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KLIMA/484: Massensterben in einer Zeit plötzlichen Treibhausgasanstiegs (SB)


Aussterben der Meeresbewohner während der Kreidezeit

Forscher warnen vor plötzlichem Anstieg der Treibhausgaskonzentration


Aus Sedimentschichten, Baumringen, Ablagerungen im Eis, etc. auf ein vergangenes Klima zu schließen, ist naturgemäß mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht weniger gilt dies, wenn von den solcherart gewonnenen Proxydaten auf die zukünftige klimatische Entwicklung geschlossen werden soll. Dies vorweggeschickt und fortan nicht aus dem Blick verlierend sei hier eine wissenschaftliche Untersuchung in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" [1] erwähnt, in der herausgefunden wurde, daß ein hoher Anteil an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre mit einem Artensterben einherging.

Professor Martin Kennedy von der australischen Universität Adelaide (School of Earth and Environmental Sciences) und Professor Thomas Wagner von der britischen Universität Newcastle (Civil Engineering and Geosciences) haben Bohrkerne aus dem Meeresboden vor der westafrikanischen Küste analysiert, welche die späte Kreidezeit (vor 85 Mio. Jahren) repräsentieren und einen Zeitraum von 400.000 Jahren umfassen. Die Forscher entdeckten in den Schichten einen ungewöhnlich hohen Anteil an organischem Material von verstorbenen Meeresbewohnern, gleichzeitig waren die Sedimentschichten außerordentlich sauerstoffarm.

Aus dieser Kombination an Faktoren leiten die Forscher ab, daß die Entstehung der Treibhausgasatmosphäre mit dem Massensterben unter den Meeresbewohnern in einem Wirkzusammenhang steht. Dem Leben mangelte es an Sauerstoff, es verendete.

Uns als Wissenschaftler habe es besonders alarmiert, daß eigentlich nur eine sehr leichte natürliche Veränderung zu Sauerstoffarmut (Hypoxie) in den tiefen Ozeanschichten führten, berichtete Prof. Kennedy [2]. Außerdem sei der Vorgang in relativ kurzer Zeit abgelaufen, vielleicht über mehrere hundert Jahre oder noch weniger, und nicht über lange geologische Zeitspannen. Das zeige, daß sich die Weltmeere unter Treibhausgasbedingungen in einer viel empfindlicheren Balance befinden, als man ursprünglich gedacht habe.

Naheliegenderweise ziehen die Forscher eine Parallele zur heutigen Situation. Die Konzentration an atmosphärischen Treibhausgasen steigt, und die Erde erwärmt sich. Womöglich reagieren die Ozeane von heute ebenso empfindlich und plötzlich, sobald ein bestimmter Wert der Temperatur oder des CO2-Gehalts überschritten wird. Prof. Wagner erinnert daran, daß rund um den Globus die sogenannten Toten Zonen - Meeresgebiete mit extrem reduziertem Sauerstoffgehalt - an Zahl und Größe schnell zunehmen [2].

Wenn man nun bedenke, daß sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den letzten 50 Jahren verdoppelt habe, sei das wie ein Vorschlaghammer, der auf unser Ökosystem trifft, verglichen mit den sehr geringen Veränderungen der Sonneneinstrahlung, die jedoch genügten, um in der Vergangenheit solche Ereignisse auszulösen, fand Prof. Kennedy ein eindrückliches Bild, um die Gefahr der gegenwärtigen Treibhausgasentwicklung zu veranschaulichen.

Aus den Gesteinsschichten lesen die Forscher aber auch heraus, daß nach der Zeit des Massensterbens der Sauerstoffgehalt in den Meeren wieder zunahm und das Leben zurückkehrte. Diesen Vorgang führen die Forscher darauf zurück, daß Bodenmineralien den Überschuß an Kohlenstoff aus organischem Material aufgenommen und dauerhaft gebunden haben, so daß der Erdatmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid wieder entzogen wurde.

An dieser Stelle müssen sich die Forscher allerdings der Frage
stellen, ob es einen Grund zu der Annahme gibt, daß dieser
vermeintliche Selbstheilungseffekt aus der Kreidezeit auf die
heutigen Abläufe übertragbar ist - sieht man einmal davon ab, daß die
"Erholung" erst im Anschluß an das Aussterben der Arten erfolgte, was
aus der Sicht des Menschen sicherlich keine hoffnungsvolle Zukunft
sein kann. Ergänzend zu der Studie, in der das Aussterben der
Meeresbewohner behandelt wurde, wäre weiterhin zu fragen, ob nicht
auch ein Landlebewesen wie der Mensch vom Aussterben bedroht wäre.
Und das nicht nur, weil Fisch und andere "Meeresfrüchte" für viele
Menschen ein wichtiger Teil des Speiseplans sind, sondern weil die
Ozeane die Hauptquelle für die Freisetzung von Sauerstoff bilden,
bedeutender noch als die tropischen Regenwälder.

Quellen:
[1] "Clay mineral continental amplifier for marine carbon
sequestration in a greenhouse ocean", Martin J. Kennedy, Thomas
Wagner. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)

www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1018670108

[2] "Greenhouse ocean study offers warning for future", Terra Daily/AFP, 20. Mai 2011
http://www.terradaily.com/reports/Greenhouse_ocean_study_offers_warning_for_future_999.html

20. Mai 2011