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BERICHT/076: Kohle, Gifte, Emissionen - Kontroversen, Bündnisse, Teil 2 (SB)


Diskussion, Organisation, Mobilisierung - soziale Bewegung im Rheinischen Braunkohlerevier

Netzwerktreffen des Braunkohlewiderstands in Bergheim-Rheidt am 24. Mai 2014


Kraftwerkstürme im Sonnenuntergang, davor hinter Bäumen versteckte Häuser - Foto: © 2014 by Schattenblick

RWE-Kraftwerk Niederaußem anderthalb Kilometer hinter Bergheim-Rheidt
Foto: © 2014 by Schattenblick

Auf einem Hof in Bergheim-Rheidt, der nicht nur sinnbildlich gesprochen fast im Schatten des 200 Meter hohen Kühlturms des Braunkohlekraftwerks in Bergheim-Niederaußem liegt, trafen sich Ende Mai verschiedene Gruppen des Braunkohlewiderstands in NRW. Die rechnerisch ermittelten 269 Todesfälle, die laut Greenpeace jährlich auf das Konto dieser nach dem Braunkohle-Kraftwerk Jänschwalde in der Lausitz die Luft am zweitstärksten belastenden Anlage der deutschen Kohleverstromung gehen, waren nur einer unter vielen beklagenswerten Anlässen, zusammenzukommen, um bereits erfolgte Aktionen Revue passieren zu lassen, künftige Proteste ins Auge zu fassen sowie Fragen von Strategie und Taktik des Braunkohlewiderstands zu diskutieren. Fast 50 Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen Gruppen und Zusammenhängen verbrachten einen für die Fülle der aufgeworfenen Fragen und bisweilen auch kontrovers diskutierten Antworten viel zu kurzen Samstag damit, die verschiedenen Ansatzpunkte und Interessen zu einem Bündnis zu schmieden, das im besten Fall weit mehr Aufmerksamkeit auf den Widerstand gegen die weitere Zerstörung der Lebensgrundlagen für Mensch und Natur im Rheinischen Braunkohlerevier zieht, als es einzelnen Initiativen möglich wäre.

Nicht nur als beobachtendes, sondern in der Sache engagiertes Medium hatte der Schattenblick die Möglichkeit, die Vielfalt des dort vertretenen Spektrums widerständiger Menschen kennenzulernen und mehrere Aktivistinnen und Aktivisten zu bitten, die Beweggründe und Ziele ihres Kampfes in Worte zu fassen. Analyse und Kritik der Kohleverstromung des Energiekonzerns RWE und der dagegen gerichtete Aktivismus standen zwar im Mittelpunkt der Debatte, doch die Strukturierung des Gesprächs selbst war häufig Anlaß zur Intervention. Nur scheinbar formale Fragen wie die Einhaltung respektive Aufhebung der von einer Vorbereitungsgruppe entworfenen Agenda des Treffens zeugten ebenso von einer höchst lebendigen Gesprächskultur wie einige emotionale Stellungnahmen, die das persönliche Anliegen unterstrichen.

Anders wäre eine Zusammenkunft von Menschen, die sich zwar im Ziel der Bekämpfung der Braunkohleförderung und -verstromung einig sind, aber aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus stammen, wohl kaum denkbar. So waren zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter lokaler Bürgerinitiativen nach Rheidt gekommen, die auf eine zum Teil jahrzehntelange Tradition des Kampfes gegen Naturzerstörung und Verlust der Heimat durch Umsiedlung zurückblicken. Während die Initiative Buirer für Buir, die die Interessen der Bevölkerung dieses von den Umweltbelastungen des Tagebaus Hambach betroffenen Ortes vertritt, kurzfristig abgesagt hatte, war das Aktionsbündnis Stommelner Bürger - Leben ohne Braunkohle ebenso mit mehreren Mitgliedern anwesend wie die Initiative Bergbaugeschädigter 50189 und die Dorfinteressengemeinschaft Wanlo/Das Gelbe Band. Aus Köln war ein Vertreter der Bürgerinitiative Tschö RheinEnergie angereist, die sich kritisch mit diesem regionalen, in der Rheinmetropole ansässigen Energieversorgungsunternehmen auseinandersetzt.

Mindestens zwei Teilnehmer gehörten dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) an, der vor allem auf rechtlicher Ebene gegen die Aktivitäten der Kohleindustrie vorgeht und auf seiner Webseite umfassendes Material zu den Zerstörungen und Gefahren anbietet, die von der Kohleförderung und -verstromung ausgehen. Um die von kleinen Gruppen mit geringen finanziellen und personellen Ressourcen nicht zu leistende wissenschaftliche Untersuchung des Energieträgers Kohle macht sich auch die mit einem Vertreter aus ihrer Kölner Niederlassung vertretene NGO Greenpeace verdient, so in der aktuellen Studie "Kostenrisiken für die Gesellschaft durch den deutschen Braunkohletagebau". Auch attac war mit mehreren Aktivistinnen und Aktivisten nach Rheidt gekommen, die sich allerdings meist im Namen anderer Initiativen zu Wort meldeten.

Weniger offiziös als die in diversen ökologischen Auseinandersetzungen tätigen Umweltorganisationen, dafür mit umso mehr Herz in der Basisarbeit aktiv sind die Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppen Solidarische Vielfalt (SoVie), die sich maßgeblich für das Zustandekommen des Treffens einsetzten, der 2011 für den Braunkohlwiderstand gegründeten Initiative ausgeCO2hlt und der Werkstatt für Aktionen und Alternativen (WAA) aus dem nahegelegenen Düren. Im weiten Feld des radikalökologischen Widerstands und der antikapitalistischen Wachstumskritik angesiedelt bestehen hier viele Übergänge zu der Frage nach einer emanzipatorischen Gesellschaft, die zu schaffen ohne eine grundlegende Veränderung der Produktionsverhältnisse nicht gelingen kann.

Dies würden wohl auch die nach Rheidt gekommenen Aktivistinnen und Aktivisten der Waldbesetzung im Hambacher Forst unterschreiben, die in der konkreten Auseinandersetzung mit den Gewaltorganen des Staates und den für RWE arbeitenden Sicherheitsfirmen für den Erhalt des verbliebenen, durch die stetige Ausweitung des Hambacher Tagebaus weiter in seiner Existenz bedrohten Waldes kämpfen. Ihrem Einsatz bei der Errichtung mehrerer Camps im Hambacher Forst, die wiederholt von der Polizei geräumt wurden, nur um kurz darauf an anderem Ort wiederzuerstehen, ist es vor allem zu verdanken, daß der Widerstand gegen die für den Braunkohletagebau zuständige RWE-Tochter RWE Power in den letzten zwei Jahren weit über die Region hinaus Beachtung gefunden hat. Anwesend war auch der Buirer Bürger, der den Waldbesetzerinnen und -besetzern eine Wiese am Rande des Hambacher Forstes zur Verfügung stellt, wo sie leben und von wo aus sie den Widerstand organisieren können. Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Vertreter der Gruppe Störfaktor, die Aktionen des zivilen Protestes aktiv durch Rechtsberatung auch im direkten Konflikt mit der Polizei auf Demonstrationen unterstützt.

Angesichts der Breite des Widerstands zwischen Menschen, die schon seit langem im Rheinischen Braunkohlerevier leben und vor allem deshalb in Opposition zu Staat und Industrie geraten sind, weil sie sich gegen die Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch Schadstoffemissionen, gegen die Zerstörung der Landschaft und die Vertreibung aus ihren Häusern wehren, sowie Aktivistinnen und Aktivisten, die häufig aus anderen Landesteilen stammen und die Kohleindustrie aus dem grundsätzlichen Streben nach einer lebens- und liebenswerten Welt bekämpfen, sind Konflikte inhaltlicher Art vorprogrammiert. Während es nicht schwerfällt, über Aktionsformen wie eine Radtour zur RWE-Hauptversammlung in Essen, eine Demonstration von Buir zum Umsiedlungsort Morschenich, die kritische Begleitung der RWE-Nachbarschaftsforen oder das jährliche Klimacamp Konsens zu erzielen, drohen Vorfälle wie die Beschädigung eines Polizeiautos oder andere Formen der Sachbeschädigung die Einigkeit des Braunkohlewiderstands zu sprengen.

Zeitstrahl mit Daten, dazu die Köpfe von Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft - Foto: 2014 by Schattenblick

Chronologie der Ereignisse und einige ihrer Akteure
Foto: 2014 by Schattenblick

Undurchschaubar erscheinende Gewaltverhältnisse ergründen

So wurden die Bewohnerinnen und Bewohner der Wiese am Hambacher Forst anläßlich des Angriffs einer unerkannt gebliebenen Person auf einen Streifenwagen, dessen Scheiben zerstört wurden, aus den Reihen des ortsansässigen Widerstands aufgefordert, sich von dieser Tat zu distanzieren. Wiewohl die Aktivistinnen und Aktivisten im Sinne ihres Anspruchs auf ein herrschaftsfreies Leben keinen Grund dazu haben, kollektiv für die Tat einer einzelnen Person geradezustehen, und es nicht klar war, ob diese Sachbeschädigung nicht ein Provokationsakt war, der mit dem Ziel begangen wurde, die Bevölkerung gegen sie aufzubringen, traten Bruchlinien zwischen den verschiedenen Gegnern der Kohleindustrie hervor, die nicht zuletzt in einem unterschiedlichen Verständnis der Machtverhältnisse im demokratischen Rechtsstaat und der Definition von passivem Widerstand zu gründen scheinen.

Da letztlich jeder Mensch, der sich einmal mit mächtigen gesellschaftlichen und politischen Institutionen angelegt hat, weiß, daß Teilen und Herrschen das probate Mittel staatlicher Autorität bei der Zerschlagung mißliebiger Oppositionsbewegungen ist, wurde auch die Forderung, sich von dem unbekannten Sachbeschädiger zu distanzieren, nicht aufrechterhalten. Auch mit den herrschenden Verhältnissen grundsätzlich konform gehende Bürgerinnen und Bürger wissen allein anhand der weitreichenden personellen und institutionellen Verflechtungen, auf denen das komplexe Netzwerk zwischen RWE, Finanzwirtschaft, der Gewerkschaft IG BCE, Regierungsbehörden, Justiz- und Exekutivorganen auf kommunaler bis Bundesebene beruht, als auch aufgrund der das bürgerliche Eigentumsrecht aufhebenden Wirkung des Bergrechts, daß die Durchsetzung der Braunkohleverwertung nur sehr bedingt auf demokratische Weise zustandekommt. Aus kapitalismuskritischer Sicht wird noch deutlicher, daß dieser Produktionsweise aus wirtschafts- und staatspolitischen Gründen eine Bedeutung zukommt, die ihrem schnellen Austausch durch Erneuerbare Energien zahlreiche Hürden in den Weg legt.

Wer also übt Gewalt aus, wenn die Lebensgrundlagen der Menschheit mit absehbarer Finalität durch ungebremste CO2-Emissionen in Frage gestellt, wenn Menschen an giftigen Emissionen sterben, die Bestände am weltweit immer knapper werdenden Trinkwasser kontaminiert und unwiderbringliche Naturlandschaften Harvestern und Baggern zum Opfer fallen? Fragen dieser Art können Menschen in ihrem Widerstand gegen derartige Zumutungen an die Grenze der Legalität bringen, denn diese ist nicht wertfrei definiert, sondern wird von einer Legislative gezogen, in der die Interessen der Eigentümer und Investoren übergroßes Gewicht haben. Die Anwendung von Antiterrorgesetzen gegen radikalökologische Aktivistinnen und Aktivisten in den USA und Britannien führen längst zu mehrjährigen Haftstrafen aufgrund von Sachbeschädigungen, Einschüchterungsversuchen und Eigentumsdelikten wie dem Betreten privaten Grund und Bodens. Nach Maßgabe des auch dort angewendeten Vereinigungsrechts reichen die Zugehörigkeit zu einer radikalökologischen Gruppe oder bloße Sympathiebekundungen für deren Anliegen aus, um strafrechtlich verfolgt und mit Freiheitsstrafen belegt zu werden.

Kurz gesagt, der Kampf um die knapper werdenden Ressourcen und verbliebenen Terrains relativ intakter Natur hat insbesondere im globalen Süden, aber auch in westlichen Metropolengesellschaften längst die Dimension eines sozialen Krieges angenommen. Wo Menschen, die nichts besitzen als die Fähigkeit, ihre Arbeitskraft zu Markte zu tragen, und die aufgrund der Unfähigkeit des Kapitals, angemessene Lebens- und Arbeitsbedingungen außerhalb der herrschenden Verwertungslogik zu schaffen, nicht einmal davon leben können, von den Eigentümern des Landes, des Wassers und bald wahrscheinlich auch der Luft mit dem Rücken an die Wand gedrückt werden, da feiert die frühkapitalistische Trennung der Menschen von ihren Produktionsmitteln, die Enteignung bäuerlicher Subsistenz und die daraus erwachsende Not, die eigene Arbeitskraft den Privatbesitzern der Produktionsmittel zu verkaufen, Urständ. Daß Eigentümerinteressen in der Bundesrepublik nicht so brutal durchgesetzt werden wie in Ländern des Südens, wo Armut und Hunger einen täglich mehrere zehntausend Menschen betreffenden Blutzoll fordern, heißt nicht, daß der hier geschaffene Wohlstand nicht auf sozialer Verelendung, ökonomischer Ausbeutung und ökologischer Zerstörung in den weniger produktiven, von westeuropäischen und nordamerikanischen Wirtschafts- und Finanzakteuren abhängigen Ländern beruht.

Nicht zu vergessen ist auch, daß die Aktivistinnen und Aktivisten der Waldbesetzung wiederholt zum Ziel polizeilicher Gewalt wurden. Sich abstrakten Rechts- und Verfügungsansprüchen mit der eigenen Leiblichkeit in den Weg zu stellen legt deren materielle Durchsetzungsgewalt unweigerlich offen. Das kann wertvolle Erkenntnisse über real existierende Gewaltverhältnisse freisetzen, die Betroffenen aber auch in ihrer physischen wie psychischen Belastbarkeit schädigen, so daß der Preis für diese Form der Emanzipation recht hoch zu sein scheint.

Tafel: Umfriedetes Privatgelände! Polizei, RWE, Bauamt & Co. nach § 123 StGb Zutritt verboten. Der Eigentümer - Foto: © 2014 by Schattenblick

Am Eingang zur Wiese - Eigentumsrecht widerständig gemacht
Foto: © 2014 by Schattenblick

All das gilt es zu berücksichtigen, wenn die Frage, wer in dieser Gesellschaft Gewalt ausübt, halbwegs angemessen diskutiert werden sollte. Die naßforsche Rechtfertigung im Energiebereich tätiger Unternehmerinnen und Unternehmer, der Mensch zerstöre die Natur allein dadurch, daß er lebt, so daß der gegen sie gerichtete Vorwurf, eben dieses zu tun, illegitim sei, enthebt sich aus gutem Grund jeder Verhältnismäßigkeit. Die damit angesprochene Beteiligung jedes Bioorganismus an der Verstoffwechselung natürlicher Ressourcen und tierischen wie pflanzlichen Lebens auf eine Weise in Frage zu stellen, die neue Produktionsweisen und Lebensformen hervorbringt, ist gerade nicht gemeint, wenn aus einer Position der Stärke heraus pauschalisiert und verallgemeinert wird.

Wie auf dem Treffen mehrfach angesprochen und anhand einzelner Beispiele ausgeführt, gehen die großen Verlagskonzerne als auch regionale Medien in der Regel konform mit den Interessen RWEs, was jeden Ansatz, den Keil zwischen die verschiedenen Gruppen des Kohlewiderstands zu treiben, mit erheblicher Hebelwirkung versieht. Das wiederum könnte die inhaltliche Diskussion um die jeweilige Verantwortung der Kontrahenten im Kampf für oder wider Braunkohle in die Frage überführen, welche Strategien am zweckmäßigsten wären, um nicht die offene Flanke absehbarer Diskreditierung und Kriminalisierung des Widerstands zu bieten.

Die anläßlich der Beschädigung des Polizeifahrzeugs entbrannte Diskussion um eine Entsolidarisierung mit der Waldbesetzung wurde angesichts des Zeitmangels und des fast unauslotbaren Grundes, auf dem Herrschaftsverhältnisse zwischen Staat, Kapital und Bevölkerung basieren, vertagt, nicht ohne zu bekräftigen, daß "kritische Solidarität" mit den Besetzerinnen und Besetzern allemal geübt werden sollte. Auch dieser Begriff hat eine das oberflächliche Verständnis konterkarierende Seite, wurzelt Kritik, so sie ihrem Begriff im politischen Sinne gerecht werden will, doch in antagonistischen Positionen zur Herrschaft in Staat und Gesellschaft. Von den Kommandohöhen herab wird dekretiert, angeordnet und befohlen, so daß der Begriff "Kritik" dort bestenfalls als die eigene Unangreifbarkeit unterstreichender Euphemismus Verwendung findet.

Person hält Plakat vor Kraftwerkskulisse - Foto: © 2014 by Schattenblick

Heraus zum Klimacamp ...
Foto: © 2014 by Schattenblick

Braunkohle - als Produktionsmittel noch nicht ausgebrannt

Weitere Beiträge verschiedener Aktivistinnen und Aktivisten widmeten sich der grenzüberschreitenden Menschenkette, mit der am 23. August 2014 zwischen Kerkwitz und Grabice gegen den Ausbau der Braunkohletagebaue auf deutschem und polnischem Gebiet protestiert werden soll, dem zehnjährigen Jubiläum des Pulheimer Manifests für eine Energieversorgung ohne Braunkohle, das 2016 in den Rahmen größerer Aktionen gestellt werden soll, der Anschaffung eines Informationsbusses für die den Widerstand tragenden Gruppen und Initiativen und dem Projekt des Gelben Bandes, das mit wenig Aufwand viel Aufmerksamkeit für das Anliegen der Braunkohlegegnerinnen und -gegner schaffen kann. Häufig ging es auch um den 3. Rahmenbetriebsplan, der für den Ausbau des Tagebaus Hambach ab 2020 verabschiedet werden muß. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, inwiefern Rahmenbetriebspläne überhaupt die legale Grundlage der Tagebaue bilden. Der der regionalen Braunkohleverstromung womöglich ein vorzeitiges Ende bereitende Zusammenhang zwischen der bis 2045 erteilten Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II und der nicht so langfristigen Planung im Falle des Hambacher Tagebaus war Gegenstand eines weiteren Vortrags.

Eine große Rolle in den Beratungen zur gemeinsamen Planung spielte auch das vom 26. Juli bis zum 3. August in Borschemich am Rande des Tagebaus Garzweiler stattfindende Klimacamp [1]. In dem über 1100 Jahre alten Ort, in dem die Abrißarbeiten bereits begonnen haben, leben heute nur rund 30 Menschen, die ihrer Umsiedlung widerstehen. Zu ihnen gehören auch die Betreiber der Gärtnerei Meier, auf deren Gelände ein Teil des Camps liegen wird. Sie befinden sich mit RWE in einem langjährigen Rechtsstreit um eine angemessene Entschädigung und den Erhalt einer Ausweichfläche für ihren Betrieb.

Zudem wurden die Perspektiven der Kohlechemie in Hinsicht auf ihre Bedeutung für die Fortsetzung des Braunkohleabbaus zu anderen Zwecken als denen der Stromerzeugung ausgeleuchtet. Angesichts der hochgradigen Bedeutung der kostengünstigen Kohleförderung im Tagebau für den rohstoffarmen Industriestandort Deutschland erscheint es nicht unmöglich, daß der politische Beschluß des mittelfristigen Ausstiegs aus diesem Energieträger andere Formen der Verwertung von Braunkohle freisetzt, die ökologisch keinesfalls unbedenklicher sind. Hier gilt es angesichts der jüngsten politischen Entwicklung in Europa und der Debatte um nationale Energiesicherheit einen Blick auf politische Entwicklungen zu werfen, die nur scheinbar nichts mit der Problematik im Rheinischen Braunkohlerevier zu tun haben. Einen Ansatz dazu lieferte auch eine Gruppe, die sich mit dem Zusammenhang von Klima und Militarismus beschäftigt und sich als Kommunikationskollektiv versteht, das strategische Gruppenprozesse erforscht und unterstützt.

Die Fülle der Fragen, die an diesem Tag besprochen, und der Interessen, die dabei artikuliert wurden, läßt bereits eine gesellschaftliche Lager und Herkünfte überbrückende Kommunikationskultur erkennen. Wenn die Frucht einer solchen sozialen Bewegung nur darin bestehen sollte, daß sich Menschen im Kampf um die gemeinsame Sache näherkommen, die ansonsten nicht viel miteinander zu tun hätten, dann wäre schon viel gewonnen. Sich in einem solchen Prozeß über den Angriff klarzuwerden, der in der entfremdenden Wirkung von Forderungen und Ansprüchen besteht, die hierzulande vor allem als abstrakter Primat der Kapitalverwertung Gestalt annehmen, könnte Mut machen, mehr zu wollen, als ein vermeintliches Sachproblem zu bewältigen. Daß es sich bei Fragen des Energieeinsatzes und -verbrauchs keineswegs um ein solches handelt, sondern gesellschaftliche Naturverhältnisse mit der Zurichtung des Menschen auf ein beherrschbares Wesen innigst verknüpft sind, könnte das produktive Ergebnis eines Erkenntnisprozesses sein, der keines besonderen Studiums bedarf, sondern mit dem Widerstand gegen aufgeherrschte Bedingungen bereits begonnen hat.

Hofeinfahrt mit Baum - Foto: © 2014 by Schattenblick

Veranstaltungsort Millianshof in Bergheim-Rheidt
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.klimacamp-im-rheinland.de/

Der erste Teil des Berichts siehe unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → UMWELT → REPORT:
BERICHT/075: Kohle, Gifte, Emissionen - Kontroversen, Bündnisse, Teil 1 (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0075.html

2. Juni 2014