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INTERVIEW/047: Down to Earth - Mangelkultur Besitz (SB)


Wasserknappheit - ein eigentlich neues Problem in der Mongolei

Prof. Dr. Lucas Menzel über neue Umwelt- und Wasserprobleme, Wasserverluste, die außerhalb der menschlichen Kontrolle liegen und die Folgen einer erzwungenen Seßhaftigkeit in der Mongolei



Die Verteilung und Sicherung des raren Guts Wasser in Zentralasien wurde von verschiedenen Referenten am 28. August 2012 auf dem Weltgeographiekongreß in Köln in einer Session über "Global Change & Globalisation - Central Asian Ecosystems under Water Scarcity" (Globaler Wandel und Globalisierung - Zentralsiatische Ökosysteme unter Wasserknappheit) thematisiert. [1] Einer der Referenten war Professor Dr. Lucas Menzel vom Geographischen Institut der Universität Heidelberg, der hier seine Feldforschung über die Wege der natürlichen Wassergewinnung und ihres möglichen Schutzes in einem von der Zivilisation noch relativ unberührten Teil der Welt, dem Khentii Gebirge in der Mongolei, vorstellte. Gerade die Mongolei gilt als eine für anthropogene Einflüsse besonders empfindliche Region und ist für das Entwickeln wirksamer Wassermanagementkonzepte, die auch in Europa Anwendung finden sollen, als Freiluftlaboratorium von Wasserexperten sehr geschätzt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Raubbau an Bodenschätzen, der bereits die Flußläufe in den Tälern vor ungeahnte Wasserprobleme stellt, auch die hochgelegenen Gebiete erreicht.

Im Anschluß an die Session erläuterte der an zahlreichen internationalen Projekten und Feldexperimenten in Mitteleuropa, im Vorderen Orient und in der Mongolei beteiligte Hydrologe, der sich außer mit Fragestellungen zur Wasserknappheit, Aridität, Dürreentwicklung und Verdunstung auch mit dem Einfluß der Klimavariabilität und des Klimawandels auf den Wasserhaushalt und auf das Auftreten hydrologischer Extreme befaßt, einige an seine Forschungsschwerpunkte angrenzende Fragen.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Dr. Lucas Menzel
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Warum haben Sie sich die Mongolei als Forschungsterrain ausgesucht? Ist die Mongolei aus Sicht des Geographen oder Forschers noch so etwas wie ein weißer Fleck auf der Landkarte?

Prof. Dr. Lucas Menzel (LM): Nein, ich glaube es gibt keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte, aber ich beschäftige mich mit Wasserknappheit, und die Mongolei oder überhaupt die Großregion Zentralasien ist bekannt dafür, daß sie sehr unter Wasserknappheit leidet. Dazu kam, daß ein Kollege von mir, der schon längere Zeit in der Mongolei gearbeitet und sich in seinen Forschungsarbeiten schon länger mit dieser Problematik beschäftigt hatte, fragte, ob ich nicht an einer Zusammenarbeit mit ihm an einem größeren, gemeinsamen Projekt interessiert wäre.

SB: Sie sprachen in Ihrem Vortrag von lokalen Akteuren und mongolischen Forschern, mit denen Sie zusammenarbeiten. Werden Ihre Forschungen auch von der mongolischen Regierung unterstützt?

LM: Ja, in jedem Fall. Die mongolische Regierung hat ein sehr großes Interesse daran, gerade mit deutschen Partnern zusammenzuarbeiten. Zum einen, weil diese eher als politisch neutral angesehen werden, zum anderen verspricht man sich allgemein viel von dem Deutschen "Know How". Außerdem bestehen bereits traditionell sehr gute Beziehungen zwischen Deutschland und der Mongolei. Beispielsweise wird unser Projekt vom mongolischen Umweltministerium sehr stark unterstützt. Insbesondere legt man großen Wert auf den Ausbildungsaspekt, also die Vermittlung von deutscher Expertise an mongolische Studenten, Schüler, aber auch die Ausbildung von Fachkräften.

SB: In vielen Studien, die diese Region betreffen, wird auf Daten zurückgegriffen, die noch von Forschern der ehemaligen Sowjetunion erhoben wurden. Könnte man sagen, daß hier 1991 auch in der Forschung gewissermaßen ein Schnitt gesetzt wurde und nun frühere Forschungsansätze wieder neu aufgegriffen werden?

LM: Es hat einen Schnitt gegeben, das ist sicher richtig. Allerdings wissen wir bis heute nicht genau, was die russischen Wissenschaftler früher in der Mongolei gemacht haben und welche Zusammenarbeit bereits existierte. Es wurde nichts auf Englisch oder in einer anderen Sprache publiziert, die wir auswerten können. Und die Artikel, die damals in russischer Sprache veröffentlicht worden sind, befinden sich in irgendwelchen Universitätsbibliotheken in Rußland, auf die wir keinen Zugriff haben. Das ist tatsächlich ein Problem.

SB: Wäre die Nachwuchsförderung junger mongolischer Wissenschaftler in Ihrem Projekt vielleicht im nebenherein auch eine Möglichkeit, hier über das gemeinsame wissenschaftliche Interesse an diesen Daten eine alte Ressource nutzbar zu machen?

LM: Leider wird in den mongolischen Schulen Englisch, vielleicht auch Deutsch, aber kaum noch Russisch angeboten, so daß die jungen Mongolen die Sprache auch nicht mehr beherrschen.

SB: Ein zweites Problemfeld ist die Wasserbelastung durch menschliche Eingriffe. Hier hatten Sie in Ihrem Vortrag erwähnt, daß die zunehmende Zerstörung des für die Wasserspeicherung wichtigen Waldes in einem nicht unerheblichen Maß darauf zurückzuführen ist, daß sich Menschen, die jetzt im Zuge des Wandels keine Arbeit mehr haben und arm sind, dort praktisch von dem nehmen, was die Natur frei zur Verfügung stellt und dabei massive Schäden verursachen.

Wäre es nicht auch denkbar, daß auch die in den Goldminen verwendeten Chemikalien oder Stoffe, die aus dem Abraumschutt freigesetzt werden, einen Einfluß auf die landschaftliche Verödung haben?

LM: Es gibt sehr viele Goldminen in der Mongolei, auch Kupfer- und Kohleförderung sowie seltene Erden. Der massive Abbau von Bodenschätzen hat natürlich einen starken Einfluß auf die Wasserverfügbarkeit und vor allem auf die Wasserqualität. Es sind aber insbesondere die kleinen Goldminen, die nicht von den großen Unternehmen, sondern von kleinen Familienbetrieben der Mongolen unterhalten werden, die beispielsweise nochmal versuchen aus den Abraumhalden der großen Goldminen Reste an Gold herauszuwaschen und dabei große Mengen an Schwermetallen einsetzen wie Quecksilber oder auch Arsen, die dann letztendlich in die Gewässer gelangen.

Wie es sich bei den großen Goldminen verhält, die bei der Goldgewinnung ebenfalls auf Schwermetalle zurückgreifen, und inwiefern sich diese auf das Flußsystem auswirken, wissen wir nicht, weil diese Firmen ihre Daten zurückhalten. Wir nehmen an, daß sie mit einer ausgereifteren Technologie arbeiten und dementsprechend ihr Brauchwasser wesentlich effizienter recyclen, als das bei den dezentralen, kleinen Goldminen der Fall ist, die das Abraummaterial der großen Minen bearbeiten.

Eine besonders schwerwiegende direkte Gefährdung von Menschen besteht bei einigen kleinen, dezentralen Goldminen darin, daß hier oft vertikale Löcher in den Untergrund gegraben werden, in denen Menschen unter höchster Lebensgefahr in den Untergrund steigen, um goldhaltiges Erz abzubauen. Diese Schürfer riskieren ihre Gesundheit nicht allein durch den gefährlichen Abbau, sondern auch, weil sie das Gold mit Hilfe von großen Mengen an Quecksilber aus dem Erz herausschmelzen und sich und ihre Familien dabei den giften Dämpfen aussetzen, vor allem, wenn sie das in ihren Jurten tun.

Die Auswaschungen von Quecksilber oder Arsen in den Fluß Khararr sind beispielsweise ein Problem, an dem wir noch arbeiten. Die Schadstoff-Fahnen kann man in einem bestimmten Verfahren genau verfolgen. Das machen Kollegen in einem anderen Teilprojekt, das sich mit Wassergüte-Parametern des Khararr befaßt.

Meine Arbeitsgruppe sitzt genau genommen am Oberlauf, wo das Wasser Gott sei Dank noch in reinster, unbeeinträchtigter Form vorhanden ist, weil es dort noch keine Goldmine gibt. In einem anderen Flußeinzugsgebiet im Nachbartal gibt es aber tatsächlich bereits eine Goldmine. Außerdem hat die mongolische Regierung schon sehr viele Lizenzen für den Goldabbau vergeben, man sagt, bis zu 60 Prozent des mongolischen Territoriums seien bereits als Claims für den Abbau von Kupfer, Gold und anderen Erzen verteilt worden.

Obsolete Goldschürfer-Ausrüstung am Onon-Fluß im Khentii Gebirge - Foto: 2011 by RwB Coalition via Panoramio image ID 56950928 - (freigegeben als CC BY-NC-ND 3.0 unported)

Die Schürfer riskieren ihre Gesundheit.
Foto: 2011 by RwB Coalition via Panoramio image ID 56950928
(freigegeben als CC BY-NC-ND 3.0 unported)

SB: Wie würden Sie gerade vor dem Hintergrund der Umweltauswirkungen die Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und der Mongolei bewerten?

LM: Ich kann über die Rohstoffpartnerschaft nicht viel sagen. Gut, Angela Merkel war im Herbst in der Mongolei und hat hier ein Abkommen über seltene Erden und andere Erze geschlossen. Ich würde sagen, Deutschland ist hier durchaus bemüht, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem eigenen Anspruch auf Ressourcen, die in anderen Ländern in wesentlich stärkerem Maße gegeben sind, mit allen daraus entstehenden Konsequenzen und dem Anliegen, Umweltschutz- und andere neue Techniken dort in der Region zu verbreiten. Zwischen diesen beiden Spannungsfeldern bewegt sich die deutsche Politik, zum einen, um Umweltschutzmaßnahmen oder auch solche Projekte zu fördern wie jetzt unser Mongolei-Projekt, wo es um Wasserressourcen-Management geht, also um die knappe Ressource Wasser; zum anderen aber auch, um entsprechend wichtige Rohstoffe für die eigene Industrie zu sichern und sich am Abbau von Erzen und seltenen Erden zu beteiligen.

SB: Neben der Verschmutzung der Wasserressourcen, Belastung des Wassers durch menschliche Eingriffe oder die unzureichende Versorgungsstruktur sowohl auf dem Land als auch in den Städten beschäftigen Sie sich vor allem mit der Hydrologie und den Veränderungen, die im Zuge des globalen Wandels zu erwarten sind. In Ihrem Vortrag war daher auch viel von Defiziten und Verlusten die Rede, auf die man aber nicht immer ausreichende Erklärungen und oft nur einen sehr begrenzten Zugriff zu haben scheint. Welche Wasserverluste entziehen sich gewissermaßen der menschlichen Kontrolle?

LM: Der größte natürliche Wasserverlust ist genau genommen die Verdunstung. Ich habe ja gesagt, 90 bis 95 Prozent des Niederschlages verdunstet eigentlich sofort wieder. Der Schnee verdunstet hier im Winter auch, weil die Atmosphäre so trocken ist. Das ist eigentlich der größte Verlust und der ist natürlich unabwendbar.

Darüber hinaus stellen wir auch Verluste im Flußbett selbst fest, aus dem nicht unerhebliche Mengen direkt ins Grundwasser absickern. Das ist aber eigentlich in diesem Sinne kein Verlust, weil man das Grundwasser wieder nutzen kann. Dieses Wasser findet man dann zum Beispiel vor den Toren der Stadt Darkhan wieder. Dort gibt es sehr viele Grundwasser Galerien.

Ein weiterer Verlustfaktor ist sicherlich die Bewässerungslandwirtschaft, wo wir einfach über die verwendeten Mengen keine konkreten Zahlen haben. Die Bewässerung soll jetzt wieder intensiviert werden. Nach dem Zusammenbruch in den 1990er Jahren versucht man wieder systematisch mehr Lebensmittel zu produzieren und dazu müssen die Felder bewässert werden, weil es so trocken ist. Ein Großteil des Wassers geht allein bei dem Transport auf die Felder verloren oder es verdunstet, weil man nicht die optimale Technologie einsetzt.

Ein unkontrollierbarer Wasserverbraucher sind die Minenbetreiber. Auch da haben wir keine konkreten Zahlen. Wir wissen allerdings, daß für ein Kilogramm Gold mehrere tausend Tonnen Erz abgebaut werden müssen und daß man dazu ungeheuer viel Wasser braucht. Wenn man bedenkt, daß allein in der großen Goldmine in unserem Flußgebiet im Jahr durchaus mehrere Tonnen Gold gefördert werden, dann ist das schon ein gewaltiger Verlust.

Und schließlich untersuchen wir natürlich auch die Leitungsverluste, die in den Wasserzuleitungen beispielsweise in der Stadt Darkhan oder in Siedlungen entstehen und nicht nur auf ein marodes Leitungs- oder Kanalisationssystem zurückzuführen sind. Wenn man hier oft von einem Leitungsverlust von 50 Prozent spricht, muß man bedenken, daß allein die naturräumlichen Bedingungen so sind, daß der Bodenfrost im Winter mehrere Meter in die Tiefe reicht, so daß hier die Leitungssysteme ständig zerstört werden und permanent Leckagen auftreten. Das ist nicht unbedingt damit beseitigt, daß man das Leitungsnetz modernisiert, sondern man muß es an die Bedingungen auch entsprechend anpassen.

SB: Gibt es so etwas wie ein traditionelles Bewässerungsmanagement, auf das man zurückkehren könnte oder vielleicht einen Umgang mit dem Wasser, den die Bevölkerung, die hier seit Generationen mit den Problemen des Wassermangels zu tun hat, nur vergessen hat?

LM: Ich würde hier ganz klar sagen "nein". Das ist zwar in anderen Wassermangelgebieten sicher so, daß man dort traditionelle Formen kennt, die man auch unbedingt wieder propagieren sollte, wenn man mal vom Bevölkerungswachstum absieht. Aber die Mongolei ist ein traditionelles Nomadenland. Bewässerungslandwirtschaft kennt man hier eigentlich gar nicht.

Die Bewässerungslandwirtschaft wurde erst in den 1930er, -40er und -50er Jahren unter dem Einfluß der Sowjetunion eingeführt. Es war ein Versuch, die Nomaden seßhaft zu machen, indem man hier anfing, Landwirtschaft und Ackerbau zu betreiben. Sie ist somit etwas noch relativ Neues in der Mongolei.

SB: Herr Professor Menzel, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Lucas Menzel im Gespräch
Foto: © 2012 by Schattenblick

Anmerkung:
[1] siehe auch den Bericht zu der IGC-2012 Session Global Change & Globalisation - GCG 03-01 Asian ecosystems under water scarcity 1 (Globaler Wandel und Globalisierung - Zentralsiatische Ökosysteme unter Wasserknappheit) unter dem Vorsitz von Bernd Cyffka und Yumiti Halike
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0034.html

Weitere Berichte und Interviews zum Weltkongreß der Geographie 2012 in Köln finden Sie, jeweils versehen mit dem kategorischen Titel "Down to Earth", unter
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8. Januar 2013