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RESSOURCEN/237: Wald - Forsten für die Luftverschmutzung ... (SB)



Der weltweit größte Hersteller von Holzpellets, Enviva, will in Epes im US-Bundesstaat Alabama eine neue Fabrik aufbauen, für deren Betrieb jeden Tag rechnerisch Wald auf einer Fläche von 32 Hektar verarbeitet werden soll. Die Pellets werden nach Asien und Europa exportiert, wo sie als vermeintlich klimafreundliche Alternative zu fossilen Energieträgern wie Kohle oder Erdöl verbrannt werden. Das Problem dabei: Zwar gelangt beim Verbrennungsvorgang an sich nicht mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre, als ihr vorher durch das Wachstum der Pflanzen entzogen worden war, aber schon das Trocknen und der anschließende Transport der Pellets sorgen für eine negative Kohlenstoffbilanz. Außerdem werden riesige Naturflächen in Industriewald umgewandelt und abgeerntet, wobei andere Pflanzen sowie Tiere verdrängt und ganze Ökosysteme zerstört werden. Betroffen sind insbesondere die Feuchtgebiete und -wälder im Südosten der USA, einem Schwerpunktgebiet der Pelletproduktion.

Enviva verfolgt umfangreiche Expansionspläne. Allein in Alabama sollen vier Pelletfabriken gebaut werden. Die Pellets werden per Frachtkahn über den Tennessee-Tombigbee-Wasserweg zur Küste gebracht, wo der Bau eines Tiefwasserhafens in Pascagoulage, US-Bundesstaat Mississippi, am Golf von Mexiko geplant ist, so daß die Ware von dort nach Übersee verschifft werden kann.

Die Pelletfabrik im Industriepark von Epes soll in der ersten Phase jährlich 700.000 Tonnen Holzpellets herstellen. Die Kapazität der Fabrik ist auf insgesamt 1,15 Mio. Tonnen Pellets pro Jahr ausgelegt. Baubeginn ist für Anfang 2020 geplant, die voraussichtliche Bauzeit beträgt 15 bis 18 Monate. Die Umweltschutzorganisation Dogwood Alliance will dies verhindern. Sie kritisiert, abgesehen von der negativen Klimabilanz der Pellets und der Zerstörung von wertvollen Habitaten, auch die Schadstoffemissionen der Pelletfabriken. [1] Denn bei der Holzpelletproduktion werden flüchtige organische Kohlenwasserstoffe und Feinstaub in potentiell gesundheitsgefährdenden Mengen emittiert. [2]

Von solcher Kritik unberührt verspricht Enviva, darauf zu achten, daß die Pellets nur aus Holzresten und minderwertigem Holz hergestellt und dabei Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Selbst der Weltklimarat IPCC betrachte Biomasse als geeignete Alternative für fossile Brennstoffe, erklärt das Unternehmen und behauptet reichlich beschönigend, daß der IPCC in seinem am 8. August 2019 erschienenen Sonderbericht zu "Klimawandel und Land" (SRCCL) eine nachhaltige Zukunft von einer "divers verwalteten Holzprodukteindustrie" abhängig gemacht habe, zu der "Schnittholz, Zellstoffholz und Bioenergie" zähle. Dazu schreibt Enviva:

"Das ist eine Bekräftigung der langjährigen Auffassung des IPCC, die im Sonderbericht über die globale Erwärmung um 1,5 Grad Celsius vom Oktober 2018 zum Ausdruck kommt, wonach Biomasse und Bioenergie auf jedem einzelnen Pfad, um das Ziel der Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen, eine Schlüsselrolle spielen müssen." [3]

Nun, ganz so pellet-freundlich lesen sich die beiden IPCC-Sonderberichte, auf die Enviva hier Bezug nimmt, nicht. So heißt es im SRCCL:

"Wo Biomasse zur Energiegewinnung genutzt wird, z. B. als Minderungsstrategie [Anm. d. SB-Red.: von Treibhausgasemissionen], wird der Kohlenstoff schneller wieder in die Atmosphäre entlassen." [4]

Und in dem zitierten Sonderbericht 1,5 Grad wird festgestellt:

"Aufforstung und Bioenergie können mit anderen Landnutzungen konkurrieren und erhebliche Folgen für Landwirtschafts- und Ernährungssysteme, biologische Vielfalt sowie andere Ökosystemfunktionen und -leistungen haben." [5]

Die Versprechungen Envivas (und anderer Pelletproduzierenden) auf eine nachhaltige Holzverarbeitung halten der Überprüfung nicht stand. Wie gesagt, Enviva wirbt damit, daß es nur Holz zu Pellets verarbeitet, das nicht gebraucht wird, beispielsweise Baumkronen, Äste, krumme Bäume, Sägemehl, etc. Berichten zufolge verbrennt die wachsende Pelletindustrie jedoch ganze Bäume. [6]

Die EU hat Pellets als kohlenstoffneutrale erneuerbare Energie definiert. Das ist einfältig bzw. vermutlich Ergebnis intensiver Lobbyarbeit der Holzindustrie in Brüssel. Wenn Kohlekraftwerke wie die britische Anlage Drax in der Grafschaft North Yorkshire auf Pelletverfeuerung umstellen, dann wird nicht weniger, sondern sogar mehr CO₂ emittiert als zuvor. Denn Holz ist wasserhaltiger als Kohle, es muß mehr Masse verbrannt werden, um auf die gleiche Energiemenge zu kommen. [7]

Die Initiative Climate Central hat ausgerechnet, daß das Kraftwerk Drax 15 bis 20 Prozent mehr CO₂ emittiert als vor der Umstellung von Kohle auf Pellets - und dabei wurden die Emissionen von Trocknen und Transport der Pellets noch nicht einmal eingerechnet. [8]

Bis die Bäume wieder nachgewachsen sind, die in Pelletform verfeuert werden, vergehen mindestens zwölf, eher jedoch zwanzig Jahre - sofern tatsächlich nur Weich- und nicht auch noch Hartholz verarbeitet wird. Diese Zeit hat die Menschheit nicht, denn die globale Erwärmung muß innerhalb der nächsten zehn Jahre gestoppt werden, ansonsten wird das Klimaschutzziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, verfehlt. Gegenwärtig steuert die Staatengemeinschaft auf eine mindestens drei Grad wärmere Welt bis Ende des Jahrhunderts zu. Danach würde die Temperatur weiter steigen, heißt es in dem aktuellen Report "Brown to Green" der Organisation Climate Transparency über die Klimaschutzziele der G20-Staaten. [9]

Der Umstieg von Kohle auf Holzpellets beschleunigt die Erderwärmung bzw. verkürzt die verbleibende Zeit, in der eine Umkehr noch geschafft werden kann. Nicht nur die US-Regierung, auch die Europäische Union handelt mit der Einstufung von Biomasse als erneuerbare Energie dieser Notwendigkeit zuwider. Klimaschutz zu predigen, aber unverdrossen Klimaschmutz zu produzieren, hat System. Es mangelt den Regierungen gewiß nicht an Informationen über das, was sie mit ihrer Politik anrichten.

Die Klimaproblematik der Pelletproduktion ist seit Jahren hinlänglich bekannt. Warum dennoch daran festgehalten wird, hat mit dem berufsständischen Interesse der Politik zu tun. Diese ist um den Eindruck bemüht, daß sie die richtige Adresse ist, um Lösungen und Antworten auf Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu finden. Sollten sich die Antworten als Irrtum herausstellen, macht das der Politik solange nichts, wie ihr zugestanden wird, neue Antworten liefern zu dürfen.

Beispielhaft wird das an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier deutlich. Dieser arbeitete sich im Interview mit dem "Tagesspiegel" an der Klimaschutzbewegung Fridays for Future ab und erklärte: "Wir kommen aber nicht weiter, wenn wir jede Woche apokalyptische Bedrohungen beschreiben, die kaum zu bewältigen scheinen. Denn Apokalypse lähmt!" [10]

Steinmeier verortet das Lähmende also nicht etwa in der Politik, die sich weigert, die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, damit die nächsten Generationen eine Zukunft haben, und die damit absehbar die Lebensverhältnisse von Milliarden Menschen und deren Mitwelt ruiniert, wie unlängst von 11.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Journal "Bioscience" [11] geschildert. Sondern er verortet das Lähmende bei denjenigen, die sich weigern, angesichts der absehbaren Apokalypse brav und sittsam die Schulbank zu drücken, sich die binomischen Formeln einzubimsen und die Hauptstädte Europas aufsagen zu können. Oder was ihnen sonst noch an Bildung angetragen wird.

Ganz der langjährige Politiker verbreitet Steinmeier das oben erwähnte grundlegende Interesse seines Berufsstands und verheißt Lösungen: "Ich finde, dass die Lösungsfähigkeit der Demokratie gerade bei der Klimapolitik systematisch unterschätzt wird."

Macht nicht Fridays for Future darauf aufmerksam, daß die vorherrschende Klimapolitik systematisch an der Aufgabe scheitert? Weil das so ist, verfehlen die Demokratien ihre Klimaschutzziele, propagieren die umwelt- und klimaschädliche Elektromobilität und lassen großen Mengen an Biomasse verbrennen, um Autos anzutreiben, ohne daß der Akt der Zerstörung in der energetischen Umwandlung im mindestens in Frage gestellt würde.


Fußnoten:

[1] https://www.dogwoodalliance.org/actions/alabama-will-not-benefit-from-the-wood-pellet-industry/

[2] https://cleanaircarolina.org/wp-content/uploads/2017/09/MAHA-Enviva-Sign-on-Letter-09-07-2017.pdf

[3] https://www.businesswire.com/news/home/20191107006195/en/Enviva-Alabama-Department-Environmental-Management-Opportunity-Hear

[4] https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/Edited-SPM_Approved_Microsite_FINAL.pdf

[5] https://www.de-ipcc.de/media/content/SR1.5-SPM_de_181130.pdf

[6] https://e360.yale.edu/features/wood_pellets_green_energy_or_new_source_of_co2_emissions

[7] https://energynews.us/2017/09/19/southeast/controversy-brews-over-new-north-carolina-wood-pellet-facility/

[8] https://reports.climatecentral.org/pulp-fiction/1/

[9] https://www.climate-transparency.org/wp-content/uploads/2019/11/Brown-to-Green-Report-2019.pdf

[10] https://www.tagesspiegel.de/politik/frank-walter-steinmeier-im-interview-wer-fuer-gewalt-nur-einen-funken-verstaendnis-aufbringt-macht-sich-mitschuldig/25202536.html

[11] tinyurl.com/wttxalt

12. November 2019


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