Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


KLIMA/688: Erderwärmung - was man tun kann ... (SB)



Erst vor vier Monaten wurde die Bewegung Extinction Rebellion ins Leben gerufen. Seitdem haben sich ihr Tausende Menschen in mehreren Ländern angeschlossen. Und die "Rebellion gegen das Aussterben" wächst schnell, wie ein Blick auf Neugründungen und Treffen diverser Ortsgruppen im Veranstaltungskalender des deutschen Ablegers zeigt [1]. Die letzte größere, medienwirksame Aktion der XR abgekürzten Extinction Rebellion war Mitte Februar die Blockade der London Fashion Week, um gegen die Wegwerfkultur der Modebranche zu protestieren.

In einem Manifest der Bewegung werden die Machenschaften der Regierungen als "kriminell" bezeichnet, weil sie dem Aussterben letztlich auch der Menschheit in Folge multipler planetarer Krisen nichts entgegensetzen. Gefordert wird, daß erstens die Wahrheit über die akute Klimakrise verbreitet wird und sämtliche Gesetze, die der klimatischen Entwicklung nicht Rechnung tragen, revidiert werden; zweitens die Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2025 auf Null reduziert werden und drittens ein Umbau des politischen Systems hin zu einer Bürgerversammlung und partizipativen Demokratie vollzogen wird. [2]

Zwischen Extinction Rebellion und der ebenfalls noch jungen Schulstreikbewegung "Fridays For Future" gibt es wohl die größte Gemeinsamkeit, die man sich vorstellen kann: Beide Bewegungen wollen den Planeten bzw. das Leben auf der Erde retten. Mag der Schulstreik für Bundeskanzlerin Angela Merkel auch plötzlich entstanden sein und ihr bei einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz als Beispiel für die Mutmaßung gedient haben, daß eine sinistre Macht im Hintergrund die Strippen zieht, überraschend sind solche Bewegungen nur für diejenigen, die partout nicht begreifen wollen, daß ihr Beharren auf fossilgetriebenen, wachstumsgenerierten Wohlstand die Lebenschancen anderer Menschen raubt und daß damit nicht alle Menschen einverstanden sind.

Betroffen von solchen Machenschaften der Regierungen sind sowohl die Länder des Globalen Südens, in denen die Klimawandelfolgen längst begonnen haben, existenzvernichtende Ausmaße anzunehmen, als auch zukünftige Generationen, denen eine ökodesaströse Welt übergeben wird. Dagegen setzen sich nicht erst seit wenigen Monaten Menschen zur Wehr. Der Begriff "Klimagerechtigkeit" ist schon seit langem eine Forderung der internationalen Klimaschutzbewegung.

Extinction Rebellion entstand aus der Bewegung "Rising Up!" (Aufstehen!), die wiederum in Folge der 2015 unter anderem von Gail Bradbrook gegründeten britischen Bewegung "Compassionate Revolution" (Mitfühlende Revolution) hervorging. Die Bewegung "Schulstreik für das Klima" wiederum wurde von der im August 2018 noch 15jährigen schwedischen Aktivistin Greta Thunberg initiiert. Es war offenkundig nicht der russische Präsident Putin und seine mutmaßliche Armee von Cybertrollen, die ihren Bekanntheitsgrad in kurzer Zeit erhöht hat, sondern es waren zunächst die westlichen Medien, denen Thunberg bereitwillig Interviews gab, dann im Dezember 2018 ihre Rede auf der Klimaschutzkonferenz COP 24 in Katowice und schließlich gegen Ende Januar ihre Rede auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos.

Wenn es um die Bedienung des Feindbilds Rußland geht, scheint auch die Physikerin Merkel gerne zu munkeln. Die Klimakrise ist höchst akut. Das hat die Generation von Thunberg begriffen. Allerdings erweist sich ein weiteres Problem, das nicht erst die kommende Generation, sondern schon die jetzige zu lösen hat, als nicht minder groß. Damit sind nicht die vielen ökologischen Krisen gemeint wie beispielsweise das zur Zeit ablaufende 6. Massensterben der Arten in der Erdgeschichte, für das der Mensch verantwortlich ist, die Plastikvermüllung vom tiefsten Punkt des Marianengrabens bis zur Spitze des Mount Everest, oder auch der Mangel an Trinkwasser und Nahrungsmitteln für Milliarden Menschen, sondern die sich gegenwärtig zuspitzende politisch-gesellschaftliche Krise.

Allein daß ein Militärapparat wie der der USA einen Treibstoffverbrauch hat, der so hoch ist wie der des Industriestaats Schweden, zeigt die Verwobenheit der Klima- und der politischen Krise. Doch mehr noch, die Menschheit steuert auf einen großen Krieg zu, und es wäre wirklich keine gute Idee, die globale Erwärmung durch die Erzeugung eines nuklearen Winters kontern zu wollen. In diesem Fall ergäbe minus mal minus nicht plus, sondern das Ende der Mathematik.

Extinction Rebellion und die anderen Klimaschutzbewegungen bedienen sich Mitteln des zivilen Ungehorsams. Weder soll gegen Menschen noch gegen Dinge Gewalt angewendet werden. Damit unterscheiden sie sich in der Wahl der Mittel von Bewegungen wie Earth Liberation Front (ELF), die in den Neunziger und Nuller Jahren vor allem in den USA, aber auch in Kanada, UK und anderen Ländern Sachbeschädigungen zum Beispiel in Form von Brandanschlägen auf Autos, Gebäude, Ski-Anlagen und Forschungslabore verübt haben. ELF ging/geht es darum, durch direkte Aktionen die Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt aufzuhalten.

Ob ziviler Ungehorsam oder direkte Aktion, auf beiden Pfaden wird der Krieg [3] wieder denen angetragen, die ihn zwar nie erklärt, aber vor langer Zeit begonnen haben. So könnte man den Standpunkt der Extinction Rebellion als Aufstand gegen einen von den Regierungen, den herrschenden Interessen, den Eliten, dem Establishment geführten Krieg bezeichnen, und man muß sich fragen, wie lange sich die Bewegung noch daran hält, die Massen mobilisieren und auf diese Weise Druck auf die Regierungen aufbauen zu wollen. Wieviel Geduld bringt eine solche Bewegung auf in Anbetracht der knappen Zeit, die noch verbleibt, um die globale Klimakrise zu bremsen und vielleicht zu verhindern, daß ein oder mehrere Kippunkte in den Natursystemen überschritten werden, so daß keine Dynamik in Gang gesetzt wird, die erst enden würde, wenn sich das Gesicht der Erde vollkommen gewandelt hat?


Fußnoten:

[1] https://extinctionrebellion.de/veranstaltungen/

[2] https://xrebellion.org/

[3] Das Wort "Rebellion" ist lateinischen Ursprungs. "Re-" heißt "zurück" und "bellum" der "Krieg".

21. Februar 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang