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ATOM/381: Kenia - Kernenergie statt Windkraft? (SB)


Kenia ruft Komitee zur Förderung der Atomenergie ins Leben

Der Staat will keine Bürgschaften für den Bau eines
riesigen Windparks übernehmen


Die kenianische Regierung hat vor rund zwei Jahren den Plan gefaßt, mindestens ein Atomkraftwerk zu bauen. Zu diesem Zweck wurde kürzlich ein 13köpfiges Projektkomitee ins Leben gerufen, das vom nächsten Jahr an die Arbeit aufnehmen und die eigene Entwicklung des Atomstrom in Kenia voranbringen soll. [1] Gleichzeitig erklärt die kenianische Regierung jedoch, daß sie keine Kreditbürgschaften zur Finanzierung von sechs Stromgewinnungsprojekten übernehmen werde, zu denen die Lake Turkana Wind Power Initiative gehört.

Am nordkenianischen Turkanasee soll ein Windpark mit einer Gesamtkapazität von 300 Megawatt errichtet werden. In jener Region sind die natürlichen Voraussetzungen zur Windenergieproduktion hervorragend, die meiste Zeit des Jahres über bläst ein stetiger, kräftiger Wind. Mit 365 Windrädern wäre der Turkana-Windpark der größte Afrikas - wenn er denn gebaut würde. Die ursprünglichen Pläne sahen vor, daß das 881 Millionen Dollar teure, von einem niederländischen Konsortium betriebene Projekt im Jahr 2012 abgeschlossen wird. Doch das Vorhaben verzögert sich wegen Finanzierungslücken um mindestens ein Jahr, berichtete Anfang November die ostafrikanische Zeitung "The East African". [2]

Dem Rückschlag bei der Windenergie stehen Investitionen in die Atomenergie gegenüber. Wie kürzlich der kenianische Energy Permanent Secretary Patrick Nyoike gegenüber Alternative Energy Africa sagte, wird seine Regierung bis Juli 2011 rund 2,5 Mio. Dollar als Startkapital für den Einstieg in die Atomenergieproduktion bereitstellen. [1] Hatte Premierminister Raila Odinga im vergangenen Jahr noch erklärt, daß mit Frankreich Verhandlungen über den Kraftwerksbau eröffnet worden seien [3], sprach Nyoike jetzt davon, daß Kenia an südkoreanischer Technologie interessiert sei. Der Kostenaufwand für das Atomkraftwerk beliefe sich auf 3,5 Milliarden Dollar. Solch eine Kapitalinvestition sei gewaltig, räumte er ein, aber dafür blieben die Betriebskosten zur Stromgewinnung sehr gering. Bis 2017 solle das Kernkraftwerk fertiggestellt sein und in Betrieb gehen.

Die Einschätzung, daß die laufenden Kosten eines Atomkraftwerks gering sind, ist nicht nachvollziehbar, bzw. sie scheint Ausdruck einer verkürzten Sichtweise zu sein. Außerdem muß bedacht werden, daß jedes Atomkraftwerk pro Jahr rund vier Wochen stillsteht. In der Zeit wird es heruntergefahren, damit die abgebrannten Brennelemente ausgetauscht und durch neue ersetzt werden können. Soll die kenianische Stromversorgung in dieser Zeit nicht ausfallen, müßte permanent ein Ersatz für die rund 1000 Megawatt Leistung des Akw bereitstehen. Das gilt auch für den Fall, daß es zu unvorhergesehenen Ausfallzeiten beim Akw kommt. Dieser Kostenfaktor darf in der Bilanz nicht fehlen.

Der Komiteevorsitzende Ochilo Ayacko behauptete gegenüber Alternative Energy Africa, daß Kenia keine andere Option habe, um nachhaltiges Wachstum unter der "Vision 2030" zur wirtschaftlichen Entwicklung zu gewährleisten, als die Atomenergie zu nutzen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Fragwürdigkeit, mittels der Kernspaltung die Energieversorgung des Landes sichern zu wollen, deutlich würde, wenn das Wirtschaftsprogramm "Vision 2050" genannt würde. Denn die weltweiten Uranvorräte schrumpfen rapide. Der Uranpreis dürfte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ähnlich stark steigen wie der Preis für Erdöl. Vielleicht gibt es im Jahr 2030 noch genügend erschwingliches Uran, so daß Kenia ein Akw betreiben könnte, aber 2050 dürfte der Versorgungslage stark strapaziert sein. Dann stände Kenia erneut (oder besser: weiterhin) vor der Frage, wie eine Gesellschaft, die der Wachstumsideologie folgt, mit genügend Energie versorgt werden kann.


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Anmerkungen:

[1] "Kenya Attempts to Secure Road to Nuclear Power", Alternative Energy Africa, 20. Dezember 2010
http://ae-africa.com/read_article.php?NID=2626&PHPSESSID=ae2131fa4705c994784ba6ccb3abf4f0

[2] "Lack of govt backing putting off power producers", The East African, 1. November 2010
http://www.theeastafrican.co.ke/business/Lack%20of%20govt%20backing%20putting%20off%20power%20producers/-/2560/1043656/-/dlq62t/-/index.html

[3] "Nuclear power plant on the way, says Raila", The East African Standard, 28. Oktober 2009
http://www.eastandard.net/InsidePage.php?id=1144027240&cid=4

23. Dezember 2010