Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

STELLUNGNAHME/160: "Jein" zur ersten erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative (AÖW)


Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft - 21. Mar 2014

Kritik an "Jein"-Antwort der EU-Kommission zur ersten erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative



Berlin. Die Europäische Kommission stellt in der Antwort auf "right2water" die Bedeutung von Wasser als ererbtem Gut und des Menschenrechts auf Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung heraus. Unter Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip und, dass Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der Verantwortung der lokalen Organisationseinheiten liegen sollen, sieht sie jedoch für sich keinen Handlungsbedarf. Enttäuschend ist, dass in der Antwort kein Abrücken der EU-Kommission von ihrem Liberalisierungsdruck im Bereich Wasser zu erkennen ist.

Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) e.V. hat als Interessenvertretung der öffentlichen Wasserversorger, Abwasserbetriebe und der verbandlichen Wasserwirtschaft in Deutschland und Unterstützerin von "right2water" die Antwort der EU-Kommission auf die erfolgreiche Bürgerinitiative einerseits mit Genugtuung andererseits mit Missfallen aufgenommen.

"Wir bewerten die Unterstreichung der EU-Kommission, dass Wasser ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss als wichtige politische Äußerung", erklärte Christa Hecht, Geschäftsführerin der AöW heute in Berlin. Ebenso wichtig ist die Aussage, dass "Wasser als öffentliches Gut für alle Bürger der Union von grundlegendem Wert und keine Handelsware ist". Hecht begrüßte außerdem, dass in der Antwort erklärt wird, dass die lokalen Behörden den Bürgern und deren Belangen am nächsten stehen und dies im Allgemeinen in der EU für die Bereitstellung von Wasserdienstleistungen das vorherrschende Organisationsprinzip sei.

Die Vorteile kommunaler und lokaler Verantwortung für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hat die AöW aus eben diesen Gründen immer wieder herausgestellt. Für die AöW bedeutet diese Feststellung der EU-Kommission ein indirektes Eingeständnis, dass große internationale Wasserkonzerne die Erfordernisse der Bürger an die Wasserwirtschaft nicht in gleicher Weise befriedigen können. Die Entscheidungen in diesen Konzernen fallen weit weg von den Bürgern in Konzernzentralen und richten sich zwangsläufig nach Gewinnzielen, die die Aktionäre vorgeben. Insofern betrachtet die AöW die Antwort als Bestätigung ihrer Ziele.

Der Pferdefuß aber folgt nur wenige Abschnitte weiter in der Antwort. Die Europäische Kommission will nämlich Gebieten mit kleinmaßstäblichen Wasserversorgungssystemen den Kampf ansagen und begründet das mit der Notwendigkeit einer Verbesserung der Qualität in diesen Gebieten. Für eine schlechtere Qualität kleinteiliger Wasserversorgung gibt es jedoch keinerlei Belege und ein Dringen auf Strukturveränderungen wäre gerade wiederum ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und das Subsidiaritätsprinzip.

Solch bedenkliche Schlussfolgerungen aus der Situationsbeschreibung und den Zielen der europäischen Wasserpolitik finden sich noch an anderen Stellen in der Antwort. So bei der Überprüfung der Wasserrahmenrichtlinie, die die EU-Kommission vorbereiten will und wo sie wieder explizit die kleinen Wasserversorgungssysteme erwähnt.

Äußerst misstrauisch sieht die AöW die Betonung der Verpflichtung der EU zur Neutralität gegenüber der Eigentumsordnung für Wasserversorgungsunternehmen. Denn einerseits handelt die EU-Kommission nicht neutral wenn das Vorgehen der Troika gegen Griechenland und Portugal betrachtet wird. Dort wird nämlich auf die einmal vorgeschlagene Privatisierung der Wasserversorgung gepocht und Druck auf diese Staaten zur Durchsetzung der Privatisierung zugunsten von großen Wasserkonzernen gegen die Bürger und die Kommunen ausgeübt.

Zum anderen hat sich die EU-Kommission in dieser Antwort nicht von ihrer Liberalisierungsstrategie in der Daseinsvorsorge und der Wasserwirtschaft verabschiedet und es ist zu befürchten, dass sie sich sogar weitere Kompetenzen an Land ziehen will.

Bezüglich der Liberalisierung wird in der Antwort nämlich nur auf die Regelungen zur Auftragsvergabe und den Ausschluss von Trinkwasserkonzessionen und einigen Konzessionen für Abwasserbehandlung verwiesen. Verschwiegen wird aber, dass in der Konzessionsrichtlinie eine Review-Klausel eingebaut ist, mit der diese Ausnahme mit einem Federstrich fünf Jahre nach der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedsstaaten gestrichen werden kann. Allerdings wird in diesem Absatz ausdrücklich betont, dass mit der Ausnahme von Wasser aus der Konzessionsrichtlinie auf die Bedenken der Bürgerinitiative "right2water" eingegangen wurde. Damit unterstreicht sie eindeutig den Erfolg der Bürgerinitiative!

Ausgesprochen kritisch sieht die AöW die Ankündigung von neuen Initiativen der EU-Kommission zum Ausbau des bestehenden Wasserinformationssystems als einzige Anlaufstelle für die Vergleichbarkeit von Informationen in der gesamten EU und zur Entwicklung von Indikatoren und Richtwerten für Wasserdienstleistungen für europaweite Vergleiche. Wenn die Aussage, dass die lokale Zuständigkeit den Belangen der Bürger am besten gerecht wird ernst gemeint ist, dann ist eine solche europäische Institution aber nicht erforderlich.

Auch die Aussagen in der Antwort zu den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA beruhigen die AöW nicht, denn die Antwort ist vage und das Verhandlungsmandat beinhaltet zu eindeutig die Einbeziehung der Daseinsvorsorge und damit der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in den Freihandel. Die weiterhin geheim geführten Verhandlungen und geschwärzte Protokolle in den wichtigsten Passagen, die als einzige Dokumente der Öffentlichkeit aus den Verhandlungen präsentiert werden, sind sehr bedenklich.

Erfreulich ist die Ankündigung der EU-Kommission, innovative Anreize für die Entwicklungshilfe zu geben und zum Beispiel öffentlich-öffentliche Partnerschaften stärker zu fördern, denn ein solches Programm drohte gerade erst gestrichen zu werden.

Deutlich wird in dieser Antwort leider, dass zu den Belangen der Bürgerinitiative vor den Wahlen zum europäischen Parlament nicht mehr viel umgesetzt wird und das in anderen Zusammenhängen immer wieder betonte Ziel einer stärkeren Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen Europas an der europäischen Politik damit faktisch in Frage gestellt wird. Sollen sich künftige Initiativgruppen nach dem Wahlkalender der EU richten? Müssen sie nach der Wahl eine neue Initiative starten, weil es Strategie ist, die ursprüngliche Initiative nach der Wahl versanden zu lassen?

"Hier sollten sich die Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl klar positionieren und wir fordern, dass das Europaparlament und die neue EU-Kommission sich eindeutig der Ziele der Europäischen Bürgerinitiative annehmen", erklärte die AöW-Geschäftsführerin.

*

Quelle:
Pressemitteilung, 21.03.2014
Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Reinhardtstr. 18a, 10117 Berlin
Tel.: 0 30 / 39 74 36 06
E-Mail: info(at)aoew.de
Internet: www.aoew.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2014