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ATOM/424: Das Wunder von Fukushima - Wasserdampf ohne Hitze? (SB)


Weißer Dampf über Fukushima Daiichi



Was vielleicht im Vatikan eine frohe Botschaft signalisieren würde, dürfte in Japan mit Sorge aufgenommen werden: Weißer Dampf steigt aus Block 3 des Akw Fukushima Daiichi auf. Niemand vermag plausibel darzulegen, wie er entstanden ist. Die Betreibergesellschaft Tepco versucht die Öffentlichkeit mit der Erklärung zu beruhigen, daß keine erhöhte Radioaktivität gemessen wurde, die Temperatur im Reaktor nicht gestiegen ist und alle übrigen Werte nicht außergewöhnlich sind.

Doch genau deshalb sollte das Phänomen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Möglicherweise wären die Ingenieure vor Ort ruhiger, wenn sie wüßten, warum plötzlich Dampf aus dem Reaktorgebäude aufsteigt, obgleich die Temperaturen in der Anlage dies gar nicht erwarten lassen. Dann wüßten sie wenigstens, was das Phänomen ausgelöst hat.

Am 11. März 2011 war das Akw Fukushima Daiichi nach einem schweren Erdbeben vor der Küste havariert, wenige Minuten darauf wurde es auch noch von einem Tsunami getroffen. Mehrere Kernschmelzen setzten ein. In den nächsten Tagen kam es unter anderem in Block 3 zu einer Wasserstoffexplosion, die das Dach der Anlage zerstört hat.

Jetzt steigt aus dem fünften Stock in der Nähe des Kühlbeckens, in dem sich aber keine Brennstäbe befinden sollen, weißer Dampf auf - nicht als Rauchsäule, aber doch deutlich sichtbar. Was sich dort zusammenbraut, weiß man nicht. Wie so oft verbreitet Tepco lediglich Mutmaßungen. Dabei geht die Betreibergesellschaft nicht vom schlimmsten Fall aus, sondern vom harmlosesten.

Am frühen Morgen des 18. Juli um 8.20 Uhr Ortszeit hatte ein Arbeiter eines Subunternehmens bei der Inspektion der Anlage den Dampf entdeckt und gemeldet. In mehreren Pressemeldungen, die Tepco im Laufe des Tages herausgab, wird berichtet, daß keine auffälligen Werte u. a. bei Temperatur und Edelgaskonzentration registriert wurden, aber daß der weiße Dampf weiterhin zu sehen ist (letzter Stand: 16.00 Uhr). Tepco vermutet, daß Regenwasser in die Anlage gelangt ist und nun auf der Oberseite des Reaktormantels verdampft. [1]

Dies ist der vorläufig letzte Vorfall einer nicht endenden Serie an Katastrophenmeldungen aus dem Nuklearkomplex. Nach wie vor fließt auf bisher nicht eindeutig identifizierten Wegen radioaktives Wasser (Strontium, Cäsium, Tritium) ins Grundwasser und wahrscheinlich auch ins Meer. [2] Die drei Kernreaktoren, die zum Zeitpunkt des Erdbebens hochgefahren waren - der vierte Meiler war zu dem Zeitpunkt wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb - sind auch mehr als zwei Jahre nach der Katastrophe nicht unter Kontrolle. Mehrere Nachbeben haben die Atommeiler strukturell weiter geschwächt; nach wie vor steht die Anlage am Rande einer noch viel schwereren Katastrophe. Die heißen Brennstäbe müssen laufend gekühlt werden, ihre Bergung soll ab dem Jahr 2020 beginnen. [3] Das erklärt die japanische Regierung heute - in sieben Jahren wird sie sich womöglich nicht mehr so gerne an diese Aussage erinnern.

Der aktuelle Austritt von Dampf aus dem Reaktor 3 wird von Tepco nicht als Notfall eingestuft. Man muß es wohl den Fachleuten überlassen, die ausgerechnet in einem der erdbebengefährdetsten Länder der Erde 50 Atomkraftwerke errichtet haben, zu erklären, warum es im Innern des Reaktors 3 von Fukushima Daiichi laut Tepco nur 38 Grad Celsius warm ist [2], aber auf der Außenseite der drei Zentimeter dicken Reaktorstahlummantelung Temperaturen von rund 100 Grad Celsius herrschen müssen, damit dort Wasser verdampfen kann.


Fußnoten:

[1] http://www.tepco.co.jp/en/press/corp-com/release/2013/1229060_5130.html

[2] http://www.japantoday.com/category/national/view/steam-seen-in-fukushima-no-3-reactor-building

[3] http://www.japantimes.co.jp/news/2013/06/28/national/melted-fuel-removal-at-fukushima-plant-seen-optimistically-starting-in-2020/#.UefmVxddXNt

18. Juli 2013