Custom&pageID=5

*

Quelle:
BBU-Pressemitteilung, 05.11.2013
Herausgeber:
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V.
Prinz-Albert-Str. 55, 53113 Bonn
Tel. 0228/21 40 32, Fax.: 0228/21 40 33
Internet: www.bbu-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2013