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INTERVIEW/155: Klimarunde, Fragestunde - schlußendlich nach der Decke strecken ...    im Gespräch mit fünf Klimawandelexperten, -besorgten und -betroffenen der CEC'14 Tagung (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014



Gespräch mit fünf Konferenzteilnehmern zur Frage, wer im Ernstfall und mit welchen Geldern für die Schäden des Geoengineerings aufkommt: Leonard Borchert (KlimaCampus Hamburg), Futurist Jamais Cascio (IEET), Penehuro Lefale (Bodeker Scientific), Pablo Suarez (Red Cross / Red Crescent Climate Centre) und Michael Thompson (Washington Geoengineering Consortium)

Wohl in kaum einer Region wird die Bedrohung durch den Klimawandel deutlicher als bei den pazifischen Inselstaaten, die schon jetzt besonders starken Naturgewalten trotzen müssen, die als Folge des Klimawandels immer mehr an Heftigkeit zunehmen werden.

Fast 30 Prozent der Menschen in den kleinen Inselentwicklungsländern leben in Gebieten, die weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel liegen. Das machte vor kurzem noch einmal ein Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP [1] deutlich, der auf einer UN-Konferenz in Apia/Samoa am 5. September 2014 präsentiert wurde. [2] Für diese Menschen würde selbst das vom Weltklimarat IPCC empfohlene, aber beim derzeitigen Kurs höchst fraglich zu erreichende 2-Grad-Klimaziel, über das in Politik und Forschung vor allem sehr viel gesprochen wird, viel zu kurz greifen. [3] Sobald die globale Erderwärmung um 1,5 Grad über die Durchschnittstemperatur der vorindustriellen Zeit ansteigt, wird ihre Welt zum größten Teil verschwinden. Den meisten Klimawandelwissenschaftlern ist klar, daß für die Rettung der ganzen Welt ein Umdenken erforderlich wäre, welches die etablierte Welt- und Wirtschaftsordnung komplett in Frage stellen würde. Kein Geheimnis ist darüber hinaus, daß selbst das nicht zu schaffende Ziel nur eine Kompromißlösung darstellen kann, die zu Lasten eben dieser besonders bedrohten Regionen geht, die aufgrund ihrer zumeist bäuerlich-handwerklichen Lebensweise auch noch am allerwenigsten mit Emissionen zur Steigerung des Treibhauseffekts beigetragen haben.

Daß über ein entschlossenes, internationales Handeln keine zwei Meinungen bestehen sollten, machte auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auf der Konferenz in Samoa deutlich: "Die Notlage von Millionen Menschen in den kleinen Inselentwicklungsländern erfordert eine internationale Antwort. Wenn wir nicht handeln, verurteilen wir die besonders verletzlichen Menschen zu einer nicht zu akzeptierenden Zerrüttung ihres Lebens, verursacht durch Menschen, die weit entfernt von ihnen leben."

Während ebenfalls vom Klimawandel bedrohte Küstenregionen oder Metropolen wie New York, London, Shanghai oder Tokio (die derzeit am meisten von Hochwasserkatastrophen gefährdeten Städte der industrialisierten Welt) mit hohen Investitionen zum Beispiel in den Deichbau oder in kostspielige Maßnahmen wie die Umsiedlung ganzer Industrie- und Wohngebiete noch eine Chance in der sogenannten Adaptation (Anpassung) sehen, wären die meisten Entwicklungsländer, wie Paplo Suarez [4] am Beispiel der südamerikanischen Länder in seinem Vortrag zur Session 'Perspectives on Climate Engineering from the Front Lines of Climate Change' [Aussichten und Perspektiven durch Klima-Engineering aus Sicht der in vorderster Front vom Klimawandel Betroffenen] am 19. August auf der Climate Engineering Conference 2014 ausführte, neben allen anderen zu bewältigenden Problemen schlicht finanziell überfordert, sich auch noch auf solche Katastrophen vorzubereiten. Neben dem Verlust ganzer Landstriche durch den Meerespiegelanstieg sehen sich die in vorderster Front betroffenen Länder vor allem durch die zunehmenden Phänomene wie Meeresversauerung, Korallensterben, Fluten und Dürren und damit verbundene Langzeiteffekte auf eine nachhaltige Entwicklung, Schaden für Land- und Fischereiwirtschaft sowie die Abnahme der Biodiversität am stärksten bedroht.

Deshalb kann es nicht verwundern, daß sich die kleinen Inselentwicklungsländer, aber auch die afrikanischen und südamerikanischen sowie andere vom Klimawandel in vorderster Front betroffene Länder in Zukunft nicht nur noch stärker eine entschlossene internationale Klimapolitik fordern werden, sondern angesichts ihrer direkten und existentiellen Bedrohung durch die gegenwärtige Entwicklung vielleicht am ehesten für Maßnahmen der praktischen Klimabeeinflussung gewonnen werden können, die einen relativ schnellen und wirksamen Erfolg verheißen. Das würde sie aber auch zu den ersten Versuchskaninchen und damit zu potentiellen Opfern von Kollateralschäden und Nebenwirkungen dieser höchst unsicheren Experimente machen.

Denn viele der dem Geoengineering zugeordneten Verfahren könnten sich ebenfalls durch andere Umweltschäden oder unvorhersagbare Wetterveränderungen negativ auf Landwirtschaft und Fischerei auswirken und Existenzen wie Lebensgrundlagen vernichten. Beispiele wären hierfür die Meeresdüngung, die über eine verstärkte Produktion von Algen, die dann - so die Theorie -, als Kohlenstoffsediment "auf ewig" am Meeresgrund lagernd, die Pufferkapazität des Meeres für CO2 erhöhen, oder Solar Radiation Maßnahmen, bei denen die Sonneneinstrahlung durch künstlich in die Atmosphäre injizierte Schwefelsäuretröpfchen (Stratospheric aerosol injection, SAI) reflektiert werden soll, die beide einen chemischen Eingriff in die Natur darstellen, dessen Nebenwirkungen unvorhersehbar sind.

Die beiden "Convener" Katharina Beyerl (IASS-Potsdam) and Viliamu Iese (University of the South Pacific) [5] sind seit langem mit dieser Thematik befaßt und waren neben Achim Maas und Mark Lawrence im vergangenen Jahr an einem dreitägigen Workshop in Suva, Fidschi, zu den damit verbundenen Fragestellungen beteiligt. [6]

Nach drei einführenden Vorträgen von Penehuro Lefale (Bodeker Scientific) [7], Cush Ngonzo Luwesi (Kenyatta University) und Pablo Suarez (Red Cross / Red Crescent Climate Centre) über die Perspektiven und Aussichten des Geoengineering (eine Fortführung der Debatte über sich daraus ergebende Maßnahmen sollte die Session mit Andy Parker, "Developing Countries and Solar Radiation Management", am 21. August 2014 werden) gaben die beiden Convener fünf der drängendsten Fragen an die Teilnehmer weiter, die darüber in kleineren Arbeitsgruppen diskutierten, um ihre Ergebnisse am Ende der Session noch einmal zur Diskussion zu stellen.

Nach den an die Wand geworfenen fünf Fragen
1. How have you perceived the debate and research on climate engineering so far?
[Wie haben Sie die Debatte um und die Forschung an Klimaengineering bisher wahrgenommen?]
2. What are the most striking difficulties that come to your mind when you think about climate engineering? [Was sind die naheliegendsten Schwierigkeiten, die Ihnen bei dem Gedanken an Klimaengineering in den Sinn kommen?]
3. Which climate engineering technologies do you consider most important to discuss? [Über welche Technologien des Klimaengineering sollte man Ihrer Meinung nach an erster Stelle sprechen?]
4. How do you see the role of climate engineering (or specific climate engineering technologies) in the debate of climate change in your region? [Welche Rolle spielen Ihres Erachtens Klimaengineering (oder seine speziellen Verfahren) bei der Debatte des Klimawandels in Ihrer Region?]

blieb nur die Frage für den Tisch 5, die Pablo Suarez besonders am Herzen lag und daher kurzfristig ausgetauscht worden war, eine Überraschung für die Teilnehmer. Zum Tisch der SB-Redakteure, an dem sie erörtert werden sollte, gesellten sich die Hauptredner, Penehuro Lefale und Pablo Suarez, sowie Michael Thompson (Washington Geoengineering Consortium) [8], Leonard Borchert (KlimaCampus Hamburg) [9] und der Futurist Jamais Cascio (IEET)[10], der in zahlreichen Debatten immer wieder die besondere Ausgangsposition eines Zugzwangs zum Handeln in die Diskussion einbrachte, der sich aus einer verzweifelten Lage heraus ergeben könnte. Im Anschluß an das überaus konzentrierte Gespräch waren die Teilnehmer freundlicherweise damit einverstanden, es im Schattenblick zu veröffentlichen.

Foto: © 2014 by Schattenblick

Wer soll das bezahlen?
von links: Penehuro Lefale, Pablo Suarez, Jamais Cascio, Michael Thompson und Leonard Borchert
Foto: © 2014 by Schattenblick

Penehuro Fatu Lefale (PFL): Die Frage, um die es in unserer Gruppe geht, lautet, wer finanziert die humanitäre Arbeit in einer durch Geoengineering veränderten Welt?

Pablo Suarez (PS): Dazu muß man wissen, daß derzeit bereits Mechanismen implementiert sind, die jenen helfen sollen, die durch Probleme des Klimawandels in Not geraten. Wenn also beispielsweise ein Extremereignis in den Vereinigten Staaten stattfindet, werden sofort verschiedene Hilfsleistungsmechanismen aktiviert. [11] Die US-Kirchen und das Rote Kreuz haben ebenfalls Hilfs-Einrichtungen, die dann zur Tat schreiten. Treten extreme Naturereignisse allerdings in Ländern auf, die mit den Folgen überfordert sind, greifen gewöhnlich internationale Mechanismen stellvertretend ein. Das sind in der Hauptsache freiwillige Instrumente. So wird beispielsweise eine große Notlage in den Philippinen festgestellt und dann schickt das deutsche Bundeskabinett Unterstützung in die betroffenen Gebiete oder die Deutschen spenden Geld für Hilfsmittel usw. Ein Ergebnis dieser Vorkommnisse in den letzten Jahren ist, daß ausreichend Ressourcen wie Hilfskräfte, Hilfs- und andere Versorgungsgüter zur Verfügung stehen, um Menschen in Not kurzfristig zu helfen.

Naturkatastrophen wie diese werden gemeinhin als höhere Gewalt oder zumindest aus menschlicher Sicht als unfreiwilliges Vorkommnis erachtet. Im Falle von Geoengineering könnte allerdings meines Erachtens zumindest bei den auftretenden Katastrophen der Verdacht aufkommen, daß es sich nicht nur um ein irgendwie geartetes unglückliches Zusammentreffen von natürlichen Umständen handelt, sondern daß hier der Auslöser bei bestimmten Parteien, Staaten oder Staatengruppen zu suchen ist, die etwas am Klima verändert haben. Dann könnte der Fall eintreten, daß Regierungen oder die Bevölkerungen von Staaten möglicherweise nicht mehr so bereit sind, zu spenden oder Hilfe zu leisten, weil sie dann von demjenigen, den sie für die Ursache des Problems halten, auch eine entsprechende Lösung oder ein Eintreten für die daraus resultierenden Probleme erwarten.

Daher ist meine Sorge, daß es möglicherweise weniger Unterstützung und weniger internationale Solidarität in Hinsicht auf humanitäre Hilfe auf einem durch Geoengineering veränderten Planeten geben wird. Darüber hinaus könnte ich mir vorstellen, daß dann auch weniger Spenden und freiwillige Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen werden, weil vor diesem Hintergrund auch das Verantwortungsbewußtsein entsprechend abnehmen wird. Ich kann mich natürlich irren, doch das müssen wir abwarten.

Schattenblick (SB): Ist das denn bereits eine naive Vorstellung, daß jedweder Schaden, der Menschen betreffen könnte, im Vorfeld der Überlegungen, Geoengineering einzusetzen oder nicht, bereits ausgeschlossen werden sollte?

Jamais Cascio, Futurist (JC): Das wäre allein politisch nicht möglich. Selbst wenn es wissenschaftliche Argumente dafür gebe, daß bei einem Schaden kein ursächlicher Zusammenhang zum Geoengineering besteht, würden die betroffenen Menschen diesen Zusammenhang immer herstellen.

Michael Thompson, Washington Geoengineering Consortium (MT): Dem kann ich nur beipflichten!

JC: Ich beschäftige mich als Zukunftsforscher mit verschiedenen möglichen zukünftigen Szenarien. Was das Aufbringen von Spendengeldern, Hilfsfinanzierungen und humanitärer Unterstützung betrifft, halte ich zwei Szenarien für denkbar, jeweils als Folge von unterschiedlichen Ausgangsbedingungen die zum Einsatz von Geoengineeringmaßnahmen geführt haben.

Kommt Geoengineering in einem Szenario zum Einsatz, in dem Menschen von Verzweiflung und Angst beherrscht werden, halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß keiner bereit sein wird, Hilfe zu leisten oder dafür zu zahlen. Das entspräche allerdings auch einer Welt, die völlig zusammenbricht, in der dann auch keine Gelder oder Hilfsmittel mehr übrig sind, die zur Verfügung stehen. Regierungen und Menschen in den nicht betroffenen Ländern könnten dann mit guten Gründen zu den Betroffenen sagen, tut uns leid, aber ihr müßt allein klarkommen.

Sollte allerdings im anderen Fall Geoengineering als Teil einer lange geplanten und durchdachten Strategie eingesetzt werden, scheint es wesentlich weniger ausgeschlossen, daß im Zuge eines entsprechenden Übereinkommens darin auch Überlegungen zu einem Wiederherstellungsfond gemacht werden, in den beispielsweise die Länder, die Geoengineeringmaßnahmen durchführen wollen, entsprechende Leistungen einzahlen, die dann künftige Folgeschäden decken.

MT: Natürlich läßt sich auch nicht ausschließen, daß trotz eines solchen Planes die Länder, die Geoengineering anstreben, schließlich damit argumentieren, daß sie mit diesen Maßnahmen zum einen ja bereits Mittel eingesetzt haben, um etwas, was sie selbst für eine humanitäre Lösung für die weltweite Klimakrise halten, nämlich Geoengineering, zu tun und daher zum anderen nicht mehr bereit sind, für Folgen gerade zu stehen, die sie ohnehin nicht voraussehen können. Das ist aber nicht mein eigener Standpunkt zum Thema, ich spekuliere hier bloß.

JC: Damit einher geht auch noch eine Debatte über die Legalität. Anders gesagt, wer hat die moralische und wer hat die rechtliche Verantwortung. Meiner Ansicht nach erfordert die Durchführung eines erfolgreichen Geoengineering-Unternehmens bereits einiges an Verhandlungen im Vorfeld, besonders was die Frage der Kompensation ohne Zuweisung von Schuld oder Verantwortung angeht. Allein diese Frage würde vermutlich einen Großteil aller Verhandlungen darum ausmachen.

Im umgekehrten Fall, wenn es sich um etwas handelt, was verschiedene Länder einfach aus Furcht oder Panik heraus tun, weil sie glauben, daß dieser spezielle Eingriff vielleicht hilft oder weil ihnen das ihre Wissenschaftler empfohlen haben, und selbst wenn die gewählte Geoengineeringmaßnahme dann in einem anderen Land oder Kontinent katastrophale Folgen nach sich zieht, wird wohl im Grunde jeder in dieser gruseligen Welt auf sich selbst gestellt bleiben.

Schattenblick (SB): Würde denn nicht bei länderübergreifenden Auswirkungen nach internationalem Umweltrecht auch das "Verursacherprinzip", das sogenannte "polluter pays principle", wie im Grundsatz 16 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung gelten? Und falls nicht, sollte das internationale Umweltrecht diesbezüglich nicht umgehend nachgebessert werden? Also in dem Sinne, daß bereits vorausschauend ein Mechanismus eingerichtet wird, der die Länder, die klimamanipulierende Eingriffe in Erwägung ziehen oder vorschlagen, auch vollständig für die damit verursachten Folgeschäden verantwortlich macht? Man sollte meinen, daß es sich dann Staaten oder auch private Unternehmen vielleicht gründlicher überlegen werden, ob sie auch bereit sind, für die damit verbundenen potentiellen Verpflichtungen aufzukommen, ehe sie sich für derart unsichere Eingriffe in die Natur entscheiden.

PS: Das Kernproblem besteht darin, daß es praktisch unmöglich ist eine Kausalität nachzuweisen.

Nehmen Sie zum Beispiel einmal den jüngsten Taifun in den Philippinen. Etwas in dieser Größenordnung war in den betroffenen Gebieten noch nie zuvor vorgekommen. War der Klimawandel hierfür eine mögliche Ursache oder nicht? Keiner kann das mit Sicherheit sagen.

Möglicherweise wäre das auch ohne globale Erwärmung passiert. Wenn etwas vollkommen beispielloses passiert ist, wer will da noch ein oder zwei Jahre, nachdem Katastrophenhilfe zum Einsatz kam und Schäden beseitigt wurden, nachweisen, daß es eine Folge des Klimawandels war und aus keinem anderen Grund geschehen konnte? Man kann die Ursache von Naturkatastrophen nicht ermitteln, wie das die Detektive im Fernsehen tun. Hier kann man keine Spuren oder Fingerabdrücke auf dem Schauplatz des Verbrechens sichern, die Hinweise auf den Täter geben.

PLF: Meines Erachtens ist das Problem der Verantwortung für die möglichen negativen Folgen des Geoengineerings einer der Gründe, warum Regierungen dazu neigen, diese Sache der Privatwirtschaft zu überlassen. Ich könnte mir vorstellen, daß man dem Markt erlaubt, die Ziele festzulegen und den daran beteiligten Firmen vielleicht eine Art Steuer auferlegt, bei gleichzeitigen anspruchsvollen Einzahlungsverpflichtungen in einen Topf für die Wiedergutmachung potentieller Schäden.

Die Regierungen halten sich allerdings bei diesen "Umwelt"-Aktivitäten zurück und überlassen sie der Marktwirtschaft. In Neuseeland kennen wir seit Mitte der 1980er Jahre genau solche Strategien von unserer Regierung. Selbst von der Wissenschaft wird erwartet, gewinnbringende Ergebnisse zu liefern. Deshalb glaube ich, daß es sehr schwierig werden würde, diese Idee eines gemeinsam geplanten und verhandelten Vorgehens und die Einrichtung multilateraler Fonds zur Schadensminimierung umzusetzen.

Man denke nur einmal an die Hilfmittelfonds, die unter der Schirmherrschaft der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change) stehen. Tatsächlich verfügt man angesichts dessen, was eigentlich nötig wäre, über viel zu wenig Gelder. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, daß in Zukunft vor allem die Privatwirtschaft auf dem Gebiet Geoengineering aktiv werden wird. Unternehmen werden in eine der angebotenen Lösungsvorschläge investieren, sofern es für sie finanziell attraktiv ist. Ob es dabei allerdings überhaupt irgendwelche Überlegungen zu humanitärer Unterstützung geben wird, steht meines Erachtens auf einem ganz anderen Blatt.

JC: Eine Herangehensweise meiner Disziplin, mit der wir uns an ein derart komplexes, ungeklärtes Problem herantasten, besteht darin, nach auffallenden Parallelen in der Geschichte zu suchen. Auf diese Weise läßt sich Geoengineering damit vergleichen, was einzelne Unternehmen im Bereich der Kohle- oder Erdölförderung unter den Bedingungen der Marktwirtschaft erreichen konnten. Darüber hinaus sollte man auch die Entwicklung von Nuklearwaffen als ein mögliches Modell in seine Überlegungen einbeziehen, das wieder ein vollkommen anderes Bild ergibt.

Hat man es in diesem Zusammenhang auch mit Wirtschaftsgrößen zu tun, die diese Waffen herstellen oder auch nur Teile davon produzieren, so liegt die letzte Kontrollinstanz doch auf seiten der Regierungen. In diesem Zusammenhang können wir über eine jahrzehntelange Erfahrung mit gemeinsamer Waffenkontrolle und Kernwaffensperrmaßnahmen zurückblicken. Das sind die Paradigmen, die wir nutzen können, wenn wir über das globale Ausmaß der Bedrohung sprechen. Ich werfe das nicht in die Diskussion, weil ich davon ausgehe, daß etwas Entsprechendes auch unbedingt eintreten muß, sondern um das ganze Spektrum an Möglichkeiten zu benennen. Wenn wir also von Wirtschaftsentitäten sprechen, dann könnte die Finanzierung humanitärer Unterstützung möglicherweise auch durch die Demontage von Energiekonzernen wie Royal Dutch Shell, ExxonMobil oder BP (British Petrol) und so weiter sicher gestellt werden. Grundsätzlich würde dies dann von Gerichten entschieden, die diesen großen Entitäten die Schuld für den Klimawandel zuweisen und ihren Rückbau nahelegen würden, aus dem dann ein solcher Fond finanziert werden könnte. Das mag momentan vielleicht noch unvorstellbar klingen, doch könnte ich mir vorstellen, daß solche Vorschläge in einem Kontext, in dem große Menschenmassen nicht nur besorgt sind, sondern in Wut geraten, auch politisch auf fruchtbaren Boden fallen werden.

PFL: Ich arbeite für das WIKISTRAT, eine Beratungsfirma, die geostrategische Analysen erstellt und sehr viel mit Crowdfunding [12] und ähnlichem zu tun hat. Wir legen unseren Analysen grundsätzlich mehrere Szenarios zugrunde. Dabei setzen wir auch mit globalen Problemstellungen wie die augenblickliche Situation im Irak auseinander. Wenn wir unsere Klienten zu anstehenden Entscheidungen beraten, können wir auf die Daten unserer Analysten aus der ganzen Welt zurückgreifen. Deshalb würde ich es auch im speziellen Fall des Climate Engineering für das Richtige halten, wenn wir zunächst einige Szenarios durchspielen, über die offenen Fragen diskutieren und dann sehen, was dabei herauskommt.

PS: Während der Debatten hier auf der Konferenz scheinen wir zu glauben, im Ernstfall würde sich immer der forschungsorientierte, rationale Ansatz durchsetzen. Das hat vermutlich auch damit zu tun, daß es bis zum ernsthaften katastrophalen Klimawandel-Kollaps noch sehr lange hin ist. Doch sollten beispielsweise in naher Zukunft ein bis zwei spürbare Klimaereignisse die eine oder andere führende Industrienation heimsuchen, dann würde sich schon aus den anstehenden Problemen eine große Versuchung ergeben, nicht zuletzt mit entsprechendem Nachdruck von seiten der Betroffenen, endlich etwas, das eine Lösung verspricht, auszuprobieren.

JC: Vor drei Jahren habe ich an einer Übung der US-Regierung teilgenommen. Dabei handelte es sich hauptsächlich um eine spielerisch simulierte Konfliktsituation vor dem Hintergrund des Klimawandels, bei der verschiedene Teams miteinander in Konkurrenz standen. Dieses Spiel entuferte in kürzester Zeit in eine Auseinandersetzung um Geoengineering. Am Ende der Übung waren das chinesische Team und die Mannschaft der USA kurz davor, sich gegenseitig den Krieg zu erklären, weil beide Parteien das Gefühl hatten ihre nationalen Interessen würden durch die angestrebten Handlungen der anderen Seite bedroht. Beide Kontrahenten, und das war deutlich zu sehen, wurden keinesfalls durch Vernunft oder Ratio dazu veranlaßt, sondern durch panische Angst.

SB: Vielen Dank für das aufschlußreiche Gespräch.


Anmerkungen:

[1] http://www.unep.org/

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/internat/uikl0328.html
oder:
http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/leitbild-impressum/

[3] Das vom Weltklimarat IPCC erkorene Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, würde einer nahezu vollständigen Dekarbonisierung der Stromerzeugung bis 2050 in allen Ländern entsprechen, d.h. einer vollständigen Einsparung der CO2-Emissionen durch Kohle-, Öl- oder Erdgas-Kraftwerke. Den Bericht über eine Diskussion hierüber, die kürzlich in Hamburg stattfand finden Sie hier:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0089.html

[4] Pablo Suarez ist stellvertretender Direktor für Forschung und Innovation am Red Cross / Red Crescent Climate Centre, den Haag, Niederlande.

[5] Siehe auch das SB-Interview mit dem Klimawandelexperten und Biologen aus Tuvalu, Viliamu Iese:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0154.html

Eine kurze Vita finden Sie hier:
http://pace.usp.ac.fj/aboutus/viliamuiese.aspx

[6] http://www.iass-potsdam.de/sites/default/files/files/working_paper_pacific_small_island_states_0.pdf

[7] Der gebürtige Samoaner, Pene Lefale, hat in Neuseeland, Fidschi und China studiert und Abschlüsse in Physik und Mathematik sowie in Umweltrecht erzielt. Seit 2011 hat er bei der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft (American Meteorological Society, AMS) den Vorsitz über das Scientific and Technological Activities Committee (STAC) on Meteorology and Oceanography in the Southern Hemisphere (AMS STAC MOSH) inne. Als Meteorologe vertritt er seit vielen Jahren Neuseeland bei zahlreichen Kongressen und Institutionen, unter anderem bei der WMO (World Meteorological Organization). Ein SB-Interview mit dem engagierten Klimawandelexperten finden Sie hier:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0149.html
http://geoengineeringourclimate.com/2014/05/06/climate-engineering-and-small-island-states-panacea-or-catastrophe-opinion-article/

[8] Michael Thompson arbeitet zusammen mit Dr. Wil Burns, Simon Nicholson und anderen in der Initiative "Washington Geoengineering Consortium", die sich nicht als Anwälte des Geoengineering verstanden sehen, aber doch eine ernsthafte Diskussion darüber führen möchten. Siehe auch:
http://teachingclimatelaw.org/washington-geoengineering-consortium-and-geoengineering/

[9] Leonard Borchert arbeitet und studiert am KlimaCampus Hamburg im Forschungsbereich Klimawandel und Sicherheit (Research Group Climate Change and Security), wo er unter Prof. Jürgen Scheffran für seine Masterarbeit forscht. Geoengineering ist eines der Forschungsbereiche, an denen er in Bezug auf die sozialen Konflikte und Umweltfolgen besonders interessiert ist.
http://clisec.zmaw.de/Leonard-Borchert.2634.0.html

[10] Jamais Cascio (IEET) wurde von der amerikanischen Zeitschrift "Foreign Policy" als einer der führenden Denker zu globalen Fragen gewählt. Er schreibt über Schnittstellen neuer aufkommender Technologien, mit Umweltauswirkungen und kulturellen Veränderungen wobei er sich vor allem auf den Entwurf von Zukunftsszenarien spezialisiert. Sein erklärtes Ziel ist, mit Hilfe systematischer Langzeit-Denkmodelle und einem offenen, transparenten und flexiblen, d.h. anpassungsfähigen Ansatz eine 'resilientere' also widerstandsfähigere Gesellschaft zu schaffen.
http://ieet.org/index.php/ieet/bio/cascio/

[11] Extremereignisse, gemeint sind Hitzewellen, Starkniederschläge, Hochwasser im Winterhalbjahr und dergleichen.

[12] Crowdfunding oder Crowdsourcing sind die Anglizismen für eine neuartige Idee der Gruppenfinanzierung, die über das Internet auf speziellen Crowdfunding-Sites helfen soll, über viele Kleininvestorinnen und -investoren, Unternehmensgründungen oder Projekte finanziell abzusichern. Der Begriff Crowdfunding stammt aus dem englischen Sprachraum und setzt sich aus den Wörtern "crowd", was so viel heißt wie "Gruppe", und "funding" zusammen, was im Deutschen "Finanzierung" bedeutet. WIKISTRAT wird selbst durch Crowdfunding finanziert.


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT
und
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW
unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" erschienen:

BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Ein Einführungsbericht

INTERVIEW/149: Klimarunde, Fragestunde - Hört den Wind ...    Pene Lefale im Gespräch (SB)
INTERVIEW/150: Klimarunde, Fragestunde - defensiv zur Sicherheit ...    Prof. Jürgen Scheffran im Gespräch (SB)
INTERVIEW/151: Klimarunde, Fragestunde - Folgen kaum absehbar ...    Prof. Mark Lawrence im Gespräch (SB)
INTERVIEW/152: Klimarunde, Fragestunde - geteilte Not, dieselbe Not ...    Dr. Thomas Bruhn im Gespräch (SB)
INTERVIEW/153: Klimarunde, Fragestunde - Fortschritt in falscher Hand ...    Prof. Clive Hamilton im Gespräch (SB)
INTERVIEW/154: Klimarunde, Fragestunde - Erstickt nicht den Atem der Natur ...    Viliamu Iese im Gespräch (SB)

10. September 2014