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ATOM/319: Akws in den USA droht Notabschaltung, wenn Dürre anhält (SB)


Kernkraftwerke mögen's gar nicht gerne heiß


Die Hitzewelle 2003 in weiten Teilen Europas hat eine allgemein wenig bekannte Schwäche der Nuklearenergietechnologie offenbart: Wenn es außerhalb des Kernkraftwerks zu heiß ist, kann drinnen keine Hitze produziert werden, und das Kühlwasser aus den Flüssen müßte zuvor gekühlt werden, damit es seine Funktion erfüllt. Mitch Weiss hat nun für die Nachrichtenagentur AP festgestellt, daß von den 104 Kernkraftwerken in den Vereinigten Staaten 24 in Regionen liegen, die im vergangenen Jahr am stärksten von einer schweren Dürre betroffen waren. Und daß bis auf zwei alle Kernkraftwerke am Ufer von Seen oder Flüssen liegen, aus denen sie laufend viele Milliarden Liter Kühlwasser beziehen. Die US-Energieversorger beteuern zwar, daß es zu keinen Versorgungsengpässen kommt, aber sie kündigten bereits an, daß die Stromkunden mit drastisch steigenden Preisen zu rechnen haben, da der elektrische Strom von anderen Produzenten dazugekauft werden müsse.

Der Südosten der USA wurde im vergangenen Jahr von einer ausgedehnten Dürre heimgesucht. Nach AP-Angaben sind die Wasserstände der Flüsse und Seen in den Dürregebieten bis fast auf einen Stand abgesunken, der von der Nuclear Regulatory Commission (NRC) als Mindestwert angesehen wird. Sollten die Gewässer in den nächsten Monaten noch weniger Wasser führen, so wird die Aufsichtsbehörde die betroffenen Kernkraftwerke schließen, bis das Problem gelöst ist.

Ein Runter- und wieder Hochfahren von Kernkraftwerken ist zwar möglich, aber aufwendig und stellt immer einen Risikofaktor dar. Bei dem Vorgang können vermehrt Fehler auftreten, die Anlagen sind nicht dafür gedacht, auf solch eine wechselhafte Weise betrieben zu werden. Eine technische Umrüstung der Kernkraftwerke, um sie an die veränderten klimatischen Bedingungen und geringen Wasserpegel anzupassen, ist entweder überhaupt nicht möglich oder aber äußerst kostenintensiv.

In der besagten Dürreregion der USA gibt es schätzungsweise drei Millionen Kunden von vier kommerziellen Kernkraftwerken. Hinzu kommt die quasi-amtliche Tennessee Valley Authority (TVA), die 8,7 Millionen Kunden in sieben Bundesstaaten hat, 30 Prozent des von ihm produzierten elektrischen Stroms aus Kernenergieanlagen gewinnt und über ein Verteilernetz an die Haushalte sendet.

Die Lage im Südosten der USA ist prekär. Laut Mitch Weiss sind die Pegelstände noch immer unterdurchschnittlich niedrig, obgleich es kürzlich geregnet und etwas geschneit hat. Um den Mangel zu heben, müßte es in den nächsten drei Monaten kräftig regnen. Damit rechnet niemand. Zudem besagt die Langzeitvorhersage, daß sich die Dürre in 2008 fortsetzen wird.

Das Unternehmen Progress Energy Inc. hatte bereits im letzten November gewarnt, daß es den in der Dürrezone liegenden Harris-Reaktor bei Raleigh möglicherweise wird abschalten müssen. Der Wasserstand im Harris-See liegt jetzt bei knapp 73 Meter. Noch gut einen Meter niedriger, und der Reaktor darf nicht weiterbetrieben werden. Das KKW Harris benötigt 124,74 Millionen Liter Kühlwasser pro Tag. Von diesen verdunstet etwas mehr als die Hälfte über die Kühltürme und wird somit nicht wieder in den See zurückgeleitet. Das übrige Wasser ist natürlich bedeutend heißer im Vergleich zu dem, was in die Anlage hineingepumpt wurde.

Der Pegel am Norman-See bei Charlotte ist keine 30 Zentimeter über dem Stand, ab dem das Unternehmen Duke Energy sein Kernkraftwerk McGuire abschalten muß. Das benötigt sogar 7,56 Milliarden Liter Kühlwasser pro Tag. Davon wird das meiste zurückgepumpt, und auch hier gilt, daß das Wasser anschließend aufgeheizt ist.

An diesen Beispielen wird ein weiterer Faktor, der bei der Bewertung von Kernkraftwerken als vermeintlich alternativlose Maßnahme gegen den Klimawandel kritisch eingeschätzt werden muß: Kernkraftwerke weisen gewaltige Wärmeverluste auf. Wenn bei einem KKW mehr als die Hälfte des Kühlwassers verdunstet, dann ist das mit einem enormen Verlust an ungenutzter Energie verbunden. Hinzu kommen die Übertragungs- und Leitungsverluste von den KKW-Standorten zu den relativ weit entfernt liegenden Verbrauchern.

Am 16. August 2007 wurde der TVA-Reaktor von Browns Ferry in Alabama für einen Tag abgeschaltet, weil der Wasserstand des Tennessee-Flusses zu niedrig und seine Temperatur zu hoch war. Ein Einleiten von zu heißem Wasser in den Fluß hätte der gesamten Ökologie schaden können.

Die Betreiber von Kernkraftwerken in Frankreich und Deutschland hatten nach der Hitzewelle 2003 die Aufsichtsbehörde gebeten, ausnahmsweise höhere Einleitungstemperaturen zu gestatten - mit Erfolg. Der zulässige Höchstwert für zurückgeleitetes Kühlwasser liegt in Frankreich bei 26 Grad. Bei Wassertemperaturen von 28 Grad sinkt der Sauerstoffgehalt so sehr ab, daß die Fische in dem Fluß ersticken.

USA, Frankreich und Großbritannien zählen zu den westlichen Staaten, die insbesondere mit Verweis auf den Klimawandel eine Renaissance der Kernenergienutzung herbeibeschwören wollen und die Installation neuer Reaktoren beschlossen haben. Die hier beschriebene Problematik zeigt, daß umgekehrt ein Schuh daraus wird: Kernkraftwerke reagieren sehr empfindlich auf klimatische Veränderungen. Bei Dürre müssen sie abgeschaltet oder von außen abgespritzt und gekühlt werden - was nicht den Eindruck erweckt, als habe man es mit einer ausgereiften Hochtechnologie zu tun.

25. Januar 2008