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RESSOURCEN/139: Vermont will als erster Bundesstaat der USA Fracking verbieten (SB)


Unkonventionelle Gasförderung erfährt in der US-Administration Gegenwind, wenngleich nur leichten



Einige Jahre lang konnten Gas- und Erdölunternehmen in den Vereinigten Staaten relativ ungehindert von behördlichen Auflagen und frei von Widerstand seitens der Bevölkerung unkonventionelles Erdgas fördern. Doch die Stimmung scheint ein wenig zu kippen. Vermont wird der erste US-Bundesstaat sein, in dem die Fracking genannte Methode der Gasförderung verboten werden soll.

Anfang Mai hat das Abgeordnetenhaus dieses nordöstlichen US-Bundesstaats mit 103 zu 36 Stimmen den Bericht eines Konferenzkomitees angenommen, in dem das Fracking-Verbot vorgeschlagen wird, berichtete der Environment News Service (ENS). [1] Nun liegt es in der Hand von Governor Peter Shumlin von der Partei der Demokraten, das Verbot abzusegnen. Man kann davon ausgehen, daß er dies tut, hatte er doch im Anschluß an die Abstimmung erklärt: "Wir wollen keine Chemikalien in unser Grundwasser auf der Jagd nach Gas, das nicht existiert, schießen." [1]

Mit dieser Formulierung spielt Shumlin auf die Methode des Frackings an, bei dem ein Gemisch aus vorwiegend Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in eine mutmaßlich gasreiche Gesteinsschicht gepreßt wird, um das Material regelrecht aufzubrechen. Dadurch kann das Gas zusammenströmen und, nachdem die Frackingflüssigkeit, so weit es geht, wieder abgepumpt wurde, die Spalten und Klüfte aber geöffnet geblieben sind, nach oben gefördert werden. Beim Fracking wird mittels bohrtechnischer Innovationen zunächst senkrecht in die gashaltige Gesteinsschicht und dort dann weiter waagerecht gebohrt, um eine möglichst große Fläche zu erhalten, die aufgebrochen werden kann. Trotz dieser Methode ist es nicht unüblich, daß in den Fördergebieten mehrere Bohrungen pro Quadratkilometer ausgebracht werden.

Aufgrund der Förderung unkonventionellen Gases haben die Vereinigten Staaten Rußland von der Spitze als weltweit größter Gasförderer abgelöst. So versucht die US-Regierung die Abhängigkeit von Energieträgern aus instabilen und konfliktreichen Weltregionen zu verringern.

In die Kritik geraten war das Fracking vor einigen Jahren, weil sich die beteiligten Firmen weigerten, genauere Angaben zu den von ihnen verwendeten Chemikalien zu machen. Hier liegen Politik und Wirtschaft bis heute im Clinch, wenngleich bereits eine ellenlange Liste existiert, welche Substanzen in den Untergrund gepreßt werden. Nachzulesen beispielsweise auf der Website fracfocus.org.

Die an der Gasförderung beteiligten Firmen vertreten den Standpunkt, daß die Chemikalien harmlos sind und eine Verseuchung der in der Regel deutlich oberhalb der Gasschicht vorlaufenden Grundwasserschichten dank einer speziellen Bohrtechnik nicht geschehen kann. In der Obama-Regierung wird derzeit ein Gesetzesvorschlag beraten, der die Gas- und Erdölunternehmen verpflichten soll, sämtliche beim Fracking auf öffentlichem und indianischen Land verwendeten Chemikalien zu veröffentlichen. Allerding erst nach Abschluß der Gasförderung, was, gelinde gesagt, zynisch klingt. Die gegen das Fracking eingestellte Umweltrechtsorganisation Earthjustice verlangt, daß die Unternehmen vor dem Beginn des Frackings sagen sollen, welche Chemikalien sie in den Boden zu pressen gedenken. [2]

Wie umkämpft die Frage der chemischen Verunreinigung der Umwelt ist, wird auch daran deutlich, daß die Zeitungen "Pittsburgh Post-Gazette" und "Observer-Reporter" ein Gerichtsurteil vom 31. Januar 2012 anfechten wollen, demzufolge ein Unternehmen nicht die beim Fracking verwendeten Chemikalien bekanntzugeben hat. [3] Unterstützung erhalten die Zeitungen von Ärzten und Wissenschaftlern.

Der ursprüngliche Fall geht auf eine Klage von Stephanie und Chris Hallowich zurück, die sich mit ihrer Familie nach Mount Pleasant, Pennsylvania, auf Land zurückgezogen hatten und sich eines Tages von Fracking-Bohrlöchern, Zufahrtswegen, Flüssigkeitstanks, etc. umgeben sahen. Da war Schluß mit dem Landleben. Die Gasindustrie hatte in das ländliche Idyll Einzug gehalten. Beide Elternteile und auch die Kinder litten unter unerklärlichen Kopfschmerzen, Nasenbluten, brennenden Augen und Sodbrennen. Naheliegenderweise hatten sie die Gasförderung, respektive die dabei verwendeten, geheim gehaltenen Chemikalien im Verdacht, die Symptome bei ihnen ausgelöst zu haben. Inzwischen hat sich die Familie mit der Gasindustrie geeinigt und ihre Farm verlassen. Bestandteil der Abmachung war, daß die Hallowiches nicht über ihre (unliebsamen) Erfahrungen mit der Gasindustrie öffentlich sprechen. Solche "non-disclosure agreements" scheinen in der Branche üblich zu sein. [3] Das nährt den Verdacht, hier gebe es tatsächlich etwas, was die Unternehmen vertuschen wollen.

Das in Washington ansässige, industriefreundliche American Petroleum Institute (API) bezeichnete das geplante Fracking-Verbot als "kurzsichtig und uninformiert". [1] Mit der Entscheidung für einen staatsweiten Bann folge Vermont einem unverantwortlichen Weg, auf dem drei wichtige Notwendigkeiten ignoriert würden, sagte API-Direktor für Staatsregierungsangelegenheiten Rolf Hanson: Arbeitsplätze, Staatseinnahmen und Energiesicherheit. Die Technologie werde seit mehr als 60 Jahren eingesetzt.

Nach Erkenntnissen von Geologen gibt es in Vermont kein unkonventionelles Gas im Untergrund, im Unterschied zu den benachbarten Bundesstaaten New York und Pennsylvania. Andererseits erstreckt sich die gleiche geologische Schieferformation, aus der im weiter nördlich gelegenen Quebec Gas gefördert wird, bis unter den Lake Champlain in Vermont. Ein Fracking-Verbot hätte zunächst einmal "nur" symbolische Bedeutung, was allerdings nicht geringzuschätzen ist.

Kritiker des Frackings sollten sich allerdings eine gehörige Portion Skepsis bewahren, auch wenn Vermont nun aus dem Fracking aussteigen sollte. Governor Shumlins Formulierung gibt zu denken. Im obigen Zitat sagte er, daß keine Chemikalien ins Grundwasser geschossen werden für Gas, das dort nicht vorkommt. Es hat den Anschein, als enthalte die Aussage (mindestens) zwei Ausreden, die seine Aussage eines Tages hinfällig machen könnten: Erstens, wenn der Nachweis erbracht wird, daß die Chemikalien nicht das Grundwasser kontaminieren. Zweitens, wenn in dem Bundesstaat förderungswürdige Mengen an unkonventionellem Gas nachgewiesen werden.

Ginny Lyons, Senatorin aus Vermont und Vorsitzende des Senate Natural Resources and Energy Committee, erklärte, daß das Frackingverbot so lange gelten soll, bis klarer sei, welche Chemikalien dabei verwendet werden und welche Folgen ihr Ausbringen für das Grundwasser in ihrem Bundesstaat habe. Laut ENS sagte Lyons im April gegenüber der Tageszeitung "Times Argus", daß es im Zeitraum 2008 bis 2012 in den Vereinigten Staaten mehr als 1000 Vorfälle von Wasserkontamination in der Nachbarschaft zu Frackingbrunnen gegeben habe.

Trotz der kritischen Stellungnahmen seitens der Politiker, die für eine Senatorin und einen Governor in den USA sicherlich weitreichend sind und von Vertretern von Umweltorganisationen teils großen Zuspruch erfahren haben, muß dennoch konstatiert werden, daß die Kritik nicht nach einer dauerhaften, sondern lediglich einer möglicherweise nur befristeten Absage des Frackings klingt. Wenn sich die Bedingungen ändern, könnte selbst Vermont ins Gasgeschäft einsteigen.


Fußnoten:

[1] "Vermont Will Be First U.S. State to Ban Fracking", ENS, 8. Mai 2012 
http://www.ens-newswire.com/ens/may2012/2012-05-08-092.html

[2] "U.S. Proposes Delayed Disclosure of Fracking Chemicals", ENS, 5. Mai 2012
http://www.ens-newswire.com/ens/may2012/2012-05-05-01.html

[3] "Newspapers in Fracking Secrecy Case Win Support of Doctors, Scientists", ENS, 2. Mai 2012
http://www.ens-newswire.com/ens/may2012/2012-05-02-092.html

22. Mai 2012