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KLIMA/511: Doha-Konferenz in Bewegung - doch wohin? (SB)


Internationale Klimaschutzpolitik setzt scheitern fort



In die Klimaschutzverhandlungen von Doha komme allmählich Bewegung, lesen wir in der Presse. Nachdem die größten Emittenten von Treibhausgasen an den ersten Tagen der Mammutkonferenz nicht bereit waren, ihre leeren Versprechungen von früheren Konferenzen zu wiederholen, ist die Bundesrepublik Deutschland nun mit der unglaublichen Zusage, weitere Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitstellen zu wollen, vorgeprescht. Da dürften sich die anderen Konferenzteilnehmer aufgefordert fühlen, nachzuziehen. Wohlgemerkt, mit Zusagen; was davon tatsächlich gezahlt wird, steht in den Sternen.

Zwar ist noch unklar, woher die Bundesregierung das Geld nehmen wird - okay, es ist selbstverständlich IMMER das Geld der Steuerzahler -, also genauer gesagt, aus welchem Topf es genommen werden soll, aber eingedenk der bekanntlich kreativen Haushaltsführung der Bundesregierung wäre es durchaus denkbar, daß sie sich der guten alten Tradition erinnert und die Gelder für den Klimaschutz von der Entwicklungshilfe abzieht. So wie ab Ende der neunziger Jahre bei den großspurig angekündigten Entschuldungsmaßnahmen für die wirtschaftlich ärmeren Staaten des Trikonts.

Um die ärmeren Staaten geht es angeblich auch in Doha, denn sie haben das Nachsehen bei der zu erwartenden globalen Verschlechterung der Lebensverhältnisse durch den Klimawandel. Um der üblichen Zahlenarithmetik genüge zu tun: Wenn so weiter gewirtschaftet wird wie bisher, verfehlt die Menschheit das Ziel, die globale Temperatur um nicht mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen zu lassen, bei weitem. Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimawandelfolgen und anderer renommierter Institutionen rechnen damit, daß die globale Temperatur im Laufe dieses Jahrhunderts um drei bis vier Grad Celsius steigen wird. Nur zur Erinnerung: Die kleinen Inselstaaten werden schon beim kaum noch einzuhaltenden 2-Grad-Ziel vom Meer überflutet.

Die jährlichen Klimakonferenzen unter der Ägide der Vereinten Nationen verkommen in Doha endgültig zur Scharade. Das könnte dazu verleiten, die internationale Klimaschutzpolitik als zahnlosen Tiger anzusehen. Das jedoch ist sie jedoch nur in Hinsicht der behaupteten Absicht, die Erde retten und die Menschheit schützen zu wollen. Denn auch ohne Klimawandel wissen rund eine Milliarde chronisch hungernde und mindestens eine weitere Milliarde verarmte Menschen, nicht, wer mit "die Menschheit" eigentlich gemeint sein soll. Sie selbst jedenfalls nicht, für sie ist in dieser Weltordnung kein Platz vorgesehen. Und nun kommen die gleichen politischen Entscheidungsträger, die die gegenwärtige Wirtschaftsordnung als alternativlos ansehen, an und behaupten, sie wollten wirksame Klimaschutzmaßnahmen zum Wohle der armen Länder beschließen?

Nein, das ist selbstverständlich nicht glaubwürdig. Von daher trifft zahnloser Tiger zu. Viel entscheidender sind jedoch die Maßnahmen, die in Zukunft unter dem Vorwand des Klimaschutzes auf den Weg gebracht oder beschlossen werden und auf das angepaßte Verhalten des einzelnen abheben. Was derzeit noch spielerisch rüberkommt - beispielsweise die Berechnung des eigenen ökologischen Fußabdrucks oder der Wärmedämmung der eigenen vier Wände -, dürfte angesichts der auf die Menschen zukommenden Verengung der Lebensverhältnisse als Folge des massiv nach unten weitergereichten Drucks durch die Finanz- und Wirtschaftskrise im wachsenden Ausmaß in Anpassungsforderungen an und somit Repressionen gegen den einzelnen münden. Aus dem freiwilligen Verzicht auf (klimaschädliches) Fleisch wird eine Politik des Fleischverzichts, aus dem Wunsch, mal mit dem Fahrrad zu fahren, wird ein Autofahrverbot (was mittels des hohen Benzinpreises faktisch für die einkommenschwachen Haushalte bereits heute gilt).

Man muß dieses düstere Bild nicht teilen, aber ist es angesichts der jüngsten Austeritätsmaßnahmen der europäischen Regierungen, die einerseits Banken als "systemrelevant" mit dreistelligen Milliardenbeträgen erhalten, große Bevölkerungsteile jedoch als offenbar nicht systemrelevant abstempeln und in Armut stürzen, wirklich vollkommen von der Hand zu weisen?

Wenn Hartz-IV-Bezieher bereits dazu gebracht werden, sich einen Bewegungsschrittzähler anlegen zu lassen [1] - selbstverständlich freiwillig, befristet, nur mal so zum Test und ohne böse Hintergedanken - oder sie zur Teilnahme an Rauchentwöhnungskursen verleitet werden, dann hat das nur oberflächlich nichts mit Klimaschutzmaßnahmen zu tun. Faktisch jedoch wird administrativ in Lebensbereiche eingegriffen, die vormals als Privatsache galten. Hier zeichnet sich jedoch ein Wertewandel ab: Hartz-IV-Bezieher werden einer stärkeren Verhaltenskontrolle unterworfen als andere Mitglieder der Gesellschaft. Deswegen ist damit zu rechnen, daß, wenn sich die Klimaverhältnisse wie von den Experten angekündigt zuspitzen, auch auf diesem Gebiet Verhaltensvorschriften zur Senkung der individuellen Treibhausgasemissionen gemacht werden.

Was immer an Ergebnissen bei der Doha-Konferenz am Ende herauskommt, wird nicht primär die Lebensverhältnisse der schon heute Marginalisierten verbessern, sondern die bestehende Ordnung sichern, und das ist etwas vollkommen anderes. Es bedeutet angesichts des allgemeinen Ressourcenmangels, der schwindenden Voraussetzungen der Nahrungsproduktion (Energie, Süßwasser, fruchtbarer Boden) Verzicht, Verzicht, Verzicht - sowohl ökoideologisch als auch religiös verbrämt mittels der Bedrohung von außen durch die übermächtige Natur, die besänftigt werden muß.


Fußnoten:

[1] http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1067431/

6. Dezember 2012