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GENTECHNIK/297: Und immer wieder Glyphosat ... eine Gefahr für Amphibien? (SB)


Auf der Suche nach den Ursachen des globalen Amphibiensterbens

Deutsche Forschergruppe weist zeitliche Koinzidenz zwischen Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft und Amphibienwanderung nach



Weltweit sterben die Amphibien aus. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, haben aber in vielen Fällen mit menschlichen Aktivitäten zu tun. Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen in bislang weitgehend unberührte Naturräume, die allgemeine Verstädterung und der Ausbau von Straßen und anderen Verkehrswegen quer zu den typischen Wanderwegen der Amphibien, klimatische Veränderungen als Folge von anthropogenen Treibhausgasemissionen und nicht zuletzt der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft haben den Amphibien in den letzten Jahren stark zugesetzt.

Insbesondere der Wirkstoff Glyphosat, der Hauptbestandteil Dutzender Herbizide ist, wird immer häufiger verwendet. Typischerweise verbindet man mit Glyphosat einen Einsatz im Zusammenhang mit der grünen Gentechnik, also wenn Pflanzen mittels gentechnischer Züchtungsmethoden so verändert wurden, daß sie eine Behandlung mit dem Herbizid schadlos überstehen, wohingegen das Unkraut in ihrem Umfeld verdorrt. Dadurch wird der Nutzpflanze zu einem massiven Konkurrenzvorteil verholfen. (Der allerdings inzwischen von einer wachsenden Zahl an herbizidresistenten Pflanzen wieder aufgehoben wird.) Roundup heißt beispielsweise ein vom US-Agrokonzern Monsanto vertriebenes Herbizid, Roundup Ready werden die dagegen unempfindlich gemachten Gentechpflanzen genannt.

In der Europäischen Union sind zwar nur zwei gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen, die Gen-Kartoffel Amflora und der Monsanto-Mais Mon810, dennoch hat der Glyphosateinsatz zugenommen, weil Herbizide auch anderweitig zum Einsatz kommen. Landwirte besprühen damit im Herbst ihre Stoppelfelder und töten somit alles Grünzeug ab, was das Unterpflügen der Pflanzenreste einspart. Und im Frühjahr werden mit dem Mittel Ackerflächen von unliebsamen Un- bzw. Beikräutern befreit. Zudem wird Glyphosat kurz vor der Ernte, vor allem bei Kartoffeln, aber auch bei Weizen und Raps ausgebracht. Man nennt diese landwirtschaftliche Methode Sikkation, was Austrocknung bedeutet.

Ein Landwirt hat also mehrere Gelegenheiten im Jahr, an denen er ein glyphosathaltiges Breitbandherbizid versprühen könnte. Ob er zu dem Mittel greift, hängt dann von zahlreichen Faktoren ab; nicht immer rechnet sich das für ihn, aber immer öfter. Dennoch hat die Einsetzbarkeit des Mittels dazu geführt, daß die Menge der von Landwirten in der Europäischen Union verwendeten Sikkationsmittel und übrigen Herbizide, von denen viele Glyphosat enthalten (nicht zu verwechseln mit Glufosinat), zunimmt.

Darüber hinaus vergrößert sich auch die Fläche, auf denen das Mittel gespritzt wird. Das berichten die Forscher Gert Berger, Frieder Graef und Holger Pfeffer vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. Müncheberg. Sie schreiben im Wissenschaftsjournal Scientific Reports [1] über ihre Forschungen zur zeitlichen Koinzidenz zwischen der Wanderung von Amphibien und dem Glyphosateinsatz. (Die Anbaufläche mit Mais hat zwischen 2002 und 2012 zugenommen. In diesem Jahr ging sie erstmals wieder etwas zurück.[2])

Die Forscher haben zwischen 2006 und 2008 die Wanderung von vier Amphibienarten - Rotbauchunke (Bombina bombina), Moorfrosch (Rana arvalis), Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) und Kammolch (Triturus cristatus) - über Ackerflächen studiert und herausgefunden, daß sowohl im Frühjahr als auch im Spätsommer/Herbst vor dem jeweiligen Aussäen eine hundertprozentige Übereinstimmung zum Glyphosateinsatz bestand. Bei der üblicherweise im Sommer vorgenommenen Sikkation kam es nur bei heranwachsenden Amphibien, die ihre Teiche verließen, zu einem zeitgleichen Ausbringen von Glyphosat. Die Forscher empfahlen, weitere Untersuchungen sowohl über akute als auch langfristige Folgen dieser chemischen Applikation auf Amphibien durchzuführen und dabei nicht nur die aquatischen, sondern auch terrestrischen Lebensabschnitte zu beobachten.

Bereits bekannt ist, daß Glyphosat bzw. mehr noch das Netzmittel Tallowamin, das die Oberflächenspannung der Glyphosat-Formulierung senkt, so daß die Wirksubstanz leichter in die Pflanze eindringen kann, bei in Wasser lebenden Amphibien zu Mißbildungen, Streß und auch den Tod führen kann.

Es spricht einiges dafür, daß das weltweite Amphibiensterben einem ähnlichen Muster folgt wie das Bienensterben. Abgesehen von Faktoren wie der Ausbreitung der Varroamilbe bestehen deutliche Hinweise darauf, daß bestimmte Pflanzenschutzmittel Bienen den Garaus machen. Wie sehr Amphibien, die durch ein frisch mit Glyphosat getränktes Feld wandern, von den chemischen Substanzen geschädigt werden, ist nicht bekannt.

Bedenkenswert ist jedoch die gegenwärtige Veränderung der landwirtschaftlichen Praxis. Die Forscher des Leibniz-Instituts schreiben: "Der Einsatz von Glyphosat nimmt kontinuierlich zu, nicht nur bei der Eindämmung von Unkräutern, sondern auch im gesamten Produktionsprozeß. Dazu gehört das reduzierte Pflügen und die Saatbettbereitung, Erosionsvermeidung, Reifesteuerung (Sikkation) und Getreideernte sowie Weiterbehandlung von Stoppelfeldern." [1]

Glyphosat läßt sich inzwischen im Urin von vielen Stadtbewohnern, die den Wirkstoff niemals selber verwendet haben, nachweisen. Die Belastungsmengen gelten laut Bundesinstitut für Risikobewertung als unbedenklich. Aber vielleicht wäre es ratsam, bevor sich herausstellt, daß die Amphibien zu Bioindikatoren einer den Menschen schädigenden globalen Glyphosatkontamination werden (falls sie es nicht schon längst sind), gezielter allen Forschungsansätzen zu Risiken und Nebenwirkungen des umstrittenen Herbizideinsatzes nachzugehen.


Fußnoten:

[1] http://www.nature.com/srep/2013/130910/srep02622/full/srep02622.html?WT.ec_id=SREP-704-20131001

[2] http://www.maiskomitee.de/web/intranet/news.aspx?news=dc6d75f9-5265-46c3-a92c-49f6f26bb592

1. Oktober 2013