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FORSCHUNG/398: Nachhaltigkeit im Fluss - Auswirkungen des Klimawandels (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter April 2012

Nachhaltigkeit im Fluss

von Tilo Arnhold



Halb im Sand eingegraben und stets von frischem Wasser umspült, lässt es sich Corbicula fluminea in den aquarienartigen Behältern gut gehen. Die dunklen, nicht einmal eurostückgroßen Exemplare der Asiatischen Körbchenmuschel sind im Rhein seit langem keine Seltenheit mehr. Seit den 1980er Jahren hat sich dort diese ursprünglich aus China stammende Muschel immer mehr ausgebreitet und vermutlich andere Arten verdrängt. Ganz anders an der Elbe. Obwohl sich auch hier die Wasserqualität deutlich verbessert hat, spielt diese invasive Art kaum eine Rolle. Noch nicht?

Wenn die Hypothese stimmt, dass sich die Muschelart nur dank der Abwärme von Kraftwerken im Rhein so gut vermehren konnte, dann steht der Elbe im Zuge des Klimawandels Ähnliches bevor. Um dieses Rätsel zu lösen, haben die Fließgewässerökologen des UFZ ein mobiles Labor am Elbeufer installiert, in dem sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässerökologie bereits jetzt realitätsnah simulieren können. "Die Körbchenmuscheln leben in unseren Fließrinnen in echtem Elbewasser, aber wir können hier im Labor jene Parameter einstellen, von denen wir annehmen, dass sie sich in den nächsten Jahrzehnten verändern werden, wie zum Beispiel Temperatur, Nährstoffgehalt oder Pestizidbelastung. Also alles das, was den Organismen Stress bereitet", erklärt Prof. Markus Weitere. Die mobilen Labore füllen so eine Lücke zwischen Laborversuchen und Freilandbeobachtungen. Eine Infrastruktur, die momentan an der Elbe im Rahmen des Beobachtungsnetzwerkes TERENO (TERrestrial ENviromental Observatoria) genutzt wird, mit dem die Helmholtz-Gemeinschaft die Auswirkungen des globalen Wandels in Deutschland untersucht. Da die Container lediglich einen Standplatz in Gewässernähe samt Stromanschluss brauchen, können sie später auch an anderen Orten helfen, neue Erkenntnisse zur Gewässerökologie zu gewinnen. Dass sich Markus Weitere und seine Kollegen gerade für diese Muschel interessieren, liegt weniger an der Muschel, sondern an deren ökologischer Funktion und an dem Habitat, das sie repräsentiert: "Fließgewässersedimente sind praktisch so etwas wie die Leber des Flusses. Dort erfolgt ein Großteil des Stoffumsatzes." Auch hier macht wieder der Vergleich zwischen den beiden großen Flüssen deutlich, wie sich das auswirken kann: Das Wasser der Elbe ist im Schnitt wesentlich trüber, da hier zehnmal mehr Algen vorhanden sind als im Rhein, wo die Muscheln diese aus dem Wasser filtern und damit einen Beitrag gegen die Anreicherung unerwünschter Algen im Fluss und später auch im Meer leisten.

Funktionierende Ökosysteme sind also kein Selbstzweck, sondern durch ihre Dienstleistungen eine Frage der Zukunftssicherung. "Gewässerökologie hat ganz viel mit Nachhaltigkeit zu tun", betont der Wissenschaftler. "Hier geht es um die Frage, wie wir unsere Gewässer langfristig managen wollen". Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Flüsse ist nicht nur Ziel der EG-Wasserrahmenrichtlinie, die die Mitgliedsstaaten zu großen finanziellen Anstrengungen zwingt. Angesichts der oft vergessenen Bedeutung der Gewässer ist es auch eine Frage der Vernunft. Im Einzugsgebiet der Elbe zwischen Riesengebirge und Nordsee leben über 24 Millionen Menschen. Viele davon wohnen in der Nähe der Flüsse und wären von Überschwemmungen betroffen oder beziehen ihr Trinkwasser aus Reservoiren, die hydrologisch mit dem Fluss verbunden sind. Flüsse sind nach wie vor Lebensadern ganzer Regionen. Geht es ihnen gut, geht es auch der Region gut oder umgekehrt. Und dazu gehören auch Bereiche, die sich unseren Blicken gerne entziehen - wie eben die Sedimente am Grund der Flüsse.

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus Weitere
Leiter Dept. Fließgewässerökologie

e-mail: markus.weitere[at]ufz.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Prof. Dr. Markus Weitere und Dr. Helge Norf. Die Flussökologen untersuchen mithilfe des mobilen Messcontainers MOBICOS (Mobile Aquatic Mesocosms) anhand von Muscheln, wie sich globale Veränderungen auf unsere Gewässer auswirken und wie diese nachhaltig bewirtschaftet werden können. Foto: Michael Uhlmann

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Quelle:
UFZ-Newsletter April 2012, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012