Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REPORT


INTERVIEW/201: Klima, Flucht und Politik - Dürre, Fluchten und Konflikte ...    Dr. Paul Becker im Gespräch (SB)


Flucht, Migration und Sicherheit - Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Pressefrühstück des Deutschen Klima-Konsortiums am 11. Februar 2016 im Wissenschaftsforum in Berlin

Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Stellvertretender DKK-Vorstandsvorsitzender und 1. Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung Medizin-Meteorologischer Forschung e.V. über die unglückliche Rolle der Dürren in der Konfliktforschung und statistisch schwer nachzuweisende klimatologische Zusammenhänge


Daß Hitzewirkung mit zunehmender (Teilchen)-Bewegung und somit wachsender Reibung bzw. steigendem Druck einhergeht, ist nicht nur ein physikalisches Phänomen, sondern läßt sich durchaus auf konfliktgeladene Situationen übertragen. Mit ganz ähnlichen Termini wie beim kochenden Wasserkessel, der sich mit wildem Dampfablassen und lautem Pfeifen ein Ventil sucht, um den anschwellenden Konflikt in seinem erhitzten Innern zu entladen, beschreibt man die wachsenden Aggressionen bei steigender Hitze und intensiver Sonneneinstrahlung, die Menschen zunehmend eng reagieren läßt. Hupkonzerte auf den Straßen und Unfallstatistiken sind ein bekanntes Beispiel dafür. Vielleicht mag diese Alltagserfahrung, daß die steigenden Temperaturen auch das soziale Klima aufladen, bereits dazu beitragen, auch den globalen Klimawandel immer mehr als potentielles und sehr wahrscheinliches Sicherheitsrisiko anzusehen. Wissenschaftlich bewiesen ist diese plausible Hypothese damit noch lange nicht.

Verschiedene fachspezifische Arbeiten, darunter die Studie von Colin P. Kelley und seinen Kollegen von der University of California in Santa Barbara, legen nahe, daß einer der Initialzünder für den Krieg in Syrien eine extreme Dürre gewesen sein könnte. Gemeinsam mit der Prognose des Weltklimarats IPCC, die fortgesetzte Erderwärmung und die damit einhergehende Austrocknung des Nahen Ostens dürfte angesichts des Bevölkerungswachstums die sozialen und politischen Spannungen vor Ort weiter verstärken, kam der Politologe Solomon Hsiang von der University of California in Berkeley 2015 zu dem Schluß, daß der menschengemachte Klimawandel bereits jetzt das Risiko für Unruhen und gewalttätige Konflikte erhöhe. [1]

In einer in regelmäßigen Abständen stattfindenden Informationsveranstaltung des Deutschen Klimakonsortiums (DKK), dem DKK-Klima-Frühstück, wurde im Vorfeld der 52. Münchner Sicherheitskonferenz die Vorstellung, ein Anteil der Konfliktentwicklung in Syrien ginge auf die weltweite Erwärmung zurück, entschieden relativiert.

Mit dem Vortrag "Dürren, gestern, heute, morgen", konzentrierte sich Dr. Paul Becker, der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes und stellvertretende DKK-Vorstandsvorsitzende am 11. Februar 2016 in der Brasserie "Gendarmenmarkt" im Wissenschaftsforum auf einen wesentlichen Aspekt der These. Der allgemeingehaltene Titel wies bereits darauf hin, daß der Referent selbst in der langen Dürreperiode zwischen 2006 und 2010 nicht den ultimativen "missing link" sieht, der die globale Erwärmung mit den gewalttätigen Konflikten in Syrien verbinden könnte. Bestenfalls - so auch das gemeinsame wissenschaftliche Fazit des Konsortiums - sei der Klimawandel ein weiterer Faktor im Geschehen, aber nicht die Hauptursache.

Indem er den Begriff und die Definition von Dürre zu einer Frage des Standpunkts machte, so daß sich je nach wissenschaftlichem Schwerpunkt allein über 100 verschiedene Definitionen von Dürre ergäben, stellte er genaugenommen auch die Prognose des Weltklimarates wieder in Frage.

Einer grundlegenden Definition von Dürre zufolge werden Gebiete, die ohnehin schon ausgetrocknet sind - beispielsweise die Sahara - überhaupt nicht von Dürren betroffen bzw. nimmt die Dürregefahr in ohnehin trockenen Gebieten mit zunehmender globaler Erwärmung sogar ab.

Dürren, so faßte Dr. Paul Becker den Vortrag zusammen, habe es immer schon in vielen Teilen der Welt gegeben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) würde zwar ebenso eine weltweite Zunahme von Dürren registrieren, zudem bestätige die Statistik des Weltzentrums für Niederschlagsklimatologie (WZN) von 1952 bis 2013 den IPCC-Bericht. Doch all dies beträfe nur Regionen, in denen Regen- und Trockenperioden vorherrschen wie bestimmte Gebiete von Afrika, Brasilien, dem Mittelmeerraum (Syrien, Spanien) oder die pazifischen Küsten von Nord- und Südamerika. Ein weiterer austrocknender Effekt durch die zunehmende Erwärmung und dadurch geförderte Verdunstung wäre noch durchaus in Bereichen hoher Bodenfeuchtigkeit oder mit tiefverwurzeltem Pflanzenwuchs denkbar oder in Gebieten, die künstlich bewässert würden. Um aber einen Zusammenhang mit der klimatischen Entwicklung wissenschaftlich zu untermauern, reichten die in nur 60 Jahren erfaßten Wetterdaten nicht. Der Einfluß des Klimawandels sei somit statistisch nicht signifikant nachweisbar und zukünftige Dürregefahren lassen sich mit Hilfe von Projektionen nicht belastbar ableiten.

Vielleicht unbeabsichtigt vom Referenten, der für eine saubere wissenschaftliche Arbeit eintritt, entstand dadurch der Eindruck, daß sich der Dürrebegriff ganz nach Bedarf oder situativem Kontext dehnen oder einsetzen lassen könnte, um auf Erfahrung, Daten oder "Bauchgefühl" basierende Thesen wissenschaftlich zu widerlegen oder auch nicht. Vor allem wenn es um notwendige Klimaanpassungsmaßnahmen oder laut Dr. Becker "No-Regret-Strategien" zur Vermeidung von Verdunstungsverlusten geht wie die Abdeckung von Stauseen und Wasserspeichern oder die Nutzung von regenerativen Energien, um ein weiteres Abholzen zu vermeiden, könnte der nicht mehr wegzudefinierende Einfluß des Klimawandels beim Sammeln von Argumenten für die Dringlichkeit solcher Maßnahmen wieder eine Rolle spielen. Daß Wasser bei zunehmender Erderwärmung verdunstet, sei schließlich "eine Binse", meinte Dr. Paul Becker.

Im Anschluß an das Pressegespräch war der Medizin-Meteorologe bereit, sich zunächst in der Fragerunde und dann im kleineren Kreis noch einigen Fragen zu stellen.


Foto: © 2016 by Schattenblick

Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Stellvertretender DKK-Vorstandsvorsitzender und 1. Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung Medizin-Meteorologischer Forschung e.V.
Foto: © 2016 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Die direkte Verbindung zwischen einer extremen Dürre in der Region und dem Bürgerkrieg in Syrien gilt in der Konfliktforschung als stark umstritten. Wenn ich Ihren Vortrag über Dürren richtig verstanden habe, dann können Sie den Einfluß der Dürren in diesem speziellen Fall auch aus Sicht des Meteorologen nicht bestätigen. Welche wissenschaftlichen Anhaltspunkte wären denn notwendig, um den doch recht naheliegenden Zusammenhang zu beweisen?

Dr. Paul Becker (PB): Inwieweit der Klimawandel Einfluß auf Dürren hat, läßt sich daran bemessen, ob sie inzwischen häufiger auftreten oder auch in Regionen vorkommen, in denen es bisher keine gegeben hat. Die Region, von der Sie jetzt gerade sprechen, Syrien, ist wie der gesamte Mittelmeerraum seit jeher ein Dürreraum. Das ist nichts Neues und wird auch so bleiben. Die Frage aber, verstärkt der Klimawandel das Ganze nun oder nicht, scheitert genau an der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit.

Mit 60 Jahren systematischer Datensammlung lassen sich dazu keine relevanten Aussagen machen, zumal eine Dürre selbst meist viele Jahre andauert. Wenn sie nur 60 Jahre messen und ein Ereignis umfaßt schon fünf, sechs oder sieben Jahre, dann kommt man damit nicht weiter. Um etwas über die Entwicklung sagen zu können, müßten Sie über mehrere Hunderte von Jahren Meßergebnisse aufzeichnen und entsprechend interpretieren.

Das heißt, wir können nur davon ausgehen, wissen aber nicht, ob der Klimawandel einen Einfluß hat. Selbst wenn wir die sogenannten Klimaprojektionen bemühen, die normalerweise 200 Jahre in die Zukunft reichen, läßt sich darin nichts finden, was diese Fragestellung betrifft. Zudem sind Klimamodelle nicht in der Lage, die Vergangenheit richtig abzubilden. Also selbst dort ist ihre Aussagefähigkeit stark eingeschränkt. Man kann aus manchen Projektionen leichte Verschiebungen vom Einsetzen und vom Ende der Regenzeiten und ähnliche Dinge ableiten, aber der endgültige Beweis, daß der Klimawandel ein Treiber von Dürren ist, fehlt.

Gleichwohl können bereits existierende Dürren, wie Frau Dr. Christiane Fröhlich in ihrem Vortrag nahegelegt hat, zum zündenden Funken für Konflikte werden. Allein das wäre Grund genug für die Entscheidungsträger, beizeiten entsprechende Anpassungsmaßnahmen zur Verhinderung von Dürren zu veranlassen. Das tun sie zum Teil auch schon mit Abholzungsverboten, Wiederaufforstungsprojekten und ähnlichem. Allerdings - das hat das schöne Beispiel mit der Abdeckung von Stauseen in Kalifornien gezeigt [2] - wenn ein Land reich ist, kann es innovativ etwas gegen die Verdunstung tun. Wenn ein Land arm ist, wird das schon erheblich schwieriger. Ebenfalls schwierig wird es in ariden, das heißt trockenen, Gebieten, die sich nicht aufforsten lassen. Es stellt sich dann die Frage der Ressourcenlage. Verfügt ein Land über ausreichend Mittel, um selbst etwas zu tun? Das macht die Sache schwierig.

SB: Sie erwähnten in Ihrem Vortrag die Dürrekatastrophen in Indien und China gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Hierzu hat der amerikanische Soziologe und Historiker Mike Davis in seinem Buch "Die Geburt der Dritten Welt. Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter" den Zusammenhang zwischen Klimaphänomenen und Imperialismus untersucht. Menschen verhungerten in Massen, während zur gleichen Zeit Getreide an das britische Empire exportiert wurde. Das heißt, Hunger als Folge von Dürre ist kein Naturgesetz, sondern eine Frage der Politik. Sollte man die Folgen der Dürre weniger als ein naturwissenschaftliches denn als ein sozial- oder gesellschaftswissenschaftliches Problem verstehen?

PB: Auf die Frage "Was ist eine Dürre" bin ich eigentlich in meinem Eingangsstatement schon eingegangen. Meteorologisch ist sie äußerst simpel beantwortet. Da betrachtet man einfach nur die Niederschlagsverteilung und wenn sie eine bestimmte Form hat und bekannte Schwellenwerte, dann haben wir es mit einer meteorologischen Dürre zu tun. Verfolge ich das weiter, fließen solche Effekte ein, die das Leben einer Pflanze betreffen, oder inwieweit der gesamte Wasserkreislauf davon betroffen wird. So definiert man die sogenannten landwirtschaftlichen Dürren oder die hydrologischen Dürren und das ganze gipfelt dann in den sozioökonomischen Dürren, die Frau Fröhlich aufgegriffen hat. Dies mündet bereits in den Bereich der Konfliktforschung, über den wir gerade sprechen, und führt weiter in die Problematiken, die Sie als Beispiel angeführt haben. Wenn ich etwas mehr Zeit für meinen Vortrag gehabt hätte, dann wäre ich noch auf genau diese weitere Zuordnung näher eingegangen.

SB: Sie sind ja auch Medizin-Meteorologe und beschäftigen sich mit dem Einfluß des Wetters oder extremer Wettereignisse auf den Menschen. Gibt es möglicherweise ganz andere Anhaltspunkte oder Zusammenhänge, die die Auswirkungen steigender Temperaturen auf soziale oder gewalttätige Konflikte erklären könnten? Welche Parameter oder Meßdaten müßte man dafür sammeln?

PB: Andere Parameter eignen sich erheblich besser. Beispielsweise läßt sich die Temperaturproblematik eindeutig auf den Klimawandel zurückführen. Hitzewellen treten viel häufiger auf. Schon deshalb ist das Erfassen mit statistischen Methoden erheblich einfacher und die Projektionen geben auch ein starkes Signal. Die Tatsache, daß es häufiger zu Hitzewellen kommt, ist wissenschaftlich gesichert und dem Klimawandel eindeutig zuzuschreiben. Auch Starkniederschlagsperioden treten viel öfter auf. Das heißt Ereignisse, die in Meßreihen dadurch aus dem Rahmen fallen, sagen auch statistisch etwas aus. Aber wenn ich über 60 oder 100 Jahre nur einmal oder zweimal ein bestimmtes Ereignis finde, dann lassen sich daraus keine Zusammenhänge ableiten. Das kann totaler Zufall sein. Es doch zu tun, wäre wissenschaftlich nicht erlaubt.

SB: Wie sehr die Forschungsergebnisse von statistischen Aussagen abhängen, ist vermutlich nicht jedem klar. Sie werden von den Medien durchaus als Wahrheiten mit Absolutheitsanspruch gehandelt, die möglicherweise von der Wissenschaft selbst mitgelieferte Einschränkung gerät dann schnell in Vergessenheit ...

PB: Genau, darauf sollte man schon ein bißchen aufpassen. Liest man den IPCC-Bericht, dann ist er, was die Aussagen über Dürren angeht, sehr zurückhaltend. Die Kunst besteht darin, Dinge, die klar sind, von denen zu trennen, die unklar sind. Und Dürren sind da noch ein sehr schwieriges und wenig erforschtes Feld.

SB: Angenommen, man könnte jetzt einen Weg finden, mit entsprechender Genauigkeit diese Korrelation wirklich wissenschaftlich zu untermauern. Wem würde das besonders nutzen, welchen Interessen könnte das dienen bzw. für wen wäre die Erkenntnis "der Klimawandel erhöht die Dürregefahr und schürt damit gewaltsame Konflikte in den betroffenen Regionen" wichtig?

PB: Diese Erkenntnis wäre natürlich von großer Bedeutung für die Weltgemeinschaft. Sie könnte deutlich machen, daß unter Umständen, wenn nicht beizeiten etwas dagegen getan wird, bestimmte Gegenden schwer bewohnbar oder unbewohnbar werden und dann die lokale Bevölkerung nicht mehr in der Lage sein wird - oder nicht mehr da sein wird -, so ein Problem zu lösen. Schwache Staaten, die häufiger davon betroffen wären, könnten praktisch nicht mehr selbst damit fertig werden. Aber auch die hochentwickelten, finanzkräftigen Staaten müßten sich etwas zur Finanzierung der Schadensreduktion einfallen lassen. Das kostet einen Haufen Geld und würde die Weltgemeinschaft gewaltig fordern.

SB: Kann man, nachdem 2015 das stärkste El Niño-Phänomen registriert wurde, damit rechnen, daß die El Niño / Southern Oscillation-Problematik (ENSO) im Zuge der globalen Erwärmung noch weiter zunimmt? Und was würde das für die potentiellen Dürregebiete bedeuten?

PB: Ich hatte diese Frage schon befürchtet, denn im Moment können wir auch nicht beweisen, ob die El Niños kräftiger geworden sind als in der Vergangenheit. Es gibt sehr viele Spekulationen dazu und es läßt sich auch nicht vollkommen ausschließen, aber der wirkliche Beweis fehlt. Eine Korrelation herzustellen ist allerdings auch sehr schwer. Ich würde heute nicht behaupten wollen, daß es so ist, ich würde es aber auch nicht ausschließen. Das einzige, was man wirklich definitiv sagen kann: In ganz vielen Regionen hängt die Entwicklung der Dürre mit der aktuellen El Niño-Situation ganz eng zusammen. Auch das ist beinahe selbstverständlich. Wenn man sich solche Regionen ansieht, auf die ENSO Einfluß hat, findet man diese Übereinstimmungen.

SB: Ein aktuelles Thema ist die Verbreitung des Zika-Virus in Brasilien durch die Mücke Aedes aegyptii. Wissen Sie, inwiefern Wetter und Klima Einfluß darauf haben? Und rechnet der Deutsche Wetterdienst generell mit einer Zunahme von Epidemien im Zuge des Klimawandels?

PB: Da muß man sehr vorsichtig unterscheiden. Denn in den Gebieten, in denen man es mit einem schwach entwickelten Gesundheitssystem zu tun hat, sind die Menschen leichter anfällig als in Deutschland mit seinem voll ausgebildeten Gesundheitssystem. Selbst wenn die Tigermücke einwandern würde, dann hätte das hierzulande nicht die gleichen Auswirkungen. Es ist eine Frage von verfügbaren Impfstoffen, der Hygiene oder auch des Umgangs mit Lebensmitteln. Es wird vielleicht noch einiges auf uns zukommen, aber das stößt auf ein Gesundheitssystem, das die Problematik erheblich abmildern kann.

SB: Gibt es bereits haltbare Anzeichen für den Klimawandel in Deutschland?

PB: Deutschland ist auf jeden Fall bereits vom Klimawandel betroffen. Nur weil wir nicht beweisen können, daß die Dürre etwas mit dem Klimawandel zu tun hat, ist der Umkehrschluß, alles andere habe auch nichts damit zu tun, vollkommen falsch. Wir sind betroffen, weil es immer wärmer geworden ist und auch zunehmend wärmer werden wird, einschließlich der Hitzewellen, die damit einhergehen. Wir sind sehr viel mehr von Starkniederschlägen betroffen. Darüber hinaus lassen sich eine Reihe von Folgenwirkungen durch die steigenden Temperaturen feststellen, etwa die Schneeverhältnisse - so weit aus Sicht der Meteorologie. Weitere "Impacts" sind: die Wirkung auf die Landwirtschaft, das Verkehrswesen oder welche zusätzliche Materialbelastung für Straßen oder Schienen zu erwarten sind. Das Spektrum deutscher Anpassungsstrategien hat fünfzehn Sektoren, und fast jeder Sektor ist in irgendeiner Form vom Klimawandel betroffen.

SB: Sie erwähnten die Zusatzbelastung von Werkstoffen, die dann von den Materialwissenschaftlern entsprechend aufgerüstet oder mit anderen belastbareren Legierungen ersetzt werden. Wie ist es mit der Belastung für den Menschen?

PB: Auch in dieser Hinsicht wird umfangreich geforscht. Bereits jetzt sind schon viele Erkenntnisse stabil. Ausgehend von den derzeitigen Temperaturen, den zunehmenden Hitzewellen und angesichts des demographischen Wandels mit einem wachsenden Anteil an älteren Menschen und auch den bekannten Wanderbewegungen in Deutschland, können wir sehr gut voraussehen, was hier bei einer weiteren Temperaturerhöhung passiert und worauf das hinausläuft.

SB: Haben Sie seit dem Klimagipfel in Paris aus Sicht der Meteorologie bereits Initiativen der Bundesregierung feststellen können, die mit der Erfüllung der Klimaschutzziele in Zusammenhang stehen könnten?

PB: Deutschland hat auch schon vor Paris sehr viel Geld in die Klimaforschung gesteckt. In diesem Punkt sind wir bereits weltweit eine der stärksten Nationen überhaupt.

SB: Sie sprachen von notwendigen Anpassungsstrategien. Einige solcher sehr umstrittenen und riskanten Strategien, die momentan als Plan B diskutiert werden und mit denen die aufgeheizte Atmosphäre wieder abgekühlt werden soll, laufen unter der Bezeichnung Geoengineering. Gibt es zur Vermeidung von Austrocknung und Dürren entsprechend einen Plan B? Würden Sie solche Maßnahmen unterstützen oder die Forschung daran?

PB: Also die Forschung daran halte ich persönlich durchaus für unterstützenswert. Ob es das am Ende bringt, was man will, würde ich eher bezweifeln. Statt Strategien zum Geoengineering zu entwerfen, sollten wir lieber mit Nachdruck das CO2 reduzieren und die Anpassungsmaßnahmen, die man macht, sollten den Effekt des Klimawandels in einem entsprechenden Sektor beseitigen.

SB: Also Teiche mit schwarzen Bällen abdecken, um ein Austrocknen zu vermeiden oder Beton- oder Asphaltmischungen entwickeln, die keine Risse durch die Hitzewellen bekommen?

PB: Genau. Daß man vielleicht CO2 verbunkert und es CCS als eine Zwischentechnologie geben mag, bis die Dekarbonisierungsmaßnahmen oder die Umstellung auf klimafreundliche, regenerative Energien erste Erfolgen zeigen, halte ich für denkbar. Ich wäre jedoch allen weiteren Geoengineeringmaßnahmen gegenüber eher sehr skeptisch.

SB: Vielen Dank Herr Dr. Becker, daß Sie sich die Zeit für uns genommen haben.


Foto: 2014 by Aurobinda Dutta als CC BY-SA 4.0 - (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) Lizenz via Wikimedia Commons

Zeichen der Dürre I - Ausgetrockneter Boden in Indien 2014.
Foto: 2014 by Aurobinda Dutta als CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) Lizenz via Wikimedia Commons


Ein Knochenskelett in der arabischen Wüste - Foto: 2006 by P.R. Binter, gemeinfrei via Wikimedia Commons

Zeichen der Dürre II - Wüstenbildung
Für Meteorologen werden Trockengebiete definitionsgemäß nicht von Dürren betroffen, statistisch gesehen nimmt die Dürregefahr im Zuge der Klimaerwärmung hier sogar ab.
Foto: 2006 by P.R. Binter, gemeinfrei via Wikimedia Commons


Anmerkungen:

[1] http://www.spektrum.de/news/wie-der-syrische-buergerkrieg-mit-dem-klimawandel-zusammenhaengt/1335050
und
http://www.pnas.org/content/112/11/3241

[2] Millionen von schwimmenden Polyethylen-Bällen (shadow balls) sollen möglicherweise auf die kalifornischen Seen geschüttet werden, um die Verdunstung zu verhindern. Im Labormaßstab funktioniert das schon:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/schwarze-plastikbaelle-sollen-los-angeles-vor-der-duerre-schuetzen-13772093.html


Einen Bericht zu dieser Veranstaltung finden Sie im Schattenblick unter:
INFOPOOL → UMWELT → REPORT
BERICHT/111: Klima, Flucht und Politik - ein Glied in der Kette ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0111.html

16. Februar 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang