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KLIMA/612: US-Energieminister keilt gegen Deutschland aus (SB)


Kritik an Braunkohleverstromung


US-Energieminister Rick Perry hat die deutsche Klimaschutzpolitik kritisiert. Mit Blick auf das Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015 sagte er, unter anderem auf Deutschland bezogen: "Unterzeichnet kein Abkommen und erwartet dann von uns, dabei zu bleiben, wenn ihr euch nicht wirklich beteiligt und Teil davon seid." [1]

Daß hier jemand mit Steinen wirft, der im Glashaus sitzt, ist offensichtlich. Der frühere Gouverneur des Erdöl-Bundesstaats Texas ist Mitglied einer Regierung, die das Klimaschutzabkommen von Paris neuverhandeln oder kippen will und im Begriff ist, die Umweltschutzbehörde EPA zu entmachten. [2] Aber wenn die Bundesregierung den USA keine offene Flanke bieten würde, stieße Perrys Vorwurf ins Leere. So aber trifft er durchaus ins Ziel, und sich darüber aufzuregen, daß ausgerechnet die von sogenannten Klimaskeptikern durchsetzte US-Regierung das als Vorreiter der Energiewende angesehene Deutschland für unzureichenden Klimaschutz attackiert, hieße, das gegenwärtig gezielte Ausbremsen der Energiewende durch die Große Koalition zu ignorieren.

Deutschland hat zwar in den letzten zehn, fünfzehn Jahren den Anteil an erneuerbaren Energien am Strommix kräftig angehoben, dennoch gewinnt es über 40 Prozent seines elektrischen Stroms aus Braunkohle, und die ist selbst unter den fossilen Energieträgern noch die "klimaschädlichste". Oder, um mit Perry zu sprechen: "Kohle ist schmutzig."

Einen Vergleich mit den USA oder anderen Staaten in Hinsicht Fortschritte bei der Klimaschutzpolitik braucht die Bundesrepublik nicht zu scheuen. Das "kleine" Problem nur: So ein Vergleich nützt nichts, vor allem dann nicht, sobald eine unvergleichliche Entwicklung eintritt. Und eben die wird von der Wissenschaft vorausgesagt. Das Klima wandelt sich in einer erdgeschichtlich einmaligen Geschwindigkeit, und wenn weiterhin so große Mengen an fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle verfeuert werden wie bisher, entstehen Klimazonen, die es bislang noch nicht gab. Und diese werden unbewohnbar sein.

Die Bundesrepublik Deutschland pflegt einen Lebensstil, der zu Lasten der Menschen in den ärmeren Ländern geht, die sich nicht die Klimaschutzmaßnahmen leisten können, die erforderlich wären, um die Folgen der globalen Erwärmung schadlos oder wenigstens schadarm abzufedern. Hier und heute werden darüber hinaus auch die Lebensvoraussetzungen zukünftiger Generationen vernichtet. Selbst wenn der Millionär Perry das nicht gemeint haben dürfte, wenn er das Motto seines Chefs, "America first!", befolgt und das Abkommen von Paris neu verhandeln will, relativiert das nicht im mindestens Deutschlands Vermeiden von ambitionierteren Klimaschutzmaßnahmen, die durchaus machbar wären.

Wenn man die Eigentumsfrage aufwirft, und das sollte man spätestens an der Stelle, an der es um menschheitsgeschichtliche Weichenstellungen geht, und untersucht, wer von den Bundesbürgerinnen und -bürgern für welche CO2-Emissionen verantwortlich ist, so zeigt sich eine Diskrepanz zwischen den Habenden und den Habenichtsen. Wer es sich leisten kann, zweimal im Jahr mit dem Flugzeug in Urlaub zu fliegen, oder in einer großen Villa mit Anwesen lebt, wer mehrere Autos sein eigen nennt und einen begehbaren Schrank braucht, um seine vielen Klamotten unterzubringen, ist für ein Vielfaches an CO2-Emissionen gegenüber Personen verantwortlich, die nur mit staatlicher Unterstützung und der Versorgung durch die Tafeln einigermaßen über die Runden kommen.

Ein rascher Braunkohleausstieg wäre sozialverträglich machbar. Es bedarf allerdings am wenigsten eines Rick Perry, um auf den Widerspruch zwischen dem Worten und Taten der Bundesregierung aufmerksam zu machen.


Fußnoten:

[1] https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-04-26/germany-calls-rick-perry-s-push-to-rework-paris-accord-absurd

[2] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-608.html

28. April 2017


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