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KLIMA/709: Globale Wandlungen - Raketenstarts mit Folgen ... (SB)



Für die kommende Breitband-Kommunikation mit dem 5G-Funkstandard wollen Unternehmen wie Amazon, Starlink und Samsung insgesamt mehrere zehntausend Satelliten ins All bringen. [1] Die Folgen für das Klima werden verheerend sein. Neben den hohen CO₂-Emissionen der Raketenstarts entstehen auch Rußpartikel, die die Atmosphäre verändern. Die Folgen der Raketenstarts für die Troposphäre (untere Atmosphäre) und Stratosphäre (obere Atmosphäre) sind noch gar nicht ausgelotet, aber man kann davon ausgehen, daß sie die empfindliche Chemie der Stratosphäre verändern und die Ozonschicht beschädigen werden.

Hinzu kommt der energieintensive Rohstoffabbau auf der Erde für die Trägerraketen und Satelliten sowie für das dichte Netz an zig Millionen Funkmasten und die atemberaubende Menge an Endgeräten. Nicht nur daß jeder Mensch ein Smartphone haben soll, auch alle möglichen Produkte, Anwendungen und Umgebungen - Autos, Haushalte, Fabriken, öffentlicher Raum - werden mit Kommunikationstechnologien für den 5G-Standard ausgestattet. Das forciert den Rohstoffabbau an Land, womöglich auch in der Tiefsee und, sofern technisch realisierbar, im Weltall.

Während also mit dem seit Jahren von der Umweltbewegung vergeblich geforderten, inzwischen aber auch von Regierungskreisen gepriesenen Konzept der CO₂-Steuer den ums Klima besorgten Menschen ein Leckerli hingehalten wird, das sie bekommen, wenn sie Wohlverhalten zeigen, als sei damit die Klimakatastrophe abzuwenden, wird hintenherum bereits der nächste Eskalationsschritt mitten hinein in die globale Katastrophe vorbereitet.

Man muß davon ausgehen, daß nicht nur Konzerne aus den Industriestaaten, sondern auch aus immer mehr Schwellenländern eigene Satellitennetze aufbauen, um das 5G-Netz mit dem "Internet der Dinge" und der "Industrie 4.0" einzurichten. Dabei werden die Zahlen der künstlichen Trabanten im Erdorbit pro Unternehmen voraussichtlich irgendwo zwischen 78 (LeoSat) und 12.000 (Starlink) liegen. Da die Objekte zumindest teilweise in relativ niedrigen Bahnen von 300 bis 400 Kilometern um die Erde kreisen, kommen Reibungskräfte zum Tragen, die ein Absacken und darum auch häufigeres Manövrieren und Anheben des Satelliten auf eine höhere Umlaufbahn erforderlich machen. Auch das ein Grund, warum die Betriebsdauer dieser Satelliten voraussichtlich nur wenige Jahre betragen wird, je nach Antriebsart und Treibstoffverbrauch.

Hinzu kommt, daß die technologische Entwicklung voranschreitet und auch der Funkstandard höhere Frequenzbänder in Anspruch nehmen wird. So könnte das Satellitennetz einen ähnlichen Effekt erfahren, wie er von der Windenergiegewinnung her bekannt ist, das Repowering. Das heißt, Satelliten veralten und werden durch leistungsfähigere ersetzt. All dies wird dazu beitragen, daß die riesige Flotte von voraussichtlich mehreren zehntausend Satelliten im laufenden Prozeß erneuert werden müßte.

Das Verglühen fehlgeleiteter oder unbrauchbarer Satelliten in der Atmosphäre wird in der Regel nur unter dem Gesichtspunkt untersucht, ob vielleicht Teile auf die Erde aufschlagen und dort Schaden anrichten. Die Frage sollte jedoch nicht vernachlässigt werden, welche Auswirkungen die Verbrennungsrückstände der verglühenden Satelliten selbst auf Dauer in der Atmosphäre haben. Sicherlich überwiegt die Masse an Staub und Gestein, die natürlicherseits tagtäglich aus dem Weltraum kommend in der Erdatmosphäre verglüht, auch in Zukunft die Emissionen aus verglühenden abstürzenden künstlichen Objekten um mehrere Größenordnungen. Jedoch sind die jeweiligen Verbrennungsrückstände nicht die gleichen und sollten hinsichtlich der 5G-Welt der Zukunft nicht unbeachtet bleiben.

Die klimatischen Folgen der Raketenstarts sind gravierend. Die Trägerrakete Ariane 5 der Europäischen Weltraumagentur ESA setzt beim Flug durch die Hochatmosphäre ungefähr 100 Tonnen Chlor frei, berichtet der Deutsche Wetterdienst. Durch ein einziges Chlor-Atom würden bis zu einer Million Ozon-Moleküle zerstört. [2]

Andere Trägerraketen wie beispielsweise die Falcon des Unternehmens SpaceX benutzen Flüssigtreibstoff. Der hat eine andere chemische Zusammensetzung und erzeugt kein Chlor, sondern andere Verbrennungsrückstände. Die sind in der unteren Atmosphäre ungefähr so wenig oder so sehr vernachlässigbar wie andere Emissionsquellen aus der Verbrennung des Energieträgers Kerosin (86 Prozent Kohlenstoff, 14 Prozent Wasserstoff). In der oberen Atmosphäre jedoch sind sie im höchsten Maße problematisch, und das auch und gerade wegen des Wasserstoffs, der dort zur Wolkenbildung beiträgt.

Vergleichbar mit den Emissionen des Flugverkehrs sind die Rußpartikel, den die Trägerraketen in der Atmosphäre hinterlassen, fünf bis 100 Nanometer klein und wirken als Kondensationskeime. Es bilden sich Wolken. Über die Emissionen der Treibstoffverbrennung hinaus ist zu bedenken, daß auch die große Hitzeentfaltung an den Boostern in deren Umfeld die Chemie der Atmosphäre verändert. Es entstehen Stickoxide, die in der Troposphäre zur Ozonbildung beitragen und dort als Treibhausgas wirksam sind, in der Stratosphäre jedoch die Ozonschicht zersetzen.

Zwischen den Vorgängen in der Troposphäre und der Stratosphäre besteht eine sehr starke Wechselwirkung. Vergleiche mit dem Luftverkehr können da nur grobe Anhaltspunkte liefern. So erstreckt sich ein Langstreckenflug über den Atlantik horizontal über mehrere tausend Kilometer, wohingegen ein Raketenstart weitgehend vertikal "nur" durch die rund 20, 25 Kilometer der unteren Atmosphäre hindurchgeht und dann in die Stratosphäre vorstößt. Die Kürze der Strecke macht Raketenstarts nicht harmlos, auf die Mischung kommt es an. Die Umwelt- und Klimabelastung der Raketen steht nicht alternativ zum wachsenden Flugverkehr, sondern sattelt noch oben drauf.

Läßt sich die breite Einführung des 5G-Funkstandards, in die von Politik und Wirtschaft schon viele Milliarden investiert wurden, noch abwenden? Das gegen die vorherrschenden Interessen nicht nur "der da oben", sondern auch der Konsumentinnen und Konsumenten der Kommunikationstechnologien durchzusetzen scheint noch aussichtsloser, als sich dem Klimawandel entgegenzustemmen.

Den Planeten Erde nicht nur für die wohlhabende Klientel bewohnbar machen zu wollen, wird nicht gelingen, indem immer mehr Staaten anfangen, eine CO₂-Steuer einzuziehen. Der gegenwärtige Hype, der um den neuen 5G-Funkstandard gemacht wird, und die bahnbrechenden Perspektiven, die damit verheißen werden, sagen eines: Auch mit einem "sozial gerechten" Ausgleich der CO₂-Steuer würde das Auseinanderdriften der sozialen Ungleichheit innerhalb der hiesigen Gesellschaft ebenso wie im Nord-Süd-Verhältnis der Staaten nicht behoben. Die ärmeren Länder trifft der Klimawandel am härtesten, sie haben aber am wenigsten zu ihm beigetragen.

Es wird unverzichtbar sein, völlig neuartige Lebens- und Produktionsverhältnisse zu schaffen, damit der Ressourcenabbau und -raub nicht, wie von der grünen Ökonomie und dem blauen Wachstum praktiziert, auf eine neue Ebene gehoben wird. Das würde allerdings einen völlig neuen Menschen erfordern, der sich genau nicht in ein solches satellitengestütztes 24/7-Kontrollsystem einfindet und der allgemein ein kritisches Verhältnis gegenüber solchen technologischen "Fortschritten" und "Errungenschaften" besäße. Und der auch gegenüber seiner Vergesellschaftung und fortschreitend tieferen Verfügbarmachung nicht tatenlos bleiben dürfte.


Fußnoten:

[1] www.heise.de/-4473986

[2] https://www.wetterdienst.de/Deutschlandwetter/Thema_des_Tages/3221/der-einfluss-von-raketen-auf-die-ozonschicht

18. Juli 2019


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