Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

KLIMA/530: Tempo des Klimawandels nahezu beispiellos (SB)


Wissenschaftsmagazin "Science" mit Schwerpunkt Klimawandel

Werden die Ökosysteme mit der rasanten Veränderung des Klimas Schritt halten?



'Das Klima wandelt sich, na und? Das hat's doch alles schon gegeben', lautet eine unter sogenannten Klimaskeptikern verbreitete Vorstellung. Sie begründen dies mit wissenschaftlichen Studien über paläoklimatische Verhältnisse, die aus Sedimentablagerungen, Baumringen, Stalagmiten, Eisschichten und anderen natürlichen "Archiven" abgelesen werden.

Zwar trifft es zu, daß es Zeiten gab, da die Erde viel heißer war und die Meere saurer waren, da der Meeresspiegel erheblich höher lag und sich das Eis aus den Hochgebirgen und von den Polkappen weiter als heute zurückgezogen hatte. Doch wer sich darauf beruft, sollte so konsequent sein, auch die weiteren Interpretationen der Forscher zuzulassen: Die natürlichen Systeme der Erde verändern sich heute nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie in der Vergangenheit, sondern mit einer sehr viel höheren.

So ein Tempo hat es in den letzten 65 Millionen Jahren nicht gegeben, berichtete eine Forschergruppe um Noah Diffenbaugh, assoziierter Professor für Umwelterdsystemforschung am Stanford Woods Institute for the Environment, und Chris Field, Professor für Biologie und Umwelterdsystemforschung am Stanford Woods Institute for the Environment sowie Leiter des Department of Global Ecology bei der Carnegie Institution, in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science". [1]

Die US-Forscher werteten zahlreiche Studien aus, die vom Einfluß des Klimawandels auf verschiedene Ökosysteme handelten. Beispielsweise erfuhr die globale Durchschnittstemperatur vor 20.000 Jahren, als die Erde eine Eiszeit hinter sich hatte, einen Temperatursprung von fünf Grad Celsius. Voraussichtlich um den gleichen Betrag wird die globale Durchschnittstemperatur der Erde im Verlaufe des 20. und 21. Jahrhunderts steigen, sollte der Trend der menschengemachten Emissionen von Treibhausgasen anhalten.

Die Ökosysteme konnten sich dem Temperaturanstieg anpassen, weil der Klimawandel über mehrere tausend Jahre ablief. Das verhalf den Tier- und Pflanzenarten zu der erforderlichen Zeit, um mit den neuen Verhältnissen zurechtzukommen. Gegenwärtig verändert sich aber das Klima innerhalb von Jahrzehnten. Dadurch sind viele Arten überfordert, was sich laut den US-Forschern schon heute an einzelnen Beispielen zeige.

Sie machten noch auf einen weiteren Unterschied zwischen den gegenwärtigen und den erdgeschichtlichen Klimaverhältnissen aufmerksam: Früher traten keine menschlichen Stressoren auf. Durch Urbanisierung, Luft- und Wasserverschmutzungen und andere Faktoren werden die Tier- und Pflanzenarten wie nie zuvor in der Erdgeschichte einem hohen Überlebensdruck ausgesetzt.

Die Wissenschaft hat fünf Massensterben im Laufe der Erdgeschichte ausfindig gemacht. Zur Zeit befinden wir uns im sechsten Massensterben, und das läuft mit einem bislang nie dagewesenen Tempo ab. Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Ozeane. Früher waren sie durchaus schon mal sehr viel saurer als heute, doch die Geschwindigkeit, mit der sie derzeit versauern, ist vermutlich beispiellos für die letzten 300 Millionen Jahre. Es ist nicht geklärt, ob sich Korallen und andere Meeresbewohner dieser raschen Entwicklung anpassen können.

Und der Mensch? Wird er sich rechtzeitig anpassen können? Diese Frage hebt auf zukünftige Entwicklungen ab. Dabei wird aber ignoriert, daß es keines klimatischen Einflusses bedarf, daß der Mensch des Menschen Feind wird. Schließlich ist die Menschheitsgeschichte im wesentlichen eine der Kriege und der Vorbereitung auf sie.

Insofern kann schon der Eindruck aufkommen, daß die gegenwärtige Debatte über eine weitere aktuelle "Science"-Studie [2], die einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kriegen herstellt und der von verschiedenen Seiten Unsauberkeit wegen des angeblich voreingenommenen Umgangs mit Daten vorgeworfen wird, im Elfenbeinturm, fern der aktuellen gesellschaftlichen Konflikte, geführt wird.


Fußnoten:

[1] N. S. Diffenbaugh, C. B. Field: Changes in Ecologically Critical Terrestrial Climate Conditions. Science, 2013. DOI: 10.1126/science.1237123

[2] Solomon M. Hsiang, Marshall Burke, Edward Miguel: Quantifying the Influence of Climate on Human Conflict. Science, 2013. DOI: 10.1126/science.1235367

2. August 2013