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LAIRE/300: Müll - trotz alledem ... (SB)



Die Kokosinseln im Indischen Ozean gelten als eines der letzten unberührten Refugien Australiens. Nur zwei der 27 kleinen Atolle dieses Archipels sind dauerhaft bewohnt. Rund 600 Menschen leben hier inmitten der ozeanischen Wüste, 2100 Kilometer nordwestlich von Australien gelegen.

Vor kurzem berichtete eine australische Forschergruppe im Wissenschaftsmagazin "Nature Scientific Reports", daß sich auf den Kokosinseln gewaltige Mengen an Plastikmüll angesammelt haben. Dabei fanden die Forscherin Dr. Jennifer Lavers vom Institute for Marine and Antarctic Studies der Universität von Tasmanien und ihre Kolleginnen in zehn Zentimeter Tiefe der Strände manchmal ein Vielfaches des oberflächlich anzutreffenden Plastikmülls. Den Hochrechnungen zufolge liegen auf dem Archipel 414 Millionen Plastikteile - inklusive 997.000 Plastikschuhe und 373.000 Zahnbürsten -, die ein geschätztes Gesamtgewicht von 238 Tonnen haben. [1]

Weil die Kokosinseln - engl. Cocos Islands, auch Keeling Islands oder Cocos (Keeling) Islands genannt - genau nicht in einem der fünf riesigen Plastikmüllstrudel der Ozeane liegen, wenngleich starke Meeresströmungen nördlich und südlich an ihm vorbeiziehen, dienen sie laut Lavers als "Kanarienvogel in der Kohlemine" für den Zustand des gesamten Planeten. Dem geht es offensichtlich ziemlich dreckig, er erstickt im Müll.

Als Meeresbiologin arbeite sie seit rund 15 Jahren auf entlegenen Inseln, berichtet Lavers gegenüber AFP. Daher wisse sie, daß sich auf fast allen von ihnen Plastik angesammelt hat, und sie sei nicht überrascht, daß das auch für die Kokosinseln gilt. Doch habe sie nicht damit gerechnet, daß an manchen Stellen der Strände, an denen sie gegraben hat, der Plastikanteil mit der Tiefe sogar noch zunimmt. Unter der Oberflächen könnten bis zum 26fachen der Menge an Plastik liegen, die auf dem Strand liegt, vermute sie. [2]

Vor zwei Jahren hatte Lovers rund um den Globus mit ihrem Bericht über Plastikmüll auf der südostpazifischen Insel Henderson Island mediale Aufmerksamkeit erlangt. Mit "nur" 38 Mio. Plastikteilen war damals die Müllmenge verglichen mit der auf den Kokosinseln zwar weniger groß, aber der Abfall konzentrierte sich dort auf eine wesentlich kleineren Fläche. Damals hatte Lovers behauptet, Henderson Island sei der am stärksten mit Plastikmüll verseuchte Ort der Welt.

Schon damals war das Problem der Plastikverseuchung der Kokosinseln bekannt. In einer Pressemitteilung der australischen Regierung vom 31. März 2017 heißt es, daß sie ein auf fünf Jahre angelegtes Meeresmüllprojekt auf den Kokosinseln finanziert. Bei einer Sammelaktion seien 50.000 Teile mit einem Gewicht von fast zwei Tonnen Plastikmüll eingesammelt worden. Dessen Herkunft solle nun genauer identifiziert werden. Laut der Ministerin für regionale Entwicklung Fiona Nash geht von dem Projekt ein "langfristiger Nutzen" für die öffentliche Gesundheit der Inselbevölkerung aus. [3]

Fast die Hälfte der 8,3 Milliarden Tonnen Plastik, die weltweit in den letzten rund 60 Jahren produziert wurden, entfiel auf die letzten dreizehn Jahre. Dabei wird rund 40 Prozent des Plastiks im ersten Jahr nach seiner Herstellung wieder weggeworfen. Im Jahr 2010 wanderten etwa 12,7 Mio. Tonnen Plastikmüll in die Ozeane. Man schätzt, daß es in den Weltmeeren mehr Plastikteilchen gibt als Sterne in der Milchstraße.

Die deutsche Plastikindustrie verzeichnete zwar in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sinkende Produktionszahlen [4], dennoch kann man davon sprechen, was des einen Leid ist des anderen Freud'. Die Herstellung von Plastik bleibt ein attraktiver Wirtschaftszweig, mit allerbesten Aussichten für die Zukunft. 2017 berichtete PlasticsEurope, der Verband der Kunststofferzeuger: "Die weltweite Nachfrage nach Kunststoff ist erneut deutlich gestiegen und Europa ist im internationalen Vergleich weiterhin einer der bedeutendsten Erzeugerstandorte." [5]

Demnach wurden im Jahr 2016 weltweit 335 Mio. Tonnen Plastik produziert, davon 60 Mio. Tonnen in Europa. Die rund 1,5 Mio. Beschäftigen der europäischen Kunststoffindustrie erwirtschafteten einen Umsatz von etwa 350 Milliarden Euro (2017). Das Geschäft brummt. Und was nutzt die im weltweiten Maßstab vergleichbar hohe Recyclingquote von Plastikabfällen in Deutschland, wenn der nicht-recyclebare Anteil nach Übersee transportiert wird (u.a. nach Malaysia, Indonesien, Indien, Thailand, Türkei), und dort gelagert wird oder dann doch wieder den Weg ins Meer findet. Die Gesamtproduktion muß sinken, um die Plastikflut aufzuhalten.


Fußnoten:

[1] https://www.nature.com/articles/s41598-019-43375-4.pdf

[2] http://www.terradaily.com/reports/Remote_island_beach_plastics_point_to_greater_waste_problem_999.html

[3] https://minister.infrastructure.gov.au/nash/releases/2017/March/fn047_2017.aspx

[4] https://www.kunststoffe.de/news/markt-und-wirtschaft/artikel/rueckgang-der-produktion-2018-in-schwierigem-umfeld-8638154.html

[5] https://www.plasticseurope.org/de/resources/publications/395-plastics-facts-2017

21. Mai 2019


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