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KLIMA/636: Umwelt - Schutzbehauptungen ... (SB)



Am 4. Januar gab die US-Weltraumbehörde NASA bekannt, daß erstmals ein direkter Beweis für die Erholung des Ozonlochs erbracht wurde. Demnach hat das von der Staatengemeinschaft im September 1987 beschlossene und Anfang 1989 in Kraft getretene Montreal-Protokoll Wirkung gezeigt. Das Abkommen wird allgemein als Erfolgsgeschichte der internationalen Diplomatie und des erwachten Umweltbewußtseins angesehen. Ein schönes Märchen ...

Das Unternehmen DuPont, das Weltmarktführer bei der Produktion der ozonzersetzenden FCKWs war, heftet sich den Erfolg aufgrund seiner vermeintlich vorbildlichen Unternehmenseinstellung ans Revers. Die Politik wiederum klopft sich auf die eigene Schulter ob des gemeinsamen Beschlusses, die Produktion und Anwendung von FCKWs - differenziert nach Fristen, Nationen und Produktarten - auslaufen zu lassen. Umweltschutzgruppen wähnen ihren Einfluß und ihre ständige Agitation in der Öffentlichkeit gegen FCKWs als entscheidenden Antrieb für die schlußendliche Einigung auf dem politischen Parkett. Welcher dieser drei gesellschaftlichen Gruppen man auch immer den Erfolg zusprechen will, allzu oft wird vernachlässigt, daß ökonomische Vorteilserwägungen seitens der Beteiligten die entscheidende Voraussetzung waren.

Anfang der siebziger Jahre hatte der britische Wissenschaftler James Lovelock festgestellt, daß die Atmosphäre nach wie vor fast alle FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe), die bis dahin unter anderem durch Spraydosen und Kühlschränke emittiert worden waren, enthielt. 1974 berichteten die beiden US-Forscher Frank Sherwood Rowland und Mario Molina im Wissenschaftsmagazin Nature, daß jene Chlorverbindungen in 15 bis 30 Kilometer Höhe stratosphärisches Ozon abbauen, aufgrund dessen ultraviolette Strahlung bis zur Erdoberfläche vordringt und dort die menschliche Gesundheit und Umwelt gefährdet. 1995 erhielten sie gemeinsam mit Paul Crutzen den Nobelpreis für Chemie für ihre Arbeiten über Ozon.

Das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht wird als Vorbild für erfolgreiche internationale Zusammenarbeit zum Schutz der Erde angesehen. Warum nur klappt es mit dem Klimaschutzabkommen nicht so schnell und zuverlässig?, lautet eine in den Medien häufig aufgeworfene Frage. Hierfür kann vielleicht die aktuelle Erklärung von US-Präsident Donald Trump einen Hinweis liefern. Er schließt eine Rückkehr der USA zum aufgekündigten Klimaabkommen von Paris nicht aus, wenn der "Deal" nicht so unfair wäre. Man muß die politische Richtung, für die Trump steht, nicht mögen, hier jedenfalls spricht er Klartext: Es geht um wirtschaftliche Vorteile. Das Streben danach ist kein Alleinstellungsmerkmal der gegenwärtigen US-Regierung oder einer bestimmten Nation.

Im Internet sind unter den Stichworten "DuPont" und "patents" einige Beiträge abrufbar, in denen behauptet wird, daß die US-Delegation dem Montreal-Protokoll 1987 nur deshalb zugestimmt hat, weil der Patentschutz auf das Kühlmittel Freon des überaus einflußreichen US-Chemiekonzerns DuPont sowieso bald ausgelaufen wäre. Diese These kann nicht bestätigt werden, sie nutzt allenfalls als Spur, um auf die handfesten wirtschaftlichen Interessen DuPonts zu stoßen, das Mitte der 1970er Jahre fast die Hälfte des US-Markts und ein Viertel des Weltmarkts mit dem FCKW-haltigen Freon belieferte. Zu der Zeit wurde in der Öffentlichkeit viel über Umweltgefahren diskutiert, hatte doch die 1972 vom Club of Rome herausgegebene Studie "Grenzen des Wachstum" weltweit enorme Aufmerksamkeit erregt. Würden die Ressourcen weiter so wie bisher verbraucht, die Umwelt belastet und das Bevölkerungswachstum anhalten, wäre in hundert Jahren mit dem Kollaps der menschlichen Zivilisation zu rechnen, lautete die zentrale Schlußfolgerung.

Bereits 1975 kündigte das bedeutende US-Chemieunternehmen Johnson Wax seine Absicht an, die Verwendung von FCKWs auslaufen zu lassen. Weitere Unternehmen unter anderem aus der Kosmetikbranche folgten. DuPonts Verkaufszahlen für Freon gingen zurück. In zahlreichen US-Bundesstaaten wurden FCKW-haltige Treibmittel in Spraydosen verboten. Die Umweltbehörde EPA erarbeitete Bestimmungen, nach denen die Hersteller toxischer Substanzen verpflichtet werden sollten, umfassende Tests vor der Marktzulassung der von ihnen entwickelten Substanzen durchzuführen. 1978 verhängte die US-Regierung ein Verbot für die meisten FCKWs in Spraydosen. Darauf mußte DuPont reagieren, nachdem es zuvor behauptet hatte, wissenschaftlich sei kein Zusammenhang zwischen FCKWs und der Wirkung auf Ozon erwiesen. Dann zog DuPont die Reißleine und zeigte sich plötzlich einsichtig. Doch die Einsicht des Unternehmens war ökonomisch motiviert.

Die Europäer folgten nicht den US-Bestimmungen und vertrieben weiterhin FCKW-haltige Produkte. Dadurch konnten sie DuPont und anderen US-Unternehmen rund 20 Prozent der Weltmarktanteile abjagen. 1985 gaben die britischen Wissenschaftler Joe Farman, Brian Gardiner und Jonathan Shanklin in Nature die Entdeckung des massiven Ozonverlustes in der Stratosphäre oberhalb der Antarktis bekannt. Damit hatten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Nicht allein weil man die europäische Konkurrenz mit ins Boot holen wollte, sondern auch, weil die Ersatzstoffe der FCKWs ein Mehrfaches so teuer verkauft werden konnten und eine zunehmende weltweite Abkehr von den ozonzersetzenden Substanzen somit zugleich eine Eröffnung für den Verkauf neuer Chemikalien bedeutete, befürwortete DuPont das Montreal-Protokoll. Die Chemiebranche ging nicht geschwächt, sondern gestärkt aus der globalen Beinahe-Katastrophe des ungebremsten Ozonverlustes hervor. Typischerweise stellte sich der wichtigste Ersatzstoff für FCKW-haltige Treibmittel in Spraydosen seinerseits als extrem wirksames Treibhausgas heraus, das viele Jahre später ebenfalls verbannt werden mußte, und abermals mußte die Produktion umgestellt werden.

Der UN-Verhandlungsprozeß zum globalen Klimaschutz, der im Dezember 2015 zum Klimaabkommen von Paris geführt hat, erweist sich wahrscheinlich auch deshalb als vergleichsweise holprig, weil das Montreal-Protokoll "mit" den wirtschaftlichen Interessen der Industrie übereinstimmte und nicht "gegen" sie gerichtet war. Will man dagegen im Rahmen des globalen Klimaschutzes Treibhausgasemissionen reduzieren, müßte man 80 bis 90 Prozent der heute bekannten Lagerstätten an fossilen Energieträgern Erdöl, Erdgas, Kohle im Boden belassen. Sie dürfen nicht gefördert werden - und das richtete sich "gegen" die wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen, Branchen und Nationen.

1987 führte der damalige Leiter des UN-Umweltprogramms, Mustafa Tolba, das Zustandekommen des Montreal-Protokolls auf ein neues globales Umweltbewußtsein zurück und sah eine "neue Ära der Umweltverantwortung" anbrechen. Ähnlich klangen die Lobeshymnen, die 2015 nach Abschluß des Klimaabkommens von Paris von den Regierenden ventiliert wurden. In beiden Fällen werden hehre ethische Werte behauptet, wo nüchterne Vor- und Nachteilserwägungen das Geschehen bestimmt haben.

Der im überschwenglich gepriesenen Abkommen von Paris formulierte Wunsch, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf möglichst 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu beschränken, ist kaum einzuhalten. In den letzten Jahren schnellt die globale Durchschnittstemperatur so stark nach oben, daß die Menschen froh sein können, wenn die Entwicklung bei drei, vier Grad über dem Ausgangswert endet. Das Abkommen von Paris wäre vielleicht bei radikalen Klimaschutzmaßnahmen einzuhalten, aber vermutlich nicht "mit", sondern nur "gegen" die massiven wirtschaftlichen Interessen zahlreicher Akteure. Grandios, weltbewegend und revolutionär waren bestenfalls die Worte, nicht die Taten.

11. Januar 2018


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