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GENTECHNIK/311: Glyphosat - schädigendes Gegenmittel ... (SB)



Bevor ein neues Arzneimittel auf den Markt gebracht werden darf, muß es eine Reihe von Tests durchlaufen. In der ersten Stufe wird im Labor das chemische Verhalten geprüft. Dabei scheiden schon viele Wirkstoffe aus. In der zweiten Stufe werden Tierversuche durchgeführt. Weitere Substanzen werden verworfen, da sie sich als untauglich erwiesen haben, beispielsweise weil Tiere krankhafte Veränderungen zeigten, früher starben und ähnliches mehr. Erst auf der dritten Stufe dürfen unter stark kontrollierten Bedingungen klinische Medikamententests an Menschen vorgenommen werden.

Die Herstellung neuer Lebensmittel hingegen ist keinen so strengen Zulassungsverfahren unterworfen, obschon doch Lebensmittel wie auch pharmazeutische Produkte für den menschlichen Organismus vorgesehen sind. Medikamente sollen ihn vielleicht nicht ernähren, aber im weiteren Sinn sollen viele von ihnen ebenso wie Nahrungsmittel förderlich für den Stoffwechsel sein.

Auch Lebensmittel dürfen nicht willkürlich vermarktet werden, doch selbst die strengsten Prüfungen kommen nicht an die heran, die für Medikamente vorgesehen sind. Vielleicht ist das der Grund, weswegen man bei manchen Lebensmitteln fragen kann, würde es sich um Medikamente handeln, ob sie überhaupt die Stufe der Tierversuche überstanden hätten. Beispielsweise bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Sie enthalten GMO - gentechnisch modifizierte Organismen - und werden trotz ihres Gefährdungspotentials in Verkehr gebracht. In den USA gibt es dafür faktisch keine Begrenzungen, in der Europäischen Union dürfen Lebensmittel bis zu 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthalten, ohne daß dies gekennzeichnet werden muß. Mit einer entsprechenden Kennzeichnung versehen dürfen aber auch Lebensmittel vermarktet werden, die rundum gentechnisch verändert sind. Zudem werden sogenannte Nutztiere mit gentechnisch verändertem Futter aufgezogen, ohne daß das Fleisch anschließend gekennzeichnet werden müßte.

Inzwischen wurde in einer Vielzahl von Tierversuchsstudien [1] festgestellt, daß nicht nur der in Herbiziden enthaltene Wirkstoff Glyphosat laut der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation "wahrscheinlich krebserregend" ist, sondern auch das mittels gentechnischer Verfahren in die Pflanzen eingebrachte Bt-Toxin. Über mehrere wissenschaftliche Studien, die dies belegen, berichtete vor kurzem die Website "Keine Gentechnik" [2].

Vom Sprachgebrauch her wird der Name Glyphosat meist mit dem vermarkteten Pflanzenschutzmittel gleichgesetzt, obschon es sich zunächst nur um den Hauptbestandteil eines Mittels handelt, beispielsweise von Roundup aus dem Hause Monsanto. Das zu unterscheiden ist nicht ganz unwichtig, können doch solche Totalherbizide auch Zusatzstoffe wie beispielsweise Netzmittel (Tallowamine) enthalten, die für sich genommen oder als synergistischer Effekt Schädigungen auslösen können. Deswegen sind in Deutschland bestimmte Tallowamine nicht mehr zugelassen.

In den von "Keine Gentechnik" zitierten Studien geht es jedoch nicht um den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat, sondern um die Bt-Toxine, die in die Pflanze mittels gentechnischer Verfahren eingebracht wurden, um unmittelbar gegen die Insekten zu wirken. Das Kürzel Bt steht für Bacillus thuringiensis, ein Bakterium, das es in zahlreichen Varianten gibt und das seinerseits eines von vielen Bakterien innerhalb der Darmflora ist.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dreier australischer Forschungseinrichtungen hatten Fütterungsversuche an Ratten mit einem "Super-Mais" durchgeführt, der gleich drei gentechnisch veränderte Maislinien enthält (MON810, MON863 und NK603). Man nennt solche Produkte auch "Stacked Trait Corn", z. Dt. Mais mit kombinierten Eigenschaften. Neben seiner Glyphosatresistenz produziert dieser Mais gleichzeitig die Bt-Toxine Cry1Ab und Cry3Bb1, mit denen bestimmte Schädlinge abgewehrt werden. Wenn diese von dem Mais fressen, entfalten die Bt-Toxine ihre schädigende Wirkung, indem sie Löcher in der Wand des Verdauungsapparats erzeugen, so daß sich die Insekten vergiften und sterben.

Etwas ähnliches ist auch mit den Ratten geschehen, wenngleich die Folgen nicht letal waren, wie die Forschergruppe im Journal "Food and Nutrition Sciences" berichtete [3]. Gegenüber einer Kontrollgruppe, die nicht mit dem "Dreifachmais" gefüttert wurde, wurde die Magenschleimhaut durchlässiger. Es traten Entzündungen auf, die sich schon mal leicht zu Krebs weiterentwickeln können. Die Forscher verglichen die Schadwirkung mit der des Schmerzmittels Aspirin, das man bekanntlich auch nicht dauerhaft nehmen sollte, da es die Magenschleimhaut angreift.

Der Versuch dauerte sechs Monate und war damit doppelt so lang, wie von der FAO und WHO als Minimum für Langzeituntersuchungen (90 Tage) empfohlen. Dadurch wollte die Forschergruppe sicherstellen, daß sie die Auswirkungen jenes GMO-Maises auf das Verdauungssystem genau aufzeigen kann. Das Futter beider Versuchsgruppen enthielt zu 60 Prozent Mais. Die Forschergruppe führt die beobachteten Veränderungen auf den GMO-Mais als ganzes oder aber eines der Cry-Proteine zurück.

Eine Forschergruppe der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko hat das Allergiepotential des Bt-Toxins Cry1Ac am Mausmodell untersucht und festgestellt, daß es tatsächlich allergen wirken kann. Die Bandbreite an Reaktionen reichte von einer Nahrungsmittelallergie bis zur Bildung eines anaphylaktischen Schocks. Eine weitere Beobachtung betraf den Darm, in dem eine lymphatische Hyperplasie (Zellvermehrung) auftrat, eine typische Vorstufe für entzündliche Darmerkrankungen und Darmkrebs, schreibt die Gruppe im Fachblatt "International Immunopharmacology" [4].

Wohlgemerkt, hier handelt es sich nicht um zwei Studien, in denen Futtermittel zunächst noch auf ihre Marktfähigkeit hin geprüft werden sollen. Die verwendeten Maislinien sind in den USA längst auf dem Markt und werden dort beispielsweise an Rinder verfüttert. Für die Anwendung des zumindest in der EU geltenden Vorsorgeprinzips wäre es längst zu spät.

Wenn Wirkstoffe wie die Bt-Toxine das Verdauungssystem von Insekten perforieren und dies in abgeschwächter Form auch bei Ratten und Mäusen machen, heißt das nicht zwangsläufig, daß sie auch bei Kühen oder Menschen ähnliche Symptome auslösen würden. Ein hinreichender Anfangsverdacht kann allerdings nicht geleugnet werden. Die in Deutschland und der EU geltenden Gentechnikbestimmungen sind nicht etwa zu streng, wie von Kritikern behauptet, sondern sie bedürfen sogar der laufenden Überprüfung aufgrund neuerer wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Eigentlich müßten die Behörden und Unternehmen von sich aus sehr bemüht darum sein, potentielle Schadenswirkungen festzustellen, und wenn in den hier beschriebenen Tierversuchen - die nicht die ersten sind, in denen sich Bt-Toxine als keineswegs so harmlos zeigten wie behauptet - Auffälligkeiten an Ratten und Mäusen beobachtet werden, die ja zu den wichtigsten Tiermodellen zählen, anhand derer auch Medikamentenwirkungen der Humanmedizin untersucht werden, dann müßte es eigentlich ein Moratorium gegen die verwendeten Maislinien geben. Nicht nur Glyphosat erweist sich als gesundheitsgefährdend, sondern auch die gegen Insektenfraß vorgenommenen Veränderungen gentechnisch veränderter Pflanzen.


Fußnoten:

[1] Wenn wir uns hier auf Studien beziehen, in denen Versuche an Tieren durchgeführt wurden, ist das nicht als Stellungnahme zu verstehen, daß wir Tierversuche für unverzichtbar halten.

[2] https://www.keine-gentechnik.de/nachricht/33393/#gsc.tab=0

[3] http://file.scirp.org/pdf/FNS_2018062813423624.pdf

[4] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29886072

25. September 2018


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