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INTERVIEW/161: Klimarunde, Fragestunde - für Aktivisten und Kritiker offen ...    Stefan Schäfer im Gespräch (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014

Stefan Schäfer über die Absicht des IASS, eine Konferenz zu organisieren, in der keine Treffen hinter verschlossenen Türen stattfinden und die zu einer breiten Diskussion über Climate Engineering einlädt, an der sich sehr verschiedene gesellschaftliche Akteure beteiligen sollen



Vor fünf Jahren wurde das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam gegründet und wird seitdem weiter ausgebaut. Einer der drei Forschungsschwerpunkte des Instituts ist SIWA, Sustainable Interactions with the Atmosphere ( Nachhaltige Interaktionen mit der Atmosphäre), dem auch der Politikwissenschaftler Stefan Schäfer angehört. In der Funktion eines Academic Officers (Akademischen Rats) und Vorsitzenden des Steering Committees (Lenkungsausschusses) hat er maßgeblich die "Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions", die vom 18. bis zum 21. August 2014 in Berlin stattfand, mitorganisiert.

Am zweiten Tag der Konferenz ergab sich für den Schattenblick die Gelegenheit, Stefan Schäfer einige Fragen zu seiner wissenschaftlichen Arbeit, vor allem aber zum organisatorischen Hintergrund der Konferenz zu stellen.

Stefan Schäfer beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

"Den verschiedenen Mitgliedern unserer Forschungsgruppe soll (...) ermöglicht werden, in einen produktiven Diskurs über Climate Engineering einzutreten und dafür eine gemeinsame Sprache zu finden."
(Stefan Schäfer, 19. August 2014, Berlin)
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Was hat Sie bewogen, eine so große Konferenz zu veranstalten?

Stefan Schäfer (StS): Wir wollten eine Plattform für möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen zum Thema Climate Engineering bereitstellen. Und da ist von unserem Verständnis am IASS eine internationale Konferenz, die nicht nach dem Vorbild einer klassischen wissenschaftlichen Konferenz aufgebaut ist, sondern die neben den naturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Perspektiven auch Perspektiven aus der Zivilgesellschaft und dem politischen Bereich einbezieht, ein sinnvolles Format. Wir haben die rund 350 Teilnehmer um ihr Feedback gebeten und werden eruieren, inwiefern man das Format gegebenenfalls verbessern kann, oder ob es nicht doch sinnvoller ist, die Thematik in kleineren Meetings zu diskutieren, wie es ja bisher der Fall war.

SB: Wann kam die Idee zu dieser Konferenz auf?

StS: Die Idee, die Forschungsansätze zu Climate Engineering mit allen relevanten Akteuren aus Forschung und Gesellschaft kritisch zu diskutieren, entstand vor zwei Jahren, also relativ zu Anfang als unser junges Team von Mark Lawrence aufgebaut wurde. Das war also ein langer Prozess, in den viele Überlegungen eingeflossen sind.

SB: Ist das eine eigene Arbeitsgruppe, die sich nur für diese Konferenz zum Geoengineering zusammengefunden hat?

StS: Nein, es handelt sich um eine Forschungsgruppe bei uns am IASS, in der Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen vertreten sind. Die Idee ist dabei, an unserem Institut eine Art Mikrokosmos zu bilden, der die größere Debatte zu dem Thema, in der eben nicht nur wissenschaftliche Perspektiven, sondern auch solche aus der Zivilgesellschaft und dem politischen Bereich vertreten sind, unter einem Dach zusammen bringt. Den verschiedenen Mitgliedern unserer Forschungsgruppe soll dadurch ermöglicht werden, in einen produktiven Diskurs über Climate Engineering einzutreten und dafür eine gemeinsame Sprache zu finden. Das interessante an dem Forschungsfeld besteht ja gerade darin, dass es nicht disziplinär konstituiert ist, wie ansonsten üblich im akademischen Bereich.

SB: Was hat Sie bewogen, zu einer wissenschaftlichen Konferenz auch Personen einzuladen, die man hier eigentlich nicht erwarten würde, da sie die Ansicht vertreten, dass mittels sogenannter Chemtrails längst insgeheim seitens Politik und Wissenschaft Geoengineering betrieben wird?

StS: Wir hatten im Vorfeld Anfragen von Leuten erhalten, die an Chemtrails glauben, und haben ihnen gesagt, dass die Konferenz natürlich offen ist und keine Einlassbeschränkung besteht. Wer die Konferenz besuchen möchte, ist dazu herzlich eingeladen. Allerdings sind wir selber auf keine Gruppe aus diesem Bereich proaktiv zugegangen. Außerdem haben wir angeboten, dass wer auch immer sich hier einfindet und meint, seine eigene Perspektive sei nicht vertreten, eine Ad-hoc-Sitzung dazu einberufen kann. Es gibt die Option, sich als Einzelperson oder als Gruppe und Ausrichter einer Sitzung anzumelden. Die wird dann spontan angesetzt und steht allen Konferenzteilnehmern offen.

Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt: es gibt keine Sitzung hinter verschlossenen Türen. Es hatte zuvor Anfragen gegeben, ob das nicht möglich sei, aber wir haben von Anfang an klar gesagt, dass alle Sitzungen und alles andere, was auf dieser Konferenz geschieht, für alle Teilnehmer zugänglich sein soll. Wir versuchen, da sehr transparent zu sein. Das Aufzeichnen von Sitzungen haben wir den jeweiligen Ausrichtern überlassen, aber alle Panel-Diskussionen werden von uns gefilmt, und wir haben auch sonst keine weiteren Restriktionen für Aufnahmen.

SB: Hat diese Transparenz zu Absagen geführt?

StS: Nein.

SB: Es ist jetzt ein voller Tag der Konferenz vergangen. Können Sie schon ein Zwischen-Resümee ziehen?

StS: Ja, der erste Tag war insofern sehr erfolgreich, als dass gleich zu Beginn eine Diskussion über die Frage entbrannt ist, was in diesem Forschungsfeld akzeptabel ist und was nicht. Inwiefern es beispielsweise hinnehmbar ist, sich aus dem Labor und aus dem Computermodell heraus ins Feld zu begeben und Experimente mit Technologien zur Reflektion der Sonneneinstrahlung auszuführen. Dazu gibt es - man sagt normalerweise in der "Gemeinschaft", aber eigentlich ist es eine sehr offene Gruppe - sehr unterschiedliche Meinungen, auch hinsichtlich der Frage, unter welchen Bedingungen das geschehen darf. Es hat mich sehr gefreut zu sehen, dass das bereits am ersten Tag der Konferenz thematisiert wurde und dass dazu sehr gute und, wie ich hoffe, produktive Diskussionen geführt werden.

SB: Sie haben für die Konferenz ein Steering Committee und eine Advisory Group gebildet. Könnten Sie die Funktionen dieser beiden Einrichtungen erklären?

StS: Mit dem Steering Committee haben wir ein möglichst junges Komitee einsetzen wollen, in dem unterschiedliche Perspektiven repräsentiert sind, also von der naturwissenschaftlichen Seite, einschließlich der Klima-Modellierer, über die sozialwissenschaftliche, gesellschaftswissenschaftliche bis hin zu der geisteswissenschaftlichen. Aber auch nicht-akademische Perspektiven sollten vertreten sein. Das Steering Committee ist in den letzten eineinhalb Jahren vor der Konferenz zweimal in Potsdam zusammengekommen und hat dabei das gesamte Programm ausgearbeitet. Da wurden beispielsweise die Themen für die einzelnen Panel-Diskussionen und die Reihenfolge der Sessions festgelegt.

Die Advisory Group hat eher die Funktion einer Peer-Review-Gruppe. Wir hatten die Teilnehmer, die Sitzungen veranstalten wollten, gebeten, ihre Vorschläge auf einem von uns vorgegebenen Formblatt einzureichen. Die Advisory Group hat dann die Vorschläge geprüft, wobei jeder einzelne Sitzungsvorschlag von vier Mitgliedern aus der Advisory Group und auch dem Steering Committee gereviewt wurde. Auf dieser Basis wurden Überarbeitungsvorschläge an die Einreichenden zurückgeschickt, die dann ihre überarbeiteten Versionen nochmals vorgelegt haben. Darauf basierend wurde dann die Entscheidung gefällt: Ja, das ist eine Sitzung, die bei uns stattfinden kann.

SB: Inwieweit arbeiten Sie selbst zum Geoengineering und was halten Sie davon?

StS: Ich bin von Hause aus Politikwissenschaftler und arbeite selber zu dem Thema. Meine politikwissenschaftliche Forschung bezieht sich hier am IASS im Moment größtenteils auf die internationalen Beziehungen und die Auswirkungen, die das Entstehen eines solchen Diskurses zu einer solchen Technologie, die ja vorerst hypothetisch ist - zumindest was die Methoden betrifft, die über einen kurzen Zeitraum große Auswirkungen auf das globale Klima haben werden, wie die Rückstrahlung von Sonnenlicht beispielsweise -, auf das internationale politische Gefüge hat.

Das ist der eine Aspekt meiner Arbeit. Ein anderer betrifft mehr das, was man "science and technology studies" nennt, und dreht sich um die Frage nach dem gesellschaftlichen Kontext von Technologie und Wissenschaft. Also die Frage, wie Wissenschaft und Technologien gesellschaftliche Veränderungen bewirken, während sie gleichzeitig von existierenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen beeinflusst werden. Solche Wechselwirkungen zu untersuchen, ist eines meiner Hauptinteressen.

Unsere Forschungsgruppe "Nachhaltige Interaktionen mit der Atmosphäre" - Sustainable Interactions with the Atmosphere, SIWA abgekürzt - beschäftigt sich mit zwei großen Themengebieten. Das eine sind die kurzlebigen klimawirksamen Schadstoffe, beispielsweise Ruß, Ozon, Methan - Gase, die gleichzeitig auch gesundheitsschädlich sind. Und auf der anderen Seite mit gezielten Eingriffen in das globale Klima, dem sogenannten Climate Engineering. Dabei untersuchen wir vornehmlich Vorschläge, die globale Durchschnittstemperatur durch das Reflektieren von Sonnenlicht zu reduzieren. Das beleuchten wir aus der gesellschaftlichen, ethischen und naturwissenschaftlichen Perspektive. Wir verstehen uns selber als kritische Begleiter dieser Forschung.

Das gelingt uns, weil wir interdisziplinär zusammengesetzt sind und dadurch sehr verschiedene Perspektiven auf das Thema einbringen können. Dadurch sind wir in den letzten zwei Jahren in einen sehr produktiven kritischen Diskurs eingetreten. Das spiegelt natürlich auch das Mandat unseres Instituts, des IASS, wider, das unter anderem untersucht, wie Wissenschaft im gesellschaftlichen Kontext funktioniert und wie sie ihre Ergebnisse zu nachhaltigen Entwicklungsansätzen in die Gesellschaft hineintragen kann.

Climate Engineering hat starke gesellschaftliche, ethische und juristische Aspekte, wobei wir natürlich auch zwei Klimamodellierer im Team haben, die mit Computer-Simulationen zum Beispiel solche Solar-Radiation-Management-Methoden untersuchen und sich die Frage stellen, welche Folgen sie für das Erdsystem haben könnten. Dabei ist wichtig zu wissen, dass wir keine Feldexperimente in diesem Bereich vornehmen, planen oder unterstützen, sondern dass wir uns tatsächlich auf die Computermodellierungen in der naturwissenschaftlichen Arbeit beschränken.

SB: Ist zum Abschluss der Konferenz an eine Art gemeinsame Stellungnahme der Wissenschaftler gedacht, mit der Sie an die Öffentlichkeit treten wollen?

StS: Nein, nicht im Rahmen der Konferenz selbst. Die ist als Plattform gedacht, auf der verschiedene Perspektiven zu Wort kommen sollen und Vorschläge vorgetragen werden können. Es mag durchaus sein, dass jemand die Initiative ergreift, wie es sich ja abgezeichnet hat, und eine Erklärung zirkulieren lässt. Wir freuen uns über die dadurch entstandene Diskussion zur Regulierung der Climate Engineering Forschung, denn das war ja eines unserer Ziele: mit der Climate Engineering Conference hierfür eine Plattform zu bieten.

SB: Vielen Dank, Herr Schäfer, für das Gespräch.

Der Organisator hinter dem Rednerpult - Foto: © 2014 by Schattenblick

Stefan Schäfer gibt am ersten Konferenztag einen Überblick über das Programm und die Logistik
Foto: © 2014 by Schattenblick


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in den Pools
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT
und
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW
unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" erschienen:

BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Ein Einführungsbericht

INTERVIEW/149: Klimarunde, Fragestunde - Hört den Wind ...    Pene Lefale im Gespräch (SB)
INTERVIEW/150: Klimarunde, Fragestunde - defensiv zur Sicherheit ...    Prof. Jürgen Scheffran im Gespräch (SB)
INTERVIEW/151: Klimarunde, Fragestunde - Folgen kaum absehbar ...    Prof. Mark Lawrence im Gespräch (SB)
INTERVIEW/152: Klimarunde, Fragestunde - geteilte Not, dieselbe Not ...    Dr. Thomas Bruhn im Gespräch (SB)
INTERVIEW/153: Klimarunde, Fragestunde - Fortschritt in falscher Hand ...    Prof. Clive Hamilton im Gespräch (SB)
INTERVIEW/154: Klimarunde, Fragestunde - Erstickt nicht den Atem der Natur ...    Viliamu Iese im Gespräch (SB)
INTERVIEW/155: Klimarunde, Fragestunde - schlußendlich nach der Decke strecken ...    im Gespräch mit fünf Klimawandelexperten, -besorgten und -betroffenen der CEC'14 Tagung (SB)
INTERVIEW/156: Klimarunde, Fragestunde - Die guten ins Töpfchen ...    Prof. Steve Rayner im Gespräch (SB)
INTERVIEW/158: Klimarunde, Fragestunde - Zeit für neue Kalküle ...    Dr. Rachel Smolker im Gespräch (SB)
INTERVIEW/159: Klimarunde, Fragestunde - Am Rande der Wissenschaften ...    Dr. Cush Ngonzo Luwesi im Gespräch (SB)
INTERVIEW/160: Klimarunde, Fragestunde - Ohren für die anderen ...    Dr. Bronislaw Szerszynski im Gespräch (SB)

22. September 2014