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KLIMA/668: Kohleabbau - Schäden umfassender und nachhaltiger ... (SB)


Abgetragene Bergkuppe mit verschiedenen Zufahrts- und Betriebswegen - Foto: Kate Wellington, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Mountaintop Removal Mining am Kayford Mountain im US-Bundesstaat West-Virginia
Foto: Kate Wellington, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

In den USA werden für den Kohleabbau ganze Bergkuppen weggesprengt. Mit dem Abraum werden anschließend die Täler gefüllt. Abgesehen davon, daß durch die Verbrennung der Kohle die globale Erwärmung befeuert wird, wird auch die örtliche Umwelt massiv verändert. Forscher haben festgestellt, daß die chemische Verwitterung auf den Bergbauflächen bis zu 45mal schneller abläuft als auf ungestörten Flächen. Das ist einer der Gründe, warum die Fließgewässer und das Grundwasser in den Bergbaugebieten versauern. Die Schadensfolgen enden nicht mit dem Abschluß der Kohleförderung, sondern betreffen auch zukünftige Generationen.

Eine Forschergruppe um Matthew Ross von der Staatsuniversität Colorado hat an den Standorten des sogenannten Mountaintop Removal Mining in den zentralen Appalachen die Geschwindigkeit der chemischen Verwitterung untersucht. Diese läuft in einem so hohen Tempo ab, wie es in nur wenigen anderen Weltregionen zu beobachten ist, schrieben die Forscher im Journal Global Biogeochemical Cycles [1].

Die chemische Verwitterung kommt auf Touren, sobald das in der Kohle enthaltene Mineral Pyrit bzw. Eisendisulfid (FeS₂), besser bekannt als Katzengold, der Luft ausgesetzt wird. Dabei entsteht Schwefelsäure (H₂SO₄), die sowohl mit dem Abwasser der Tagebaue als auch mit den Niederschlägen von den Bergkuppen talabwärts gespült wird und ihre tendenziell zersetzende Wirkung auf die Umwelt entfaltet. Zwar ergreifen die Betreiberfirmen der Kohleförderung Gegenmaßnahmen, damit sich so wenig Schwefelsäure wie möglich bildet, indem sie das pyrithaltige Gestein mit Karbonatgestein mischen oder es damit umgeben. Das hemmt die Säureproduktion. Aber ausgerechnet die Kombination aus Säurebildung und Neutralisierung erzeugt ideale Bedingungen für die rasche chemische Verwitterung des Gesteins.

Das löst weitere Probleme aus. Der Haupttreiber innerhalb jenes Anteils an der globalen Erwärmung, der auf menschliche Aktivitäten zurückgeht, ist Kohlenstoffdioxid (CO₂). Bei der chemischen Verwitterung entsteht daraus in Verbindung mit Wasser Kohlensäure (HC₂O₃), das die chemische Verwitterung geringfügig fördert. Reagiert die Kohlensäure mit Silikatgestein, wird der Kohlenstoff dauerhaft im Gestein gebunden und somit der Atmosphäre entzogen. Das ist ein kleiner, aber wünschenswerter Effekt, da er Klimaschutzmaßnahmen unterstützt.

In den Bergbauregionen passiert jedoch etwas völlig anderes. Da bestimmt die Schwefelsäure die Geschwindigkeit der chemischen Verwitterung, wohingegen Kohlensäure an Bedeutung verliert. Umgekehrt sorgt die Schwefelsäure dafür, daß Karbonate zersetzt werden und CO₂ freisetzen. Bergbauregionen gelten deshalb als Kohlenstoffquellen, und zwar auch dann noch, wenn die Firmen längst mit ihren Bergbaumaschinen zur nächsten Bergkuppe weitergezogen sind, um diese abzutragen.

Nach Einschätzung der Forscher werden in Bergbaugebieten zwischen 20 und 90 Prozent des Kohlenstoffs, den die Pflanzen nach der Wiederansiedlung absorbieren, durch die Kohlenstoffemissionen bei der Verwitterung egalisiert. Mit anderen Worten, selbst eine renaturierte Bergbauregion, in der sich Pflanzen angesiedelt haben, bildet lange Zeit nach wie vor eine Kohlenstoffquelle.

Somit verstärkt die Kohleförderung die globale Erwärmung auf zweifache Weise: sowohl durch die Verbrennung der Kohle als auch durch die chemische Verwitterung.

Der deutsche Energiekonzern RWE hat nicht nur das größte Loch in Europa gegraben, den Braunkohletagebau Hambach, sondern hält laut einer Bestandsaufnahme "Deutscher Auslandsbergbau heute - Beispiel Nordamerika" der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vom Januar 2018 [2] über eine US-Tochter der RWE Supply & Trading GmbH noch immer sechs Prozent Anteil an dem US-Unternehmen Blackhawk Mining LLC, das in Zeiten der Hochkonjunktur sehr intensiv Bergkuppen weggesprengt hat. Als RWE im Jahr 2012 mit einem 25prozentigen Geschäftsanteil in das Unternehmen einstieg, hatte das regelrecht explosive Wirkung auf diese höchst umstrittene Form des Kohleabbaus. Vor drei Jahren erst wurde der RWE-Anteil auf zehn und 2016 schließlich auf sechs Prozent gesenkt. Die Deutsche Bank hatte damals das Mountaintop Removal Mining mitfinanziert.

Über die Frage, warum sich RWE wieder aus dem Geschäft zurückzieht, kann man viel spekulieren. Vielleicht ist das Unternehmen plötzlich zu der Einsicht gelangt, daß es doch so keine gute Idee ist, die Erde langfristig unbewohnbar zu machen. Allerdings wäre dann zu fragen, warum es auf Teufel komm raus gegen Widerstand und Proteste großer Teile der hiesigen Bevölkerung den Restwald des Hambacher Forsts roden will, nur um Braunkohle abzubauen. Plausibler wäre da schon die Vermutung, daß nach dem wirtschaftliche Niedergang der Kohlewirtschaft in den letzten Jahren in den USA der Ausstieg für RWE ökonomisch geboten schien.

Seit den 1960er Jahren wurden in den Appalachen schon mehr als 500 Bergkuppen abrasiert. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat sich in den letzten knapp zwei Jahren darin hervorgetan, systematisch und gründlich jedwede Umweltgesetze entweder deutlich abzuschwächen oder gleich ganz zu streichen. Das gilt auch für die gesundheitsgefährdende Kohleförderung. So wurde eine umfassende Untersuchung der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine zu den Gesundheitsgefahren des Mountaintop Removal Minings kurzerhand eingestellt. Die Trumpregierung betrachtet solche Ermittlungen als Verschwendung von Steuergeldern.


Keine hundert Meter hinter einem einzelnen Wohnhaus, das auf der Sohle eines engen, an den Seiten bewaldeten Tals steht, erhebt sich eine riesige Abraumhalde - Foto: Flashdark (www.mountainroadshow.com), public domain

Mit dem Abraum des Mountaintop Removal Mining wird ein Tal in Martin County, Kentucky, aufgefüllt.
Foto: Flashdark (www.mountainroadshow.com), public domain


Fußnoten:


[1] https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1029/2017GB005798

[2] tinyurl.com/yag9gmb7


2. Oktober 2018


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