Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → SOZIALES

LANDRAUB/016: Finanzen - Land Grabbing sichtbar machen, Internationale Landkoalition legt Matrix vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Juni 2013

Finanzen: Land Grabbing sichtbar machen - Internationale Landkoalition legt Matrix vor

von Stephen Leahy


Bild: © Wade C.L. Williams/IPS

Liberia hat 'Equatorial Palm Oil' Land in Boegbor in Grand Bassa zur Bewirtschaftung für einen Zeitraum von 50 Jahren überlassen
Bild: © Wade C.L. Williams/IPS

Uxbridge, Kanada, 12. Juni (IPS) - Ausländische Investoren sehen sich vorwiegend in Afrika nach profitablen Agrarflächen um. Dort sind die Pachtgebühren besonders niedrig und die Kapitalerträge hoch. Wie Michael Taylor von der Internationalen Landkoalition (ILC) berichtet, sind für die vorwiegend westlichen Unternehmen durchaus Renditen von 20 bis 25 Prozent realistisch.

Ausländische Investoren stehen kurz davor beziehungsweise haben sich 45 Millionen Hektar in Afrika, Südasien und Lateinamerika Land überschreiben lassen. Das entspricht 60 Prozent der Agrarfläche Europas. Die Hälfte der Böden dient der Nahrungsmittelproduktion, die andere der Herstellung von Biotreibstoffen, so die ILC, ein Zusammenschluss von fast 100 zivilgesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Organisationen einschließlich Weltbank und UN-Umweltprogramm (UNEP). Einige lassen die Ländereien zu Spekulationszwecken brachliegen, wie Taylor berichtet.

Land Grabs gehen meist mit der Vertreibung ländlicher Gemeinschaften einher. Die betroffenen Menschen verlören ihr Agrarland, Weiden und Wälder, kritisiert Teresa Anderson von der Gaia-Stiftung, der britischen Partnerorganisation des Afrikanischen Netzwerks für Artenvielfalt.

Bei den meisten landwirtschaftlich genutzten Gebieten in Afrika handelt es um Land, das seit Generationen gemeinschaftlich genutzt wird, und in Asien und Südamerika besitzen die Millionen Kleinbauern, Hirten und Indigenen keine formellen Landtitel. Wenn es den Regierungen passt, gehen sie über die Gewohnheitsrechte der Bevölkerung hinweg und verkaufen oder verpachten Land an Investoren. Interessant ist Agrarland für Investmentfirmen und Privatkapital aus Pensionsfonds seit der Ernährungskrise, die Nahrungsmittel zu lukrativen Rohstoffen mache.


Lokalbevölkerung verliert auf ganzer Linie

Wissenschaftler der Universität von Georgia haben unlängst 34 Landnahmen in Afrika genauer unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: In den meisten Fällen hat die Lokalbevölkerung Land und Lebensgrundlage verloren, ohne selbst irgendeinen Nutzen aus dem Geschäft gezogen zu haben.

Die USA, Malaysia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Großbritannien sind die Top-Landinvestoren in Afrika und anderswo, wie aus dem 'Land Matrix Global Observatory' der ILC hervorgeht. Land-Matrix ist eine Webseite, die fast 1.000 Landtransaktionen dokumentiert. Aufgeführt werden Landnahmen von Einzelpersonen und Unternehmen, die Größe der betreffenden Gebiete und die geplante Nutzung. Die größten Landdeals wurden demnach im Sudan und in Papua-Neuguinea abgeschlossen.

Es sei nicht so leicht, die vielen weltweiten Fälle von Land Grabbing zu dokumentieren, meint Taylor. "Es findet ein riesiger Ausverkauf von Ländereien statt, die nicht in der Land-Matrix berücksichtigt wurden, betont er und fügt hinzu, dass auch die Eliten der jeweiligen Länder zu den großen Land Grabbern gehörten.


Enteignungen im Namen der Entwicklung

"In den letzten drei Jahren hat die indische Regierung mehr als 50.000 Hektar Land an Unternehmen veräußert", berichtet Lalji Desai, eine traditionelle Hirtin (Maldhari) aus dem indischen Bundesstaat Gujarat. Die Deals würden als Entwicklungsprojekte beworben. Doch Maldhari und lokale Bauern wollen mit der Landwirtschaft weitermachen. "Unsere Böden sind sehr produktiv, und wir wollen sie nicht aufgeben", so Desai in Ahmedabad in Gujarat.

Bis zu 70 Dörfer mit 125.000 Einwohnern befinden sich derzeit im Umkreis sogenannter Sonderinvestitionszonen. Deren Ländereien werden auseinandergerissen und an Unternehmen wie Suzuki und Hitachi verpachtet. Da die Menschen, die ihr Land auf diese Weise verlieren, keine besondere Ausbildung genossen haben, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie von den Unternehmen beschäftigt werden, wie Desai warnt.

Die meisten Investoren erhalten viel mehr Land als sie eigentlich brauchen. Sie verdienen am Weiterverkauf. "Die Preise für Land haben sich in den letzten zehn Jahren verzwanzigfacht. Alle, auch einflussreiche Politiker, wollen jetzt Land kaufen", berichtet die Hirtin. Doch sie und viele andere Menschen wollen sich nicht von ihrem Traditionsland vertreiben lassen. "Wir wollen, dass die weltweite Öffentlichkeit begreift, dass Land am besten genutzt wird, wenn es der lokalen Nahrungsmittelproduktion dient", so Desai. Die ILC will mit ihrer Land-Matrix dazu einen Beitrag leisten, indem sie den gesamten Prozess des Land Grabbings transparenter macht. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.landcoalition.org/news/land-matrix-new-data-large-scale-land-deals-not-%E2%80%9Cbubble%E2%80%9D
http://www.africanbiodiversity.org/
http://www.gaiafoundation.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/u-s-malaysia-lead-worldwide-land-grabs/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Juni 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2013