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KLIMA/528: Instabiles Eis - Besorgter Blick auf die Ostantarktis (SB)


Massive Eisschmelze in der Antarktis vor 5 Millionen Jahren



Wissenschaftlern wird hin und wieder vorgeworfen, sie säßen im Elfenbeinturm und betrieben Forschung um der bloßen Forschung willen, ohne daß diese eine über den Expertenkreis hinausgehende gesellschaftliche Relevanz besäße. Umgekehrt könnten aber auch Wissenschaftler mit einiger Berechtigung behaupten, daß die Gesellschaft nicht zuhört, wenn sie etwas zu sagen haben, das wichtig für alle Menschen ist. So werden nahezu im Wochentakt Studien veröffentlicht, die für sich genommen oder in Verbindung mit anderen Untersuchungen Hinweise darauf liefern, daß das Klima der Erde auf Verhältnisse zusteuert, bei denen das Leben eines großen Teils der Menschheit akut gefährdet wäre.

Am Sonntag berichtete die Website ScienceDaily.com [1] über die Forschungsergebnisse zur Eisbedeckung der Ostantarktis vor drei bis fünf Millionen Jahren im geologischen Zeitalter des Pliozäns. Damals gab es Phasen, in denen sich das Eis aufgrund des warmen Klimas zurückzog, was zum Anstieg des globalen Meeresspiegels um etwa zehn Meter beitrug. Der Gehalt des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Erdatmosphäre entsprach in etwa dem aktuellen Wert, und die globale Durchschnittstemperatur lag zwei bis drei Grad höher als heute. Solche Temperaturen werden für das Ende dieses Jahrhunderts erwartet, berichtete Co-Autorin Dr. Tina Van De Flierdt vom Department of Earth Science and Engineering des Imperial College London.

Weil aus dem Pliozän selbstverständlich keine menschlichen Aufzeichnungen existieren und Zeitreisen eine Science-fiction-Phantasie sind, bedienen sich die Forscher behelfsweise sogenannter natürlicher Klimaarchive, um Aussagen über die Verhältnisse in erdgeschichtlicher Vorzeit treffen zu können. Denn jedes Klima hinterläßt spezifische Spuren zum Beispiel in Eisschichten, Baumringen oder Sedimenten.

In der aktuellen Studie wurden Bohrungen in den Schlammablagerungen am Meeresboden vor der Küste der Antarktis durchgeführt. Die Bohrkerne enthielten Sedimentspuren von Gestein, das ausschließlich im Landesinnern der Antarktis vorkommt. Dort müssen demnach starke Erosionskräfte gewirkt haben, woraus folgt, daß das Gestein nicht von Eis bedeckt gewesen sein konnte. Die Sedimente wurden dann mit dem Schmelzwasser abtransportiert und schließlich dort abgelagert, wo sie heute in verfestigter Form anzutreffen sind.

Dank der Bohrkerne besaßen die Forscher Daten, auf deren Grundlage sie das Volumen des Eises, das damals im Vergleich zu heute geschmolzen war, abschätzen konnten und brauchten bloß noch auszurechnen, wieviel das Schmelzwasser zum globalen Meeresspiegelanstieg beigetragen hat.

Bisher galt der ostantarktische Eisschild als stabiler als die wesentlich kleineren Eisschilde in der Westantarktis und auf Grönland, die unter den Klimabedingungen des Pliozäns besonders starken Schmelzvorgängen unterworfen waren und den globalen Meeresspiegel etwa um 20 Meter ansteigen ließen.

Ihre Arbeit zeige, daß der Ostantarktische Eisschild in der Vergangenheit empfindlicher auf den Klimawandel reagiert hat als bislang angenommen, berichtete Co-Autorin Carys Cook vom Grantham Institute for Climate Change beim Imperial College London. "Diese Entdeckung ist wichtig, um zu begreifen, was mit der Erde geschehen könnte, wenn wir nicht die Auswirkungen des Klimawandels in den Griff bekommen", sagte sie.

Die Interpretation von Klimaarchiven birgt stets gewisse Unsicherheiten. Aber die Fülle an Studien zum Verhalten der Eismassen in erdgeschichtlicher Vorzeit läßt vor dem Hintergrund der aktuellen Beobachtung eines beschleunigten Abschmelzens der westantarktischen und grönländischen Gletscher sowie der beginnenden strukturellen Zerrüttung dieser Eisschilde eigentlich nur den Schluß zu, daß sich das "System Erde" bereits in einem Stadium befindet, bei dem Anstieg des Meeresspiegels kaum noch aufzuhalten sein wird.

Gegenwärtig scheint der mehrere tausend Meter mächtige Eisschild der Ostantarktis relativ stabil zu sein; erhöhte Niederschläge führen sogar zu einem leichten Volumenzuwachs, was Forscher mit der feuchteren und wärmeren Luft über dem Südkontinent in Verbindung bringen. Sollten sie aber jemals berichten, daß jetzt auch die Gletscher der Ostantarktis anfangen, sich zurückzuziehen, dann wäre die Trägheit der letzten, als stabil geltenden Eismasse der Erde überwunden. Die Folgen eines Meeresspiegelanstiegs um mehrere Meter für die Menschheit wären nicht unabsehbar, sondern absehbar: Man braucht sich lediglich zu vergegenwärtigen, wie heute überaus "herzlich" Flüchtlinge aus Regionen, die oftmals klimatisch benachteiligt sind oder Dürrekatastrophen erlebt haben (Syrien, Somalia, Sudan), von den Ländern der Wohlstandsregion EU aufgenommen werden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex erwägt seit einigen Jahren, Drohnen zur effizienteren Sicherung der Grenzen einzusetzen. [2] Dazu wurden auch Drohnenmodelle geprüft, die mit Waffen bestückt werden können.


Fußnoten:

[1] http://www.sciencedaily.com/releases/2013/07/130721161502.htm

[2] http://www.n-tv.de/politik/Frontex-prueft-neue-Fangtechniken-article10720771.html

22. Juli 2013