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INTERVIEW/109: Wohnstube Meer - Umsicht, Rücksicht, starke Regeln ... Prof. Dr. Uwe Jenisch im Gespräch (SB)


"Ein anderes Meer ist möglich!"

Zur Konferenz "über die Grenzen des Blauen Wachstums und die Zukunft der Meere" eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses vom 15. - 17. Mai 2014 im Konsul-Hackfeld-Haus in Bremen

Prof. Uwe Jenisch über die Risiken eines Tiefseebergbaus in nationaler Verantwortung, die weitreichenden Umweltauflagen der Internationalen Meeresbodenbehörde und Plastiktüten, die in den Mägen verendeter Wale gefunden werden



"Ein anderes Meer ist möglich!" lautete der programmatische Titel einer zivilgesellschaftlichen Konferenz im Vorfeld des Europäischen Tags des Meeres 2014 in Bremen. Damit sich jenes andere Meer nicht vom gegenwärtigen Zustand in Richtung wachsender Ausbeutung bewegt, wie sie in der EU-Strategie des "Blue Growth", des Blauen Wachstums formuliert wird, sondern in Richtung Schutz der Fische, Verbot des Tiefseebergbaus und Vermeidung von Schadstoffbelastungen, kommt man um die Formulierung und Durchsetzung rechtlicher Instrumente nicht herum. Darum war die Entscheidung der Organisatoren, am 16. Mai zur Podiumsdiskussion unter dem Titel "Zur Zukunft des Meeresschutzes" mit Prof. Dr. Uwe Jenisch vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) Kiel einen ausgewiesenen Seerechtsexperten einzuladen, nur konsequent.

Beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

Prof. Dr. Uwe Jenisch
Foto: © 2014 by Schattenblick

Prof. Jenisch war von 1975 an Mitglied der deutschen Delegation bei den Verhandlungen zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das 1994 in Kraft trat. Als Leiter des Referats "Schifffahrt und Häfen" im Schleswig-Holsteinischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und langjähriger Hochschuldozent, der zahlreiche Schriften zu maritimen Belangen verfaßt hat, wurde er am 17. Mai 2005 von der Universität Kiel zum Honorarprofessor für Seerecht ernannt. Vor der Podiumsdiskussion stellte sich Prof. Jenisch dem Schattenblick für ein Interview zur Verfügung.


Schattenblick (SB): Wie beurteilen Sie als Seerechtsexperte die Vision des WBGU "Welt im Wandel - Menschheitserbe Meer" [1], in der unter anderem eine Einschränkung der nationalen Souveränität und die Übertragung bestimmter Rechte auf eine World Ocean Organisation vorgeschlagen wird?

Prof. Uwe Jenisch (UJ): Das ist eine ehrenwerte Vision, aber es ist eine Vision. Die historische Entwicklung des Seerechts und der Meeresnutzungen geht in eine ganz andere Richtung, nämlich in Richtung Nationalisierung und Optimierung des eigenen Vorteils.

SB: Vor gut einem Jahr nahmen Sie an einem internationalen Workshop zu den mineralischen Ressourcen des Meeresbodens in Kiel teil [2], auf dem Michael Lodge, Rechtsberater der Internationalen Meeresbodenbehörde, über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bergbau in dem "Gebiet" [3] referierte. Er sagte, daß die Rechte der Unternehmen gegenüber Staaten gestärkt werden sollen. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

UJ: Im Seerechtsübereinkommen ist festgelegt, daß der Antragsteller für den Tiefseebergbau einen "sponsoring state", auf Deutsch "befürwortenden Staat", mitbringen muß. Das heißt, Unternehmen und Heimatstaat müssen Arm in Arm gehen, und der Heimatstaat haftet für die Kontrolle und Zuverlässigkeit dieses Unternehmens. Im äußersten Fall kann er auch auf Schadenersatz verklagt werden. Somit werden die Staaten mit in die Verantwortung des Tiefseebergbaus reingezogen, und das ist Absicht. Das ist auch gut so, weil die Risiken eben größer sind als sonst.

SB: Hatte nicht der Staat Nauru den Standpunkt vertreten, daß er unmöglich das Risiko tragen und dafür haften kann, wenn ein milliardenschweres Unternehmen als sein Partner Umweltschäden verursacht, woraufhin sich der Internationale Seegerichtshof in Hamburg zu seinen Gunsten ausgesprochen hat?

UJ: Nein, das sehe ich ganz anders. Der Seegerichtshof hat im Auftrage der Meeresbodenbehörde ein Gutachten [4] über diese Zusammenhänge erstellt und kommt zu einem Ergebnis, durch das Rechte und Pflichten des befürwortenden Staates gestärkt werden. Das Gericht hat noch einmal auf die Haftung und Verantwortung des begleitenden Staates hingewiesen und deutlich gemacht, daß es da für Entwicklungsländer keinen Rabatt geben darf. Das heißt, ein Staat wie Nauru kann sich am Tiefseebergbau als befürwortender Staat nur beteiligen, wenn er eine vernünftige eigene Bergbaugesetzgebung und -verwaltung hat und wenn er sich beispielsweise durch Versicherungen gegen das Risiko absichert.

Nur dann kann ein Staat an einem Tiefseebergbau mitwirken, anders nicht. Das gilt aber nur für die Fälle, in denen Nauru als Antragsteller im Tiefseebergbau im internationalen Bereich des Meeres tätig wird. Wenn Nauru in seiner 200-Meilen-Zone, wo ja auch Ressourcen sind - und die 200-Meilen-Zone ist im Falle Naurus riesig [5] - Bergbau treiben will, dann kann er das national wohl machen. Da greift nur das Seerechtsübereinkommen mit seinen allgemeinen Vorschriften. Die Staaten haben ja das Recht, innerhalb ihrer 200-Meilen-Zone Mineralien, Öl, Gas und die Fische auszubeuten. Eben da droht ein Risiko.

Während außerhalb der Grenzen der nationalen Zuständigkeiten die Meeresbodenbehörde mit ihrem Tiefseebergbauregime, über das in Kiel berichtet wurde, international wacht und dazu auch sehr viele Vorschriften erlassen hat, wird es in den Zonen nationaler Zuständigkeiten Tiefseebergbau geben. Da müßte das Bergbauregime konkordant gemacht werden. Es müßten dieselben strengen Vorschriften des internationalen Bereichs auch in der 200-Meilen-Zone gelten. Das ist eine Lücke in der jetzigen Rechtsordnung, die es zu schließen gilt. Was vielleicht heute abend noch zu Sprache kommen wird.

Zum Publikum hin geöffnete Gesprächsrunde auf dem Podium - Foto: © 2014 by Schattenblick

Podiumsdiskussion "zur Zukunft des Meeresschutzes" mit (von links nach rechts) Stephan Lutter (WWF), Nadja Ziebarth (BUND), Cornelia Wilß (Moderatorin) und Prof. Dr. Uwe Jenisch (Walther-Schücking-Institut)
Foto: © 2014 by Schattenblick

Ein Drittel der Weltmeere setzt sich aus 200-Meilen-Zonen zusammen, und zwar 200 Meilen ohne Rücksicht auf die Tiefe des Wassers. Vor Chile ist das Wasser 6000 Meter tief. Im Abstand von 50 Seemeilen zum Land geht es da sehr tief runter. Da kann Chile alleine Manganknollen schürfen. Wer garantiert uns, daß die Chilenen ein Umweltregime in der Tiefsee implementieren, überwachen und durchsetzen? Kann Nauru das machen? Kann das Fidschi machen? Oder Tuvalu?

SB: Das wäre auch meine Frage bezogen auf das Gebiet: Könnte die Internationale Meeresbodenbehörde einen Tiefseebergbau überwachen? Wäre sie in der Lage, das mit ihren vielleicht 50 Mitarbeitern administrativ zu leisten?

UJ: Die wesentlichen Risiken gehen von den Nationalstaaten aus. Die Meeresbodenbehörde hat schon eine Reihe von Workshops initiiert, auf denen sie dafür wirbt, daß ein konkordantes Regime Tiefseebergbau unter nationaler Flagge und Tiefseebergbau unter der Flagge der Meeresbodenbehörde aufgebaut wird. Wenn man das nicht schafft, dann wird es, so wie in der Schiffahrt die Billigflaggen, einen Bergbau in den Meeren unter einem Billigregime geben. Das ist eine Gefahr. Die 40 Mitarbeiter der Internationalen Meeresbodenbehörde sind hoch motiviert und qualifiziert. Im übrigen wird dort die Sacharbeit in der Rechts- und Fachkommission geleistet, die sich aus den Fachleuten der Staaten zusammensetzt, unter anderem aus Deutschland.

SB: Zur Zeit wird der Tiefseebergbau noch exploriert. Es werden Gutachten erstellt und man überprüft, welche Umweltfolgen das hat. Kann man schon abschätzen, wann die ersten Verträge vergeben werden und es mit dem Bergbau am Meeresboden losgeht?

UJ: Auch hier muß man wieder zwischen Tiefseebergbau im Gebiet und in den 200-Meilen-Zonen unterscheiden. Letzterer geht bereits los. Die Firma Nautilus Minerals hat seit 2011 eine Lizenz für die Wirtschaftszone von Papua-Neuguinea. Da hatte es Streit gegeben, vor kurzem hat man sich mit dem Gastland geeinigt, jetzt wollen sie anfangen, in 1600 Meter Wassertiefe Bergbau zu betreiben. Darüber hinaus gibt es Lizenzen im Roten Meer, innerhalb der 200-Meilen-Zone auszubeuten. Und es gibt eine Phosphatlizenz für die 200-Meilen-Zone von Neuseeland. Vor Namibia wird schon seit langem Diamantenbergbau betrieben. Die Technik für die küstennahen Bergbauaktivitäten in mittleren Wassertiefen ist fast marktreif.

Im internationalen Bereich laufen die ersten und somit ältesten Explorationslizenzen, die im Jahre 2001 vergeben wurden, 2016 aus. Die damaligen Antragsteller stehen dann vor der Frage: Wollen wir jetzt in die Ausbeutungsphase gehen? Sie können nochmal eine fünfjährige Verlängerung beantragen unter erschwerten Bedingungen. Wenn die Bedingungen nicht eintreten, müssen sie sich 2016 entscheiden, ob sie abbauen wollen oder nicht.

SB: Ansonsten verfällt der Claim?

UJ: Sonst verfällt der Claim und wird an die Meeresbodenbehörde zurückgehen, die ihn wieder weitergeben kann, zum Beispiel an Entwicklungsländer. Deswegen hat die Meeresbodenbehörde Arbeitsgruppen eingerichtet und ist im Moment dabei, einen Mining Code, also ein Bergbaugesetz für die Ausbeutung, vorzubereiten. Dafür gibt es Eckpunkte und Entwürfe. Ziel ist dabei, daß es 2016 oder kurz danach fertiggestellt wird. Jetzt ist es 2014, zur Erinnerung.

SB: Im Entwurf zum Mining Code steht, was den Umweltschutz betrifft, daß im Tiefseebergbau in der Area die "bestverfügbare Technik" einzusetzen sei. Müßte "bestverfügbare Technik" nicht den Zusatz erhalten "unter bestimmten ökonomischen Bedingungen"? Weil theoretisch unter bestverfügbarer Technik verstanden werden könnte, daß man einen einzelnen Taucher an einem Seil runterläßt, der sich ganz vorsichtig eine einzige Manganknolle vom Meeresboden nimmt und wieder nach oben gezogen wird. Eine absurde Vorstellung, so etwas würde natürlich niemand machen, aber verdeutlicht das Beispiel nicht, daß zur "bestverfügbaren Technik" eigentlich noch zusätzlich gesagt werden müßte: "Im Rahmen einer ökonomischen Ratio"?

UJ: Das ist eine schwierige Frage. Ganz allgemein kann man sagen, daß die Mining Codes für die Exploration und später für die Ausbeutung einen ganz massiven Umweltschutzteil haben, der sehr tief gestaffelt ist mit Begleituntersuchungen, Monitoring und einer Front-End-Untersuchung, bevor man überhaupt anfängt. Man muß Vergleichsgebiete ausweisen, man muß Schutzgebiete ausweisen, man muß "best available technology" einsetzen, und so weiter. Das steht alles in den Mining Codes. Zudem muß man jährlich Bericht erstatten, man muß Notfallpläne aufstellen. Und man muß sich der Meeresbodenbehörde unterwerfen, wenn sie einen Abbruch der Operation aus Umweltgründen verfügt. Es kann also von einem Tag zum anderen die Genehmigung entzogen werden. Bei "bestverfügbare Technik" ist auch schon das Wort "verfügbar" schwierig. Was ist denn verfügbar? Habe ich als Bürger von Tonga den Zugriff auf die beste Technologie der Chinesen?

SB: Das würden die sich wohl sehr verbitten.

UJ: Das würden die sich wohl verbitten, ja. Das ist also ziemlich weich formuliert. Das ist eine Art Good-will-Erklärung. Man kann also nicht mit Primitivtechnik antreten. Man muß ja auch als Antragsteller die Technik, die man einsetzen will, präsentieren. Das ist Teil des Antragsverfahrens. Die Meeresbodenbehörde kann dann sagen: "Mit dieser Technologie, die vierzig Jahre alt ist, kriegst du die Lizenz nicht. Es gibt in China, Japan, Korea viel bessere Technologien, kümmere dich drum." So etwas könnte die Meeresbodenbehörde sagen. Da sind Spielräume.

Taucher am Meeresboden, Juni 1988 - Foto: OAR/National Undersea Research Program (NURP)

Woran orientiert sich "bestverfügbare Technik"? Aus Umweltschutzgründen würde vielleicht ein einzelner Taucher oder ein Roboterarm mit Greifklaue am wenigsten Zerstörungen beim Einsammeln von Manganknollen anrichten; legt man dagegen Wert auf einen wirtschaftlichen Abbau unter Vernachlässigung der bestverfügbaren umweltschonenden Technik, käme wahrscheinlich eine Art Kartoffelerntemaschine zum Einsatz.
Foto: OAR/National Undersea Research Program (NURP)

SB: Sie erklärten im vergangenen Jahr auf einer Veranstaltung des Maritimen Clusters Norddeutschland zum Thema Seerecht und Umweltschutz im Tiefseebergbau, daß das Seerecht schädliche Umwelteinflüsse "minimieren" kann. Reicht das Ihrer Meinung nach aus, um im Meer vergleichbare Schäden, wie sie der Bergbau an Land verursacht, zu verhindern?

UJ: Ja, natürlich.

SB: Oder wo sind da noch Lücken?

UJ: Das ist eine sehr schöne Frage. Man müßte mal, bitte schön, den Landbergbau und den Meeresbergbau umweltmäßig in einen Vergleich stellen. Dann würde man feststellen, daß der Meeresbergbau sehr viel sauberer ist als der Landbergbau. Es gibt keine riesigen Tagebaugruben wie in China, die man mit bloßem Auge vom Mond aus sehen kann. Sondern man ist minimalinvasiv am Meeresboden punktuell da zugange, wo man hochwertige Mineralien findet, die eingesammelt werden. Man dringt auch nicht in den Untergrund des Meeresbodens ein, sondern man sammelt beispielsweise die Manganknollen auf wie mit einer Katroffelerntemaschine. So muß man sich das vorstellen. Man braucht keine Infrastruktur, man hat keine Abraumhalden. Man hat statt dessen die Chance, drei, vier, fünf, sechs Metalle in einer Lagerstätte gleichzeitig zu fördern.

Man braucht keine Straßen. Man hat ein Schiff als mobile Bergbaueinrichtung, die anschließend zu der neuen Lagerstätte verlagert werden kann. Der Tiefseebergbau ist umweltpolitisch insgesamt verantwortbar, wenn er gut überwacht und wenn anständige Technik verwendet wird, und er ist sehr viel vorteilhafter als der Landbergbau. Beispielsweise ist er auch unbemannt - ich will nicht erst noch an das Unglück in der Türkei erinnern. [6]

Warum sind in China fast alle Flüsse verseucht? Weil sie Landbergbau im großen Stil betreiben und diese Seltenen Erden mit Auswaschung unter Wassereinsatz fördern.

Ein Schwachpunkt im Umweltschutz der Tiefseeszene ist allerdings noch, daß die Verhüttung und Verarbeitung der Metalle, die ja an Land passieren muß, von der Mineralogie und der Verhüttungstechnik her noch nicht in vollem Umfang zur Verfügung steht. Da werden ja auch noch Reststoffe anfallen.

SB: Was wird mit denen geschehen?

UJ: Ja, was wird mit denen geschehen? Die Verfahren, die dann an Land laufen müssen, nämlich die Separierung der verschiedenen Mineralien mit Energieaufwand, sind noch nicht zu Ende gedacht. Da drohen sicherlich noch Umweltrisiken.

Kartoffelerntemaschine im Einsatz - Foto: Lvdbos, freigegeben als CC0 1.0 Universal via Wikimedia Commons

Manganknollen einsammeln ist wie Kartoffeln ernten - wie lange werden sich die Sedimentwolken im Wasser halten?
Foto: Lvdbos, freigegeben als CC0 1.0 Universal via Wikimedia Commons

SB: Vor kurzem berichtete der Sportsegler Ivan Macfadyen, er habe in diesem Jahr den Pazifik überquert und dabei weder Fische noch Vögel gesehen. So etwas habe er früher nicht erlebt. [7] Können Sie aus eigenen Erfahrungen bestätigen, daß so etwas eigentlich nicht vorkommt?

UJ: Ich kenne den Bericht nicht, aber die Zeitungen schreiben so etwas ja gerne, weil es alarmierenden Charakter hat. Tatsache ist, daß es in der Weite der Ozeane wenig Fische gibt. Die sind in den küstennahen Bereichen, und Seevögel wird man mitten im Pazifik auch nicht so ohne weiteres antreffen. Wo sollen die denn mal runterkommen? Wo ist da die nächste Insel? 3000 Kilometer oder 5000 Kilometer entfernt? Wahrscheinlich wird er Plastikabfälle gefunden haben.

SB: Jede Menge! Er sagte, der Müll hätte immer an seine Bordwand geschlagen.

UJ: Das glaube ich. Und dieses Plastik kommt von den Menschen! Da muß man sich nämlich mal an die eigene Nase fassen.

SB: Sie sind ja früher auch zur See gefahren. Haben Sie da auch schon ein hohes Müllaufkommen erlebt?

UJ: Damals gab es diese vielen Plastikdinge noch nicht, nein. Das Ärgerliche war damals, daß man auf der Ostsee Pappkartons vorfand, wo die Fährschiffe und die Segler ihre Bierkästen neben das Schiff gestellt haben, und die Pappkartons sah man dann noch ... (lacht)

Es hat übrigens in dem Zusammenhang wenig Sinn, auf die Schiffahrt einzudreschen, die angeblich so schmutzig ist. Der ganze Plastikmüll in den Meeren kommt vom Land. Es sind die Müllhalden von Manila, die in den Pazifik geweht werden, und es sind die Reste der Kosmetika, die Sie benutzen, nämlich die Mini-Plastiks. Die sind auch in der Zahncreme und in den Medikamenten enthalten und überhaupt nicht abbaubar.

Solange die Gesetze der Schwerkraft noch gelten, landet das in den Meeren. Das sind die Menschen, die das anrichten. Man hat Karstadt-Tüten im Magen von verendeten Walen in der Antarktis gefunden. Die setzen den Magenausgang der Tiere zu. Vielleicht kommen die Karstadt-Tüten aus Bremerhaven, man könnte vielleicht sogar die Herkunft ermitteln. Da kann sich mal jeder an die eigene Nase fassen mit seinem Verbrauch und vielleicht mal die Geschirrspülmaschine abstellen.

SB: Herr Professor Jenisch, vielen Dank für das Gespräch.

Blaues Sandkastenspielzeug in Form einer Schildkröte auf dem Meeresboden - Foto: NOAA Marine Debris Program

Das blaue Wachstum wirft seinen Schatten voraus: Plastikmüll am Meeresboden
Foto: NOAA Marine Debris Program


Fußnoten:


[1] http://www.wbgu.de/fileadmin/templates/dateien/veroeffentlichungen/hauptgutachten/hg2013/wbgu_hg2013.pdf

[2] Der Workshop "Seafloor Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" (Mineralische Ressourcen des Meeresbodens: wissenschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Fragen) wurde vom 18. bis 20. März 2013 vom Kieler Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" zusammen mit dem GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung ausgerichtet.
Der Schattenblick hat den Workshop mit einer Reihe von Berichten und Interviews, jeweils versehen mit dem Kategorischen Titel "Rohstoff maritim", verarbeitet. Siehe:
BERICHT/050: Rohstoff maritim - Reste oder Sourcen? (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0050.html

[3] Das Gebiet, engl.: The Area. Es umfaßt den gesamten Meeresboden, der keiner nationalen Souveränität unterliegt.

[4] http://www.itlos.org/fileadmin/itlos/documents/cases/case_no_17/Adv_Op_010211_eng.pdf

[5] Die Landfläche Naurus beträgt nur 21,2 km². Da sich diese aber auf viele, teils weit auseinanderliegende Inseln verteilt, besitzt es eine Ausschließliche Wirtschaftszone mit einer Größe von 308.480 km².

[6] Am 13. Mai, drei Tage vor dem Interview, war es in einem Kohlebergwerk im westtürkischen Soma zu einem schweren Unglück mit mehreren hundert Toten gekommen.

[7] http://www.zeit.de/2014/18/ozeane-ueberfischung-muell

2. Juni 2014